Chopin konnte mit dem Orchesterapparat sicher nicht allzu viel anfangen - er hat ja nie ernsthaft versucht, Orchesterwerke zu schreiben. Das erklärt auch die Art seiner Klavierkonzerte, bei denen das Orchester nichts weiter ist als ein schmückendes Beiwerk - alles Wesentliche wird im Klavierpart gesagt. Er hat diesen Stil, der im Prinzip eine Übertragung des Belcanto-Stils auf das Instrumentalkonzert ist, nicht erfunden (der war zu Chopins Zeit gerade en vogue), aber er hat den Belcanto sehr gemocht und ihn sich auch in der reinen Klaviermusik oft zum Vorbild genommen. Wenn man beispielsweise "Casta Diva" auf dem Klavier spielt, könnte man die Arie fast mit einem Chopin-Nocturne verwechseln.
Man muss die Konzerte nehmen, wie sie sind. An die sinfonische Komplexität von Mozart oder Beethoven reichen sie bei weitem nicht heran - aber der Klaviersatz ist toll und überaus poetisch. Solange das Klavier spielt, ist die Welt auch vollkommen in Ordnung. Problematisch sind in erster Linie die Ein- und Überleitungen, in denen das Klavier pausiert. Da werden die Mängel in der Orchesterbehandlung schnell offensichtlich.