Hallo Hanss,
Ich vergesse nichts, glaub mir.
Lieber Michael,
das mag theoretisch laut aktueller Gehirnforschung theoretisch richtig sein, denn angeblich vergisst man wirklich nichts. Aber in der Praxis kann ich das nicht so ganz glauben :D
Ich bleibe dabei, wenn plötzlich alle sich selbst vermarkten würden, wäre das eine gewaltige Revolution, die in unserer Gesellschaft so ziemlich alles umkrempeln würde.
Es wird nicht passieren, weil so etwas von den lenkenden Kräften niemals zugelassen wird. Die letzte Notfallmaßnahme wäre dann halt ein Krieg, der bekanntlich alle Regeln außer Kraft setzt.
Und es würde auch nicht funktionieren. Weil das Übermaß an Eigenmarketing nichts anderes als ein weißes Werberauschen erzeugt, in dem einzelne Aktionen komplett untergehen.
Für wenige kann es funktionieren, aber niemals für alle.
Dein Beispiel mit den aussterbenden Familienbetrieben ist ein schönes Beispiel für das Nichtfunktionieren der Masse.
Denn nicht nur die bösen Bosse sind schuld, dass wir keine kleinen Elektroläden mehr in den meisten Orten haben - wiederum nur als wahlloses Beispiel. Schuld sind die Kunden, welche das billigere Angebot willig annehmen. Sie hätten es in der Hand die kleinen Läden zu retten. Wenn niemand beim "Ich bin doch Doofmann" einkauft, ist er in vier Wochen pleite. Und fertig.
Ebenso schuld sind bzw. waren aber auch die kleinen Händler selbst. In meiner Jugend gehörten die Kaufmänner noch zu den Honoratioren des Ortes. Entsprechend haben sie sich großteils benommen und die Nase über die Arbeiter gerümpft. Und so haben jene ohne jegliche Gewissensbisse die neuen Einkaufsmöglichkeiten sobald vorhanden liebend gern genutzt. Spieß umgedreht und aus mit Nase rümpfen. Und verlorene Kunden zurück zu gewinnen, ist bekanntlich eine der schwersten Übungen.
Heute ist es nun auch in der breiten Bevölkerung Usus das Aussterben der Innenstädte zu bejammern. Und trotzdem sind die Innenstädte am Samstag leer und die Einkaufszentren am Stadtrand zum Erbrechen voll.
Ebenso wie jeder Politiker heute weiß, welch giftige Kröte man sich mit diesen Tempeln ins Nest setzt und was die Auswirkungen sein werden. Trotzdem will auch noch der Bürgermeister von Oberunterhintervordergurgl SEIN Einkaufszentrum auf der grünen Wiese haben.
Sein Schicksal selbst in die Hand nehmen ... schon richtig und wünschenswert. Sich selbst besser verkaufen ... auch gut. Aber erklär das einem Lastwagenfahrer oder einem Maurer. Sprich einen Polizisten oder eine Krankenschwester darauf an.
Klar, der Lastwagenfahrer könnte sich selbst einen LKW kaufen und sich selbständig machen. Wenn er denn jemand findet, der ihm den LKW finanziert.
Auch der Maurer kann eine eigene Baufirma gründen, wenn er denn ... eh schon wissen. Oder er bietet seine Dienste als Einzelunternehmer an, macht kleine Reparaturen oder Aufträge ... öhm, leider versuchen das bereits viele andere, der Bedarf ist aber nicht hoch genug. Also doch wieder zurück zum Big Boss und der wird kaum mit sich handeln lassen. Warum soll er auch?
Der Polizist könnte sich weiterbilden und Kriminalkommissar werden. Dummerweise werden aber viele einfache Polizisten und nur sehr wenig Kommissare gebraucht.
Die Krankenschwester könnte sich auf Hauskrankenpflege oder sowas spezialisieren. Doch halt, von dem Gehalt, das man in dem Bereich Leuten aus dem ehemaligen Ostblock oder Asien bezahlt, wird sie nicht leben können.
Und so weiter.
Aber zurück zur Musik und den Musiklehrern. Hier greife ich nur das Beispiel mit dem Vorspielen (o.ä.) an Schulen heraus. Für Einzelpersonen eine sehr gute Idee. Was aber, wenn nun jeder Klavier-, Waldhorn-, Gitarre-, Blockflöten-, Klarinetten-, Trompeten- und noch viel mehr Instrumentenlehrer bei den Schulen anklopft? Urplötzlich wird das an sich gute und vernünftige Vorhaben ein völlig unmögliches.
Generell: Die Lösung kann nicht sein, von allen Leuten zu fordern sich auf die Füße zu stellen. Denn damit macht man unterschwellig genau das, was den lenkenden Kräften in die Hände spielt. Man unterstellt Menschen, die von ihrem Gehalt nur notdürftig leben können, selbst daran schuld zu sein. Zu faul, zu bequem, zu dumm, zu wenig Eigeninitiative, was auch immer.
Und der Big Boss kann sich beruhigt zurücklehnen. Er ist schließlich nicht daran schuld, dass er zu wenig zahlt und selbst immer reicher wird, während ein großer Teil der Bevölkerung real ärmer wird. Die Leute sind selbst daran schuld, er hat es doch immer schon gewusst :cool:
Die Grundaufgabe eines Staates und seiner Politiker ist für ein menschenwürdiges Dasein der Bewohner zu sorgen. Aber gut, Banker, Investoren und Großindustrielle sind auch Bewohner. Man könnte also nicht sagen, dass diese Aufgabe nicht zumindest teilweise zufriedenstellend erfüllt wird :-P
LG Hans