Ich bin mittlerweile seit 14 Jahren aus Überzeugung kein Mitglied einer Kirche mehr - also ausgetreten. Dazu stehe ich auch. [...] Weil ich eine ehrliche Haut bin, habe ich ihn aber gleich über meine Konfessionslosigkeit informiert [...] Im Grunde genommen fand ich seine Einstellung ok. Ich bin nicht Mitglied in diesem Verein, warum sollte er mir seine Zeit und sein Instrument zur Verfügung stellen.
Das ist gut. Immer mit offenen Karten spielen. Dazu gehört, die Reaktion des Gegenübers auf die aufgedeckten Karten zu akzeptieren. Ehrlichkeit hat ihren Preis (weshalb viele Menschen der Versuchung des Flunkerns nicht widerstehen können), aber den sollte man gern entrichten um der Wahrhaftigkeit willen.
Meine Freundin sah das allerdings etwas anders. Hat man als Angestellter bei der Kirche (Kantor, Organist, was auch immer) nicht auch eine Art "Missionsverpflichtung"? Wenn da schon jemand kommt, der einen gewissen Bezug zur Kirche hat - und sei es nur durch das Instrument oder seine Vorgeschichte - hätte man den nicht sofort vereinnahmen müssen, nach dem Motto, das könnte wieder ein aktives Mitglied der Kirche werden, da bleib ich jetzt dran..?
Das hingegen sind Gedankengänge, die ich wirklich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Um biblische Metaphorik zu bemühen: Das ist die Schlange.
Da kommt jemand und erklärt, als dermaleinsten aktives Gemeindemitglied "aus Überzeugung" ausgetreten zu sein. Er hat einen legitimen Wunsch, der nur sehr indirekt etwas mit der Kirche (als Besitzerin der Orgel) zu tun hat.
Der Organist hat offenbar seine Prinzipien wie Du auch ("aus Überzeugung"). Er nahm Dich und Deine Überzeugung ernst und handelte entsprechend. Bist Du Dir sicher, dass das kuriose Konstrukt ("Missionsverpflichtung", "Vereinnahmung" etc.) davon zeugt, dass Du (bzw. Deine Lebensgefährtin - keine Ahnung ob die von Dir umrissenen "Argumente" vielleicht einfach nur scherzhaft gemeint waren) seine Beweggründe ebenso respektierst wie er offenbar die Deinen?
Im Kern ist der Inhalt dieser Gedankengänge doch folgender: Du bist zwar "aus Überzeugung" ausgetreten und kommunizierst dies auch (korrekter Weise), aber ein kleiner sophistischer Kobold (um mal von der biblischen Schlange Abstand zu gewinnen) in Deinem Hinterkopf spielt Dir einen Streich, indem er die Erwartung nährt, der Depp, der blöd genug ist, einer Organisation zu dienen, aus der Du aus Überzeugung ausgetreten bist, hätte Dir je eigentlich Deinen Wunsch erfüllen müssen, indem er Dein Seelenheil mit der Benutzung des Instruments & Unterricht ködert? Sind das nicht solche verqueren Kalkulatationen, die viele Leute von den Kirchen entfremden?
Bleib doch bei Deiner geraden Linie, die Du eingenommen hattest, ehe Deine Lebensgefährtin mit ihren Sophistereien anfing (ob im Spaß oder ernsthaft sei ausdrücklich dahingestellt).