Wenn ein Pianist ein Konzert gibt (beispielsweise mit anspruchsvollen Klassikwerken), IST das sehr anstrengend, Peng, aus.
Und zwar unabhängig davon, daß es ihm gleichzeitig sehr viel Spaß macht und sehr viel gibt etc.
Deswegen ist "anstrengend" keinesfalls ein "unglückseliger Begriff", sondern einer, der hier sehr genau reinpaßt.
Ich hätte da mal 'ne Frage: Wann ist eigentlich der Mythos entstanden, dass eine Arbeit erst als etwas Ernstzunehmendes anerkannt wird, wenn man die Anstrengung beim Ausführenden spüren kann? Wenn also ein Pianist NICHT mit schmerzvollem Gesichtsausdruck am Instrument sitzt, ist seine Arbeit dann weniger wert? Irgendwie geistert bei vielen der Glaubenssatz herum, dass Arbeit grundsätzlich keinen Spaß machen darf, stets mit Leiden und Qualen verbunden ist - und dass die Musiker ohnehin alle ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, deshalb sollen diese sich glücklich schätzen, dafür überhaupt bezahlt zu werden...!
So gesehen sitzt der Berufsmusiker in der Falle: Sieht man ihm seine Freude beim Musizieren an, zweifelt man an der Seriosität des Berufsbildes - Arbeit darf keine Freude machen. Sitzt er mit leidendem Gesichtsausdruck am Instrument, schneidet er schmerzerfüllte Grimassen, will das auch keiner sehen. Was also tun?
Wahrscheinlich ist es gar nicht möglich, mit objektiven Kriterien das schwierigste oder das leichteste Berufsfeld ausfindig zu machen. Sicherlich empfindet jemand, der vorrangig aus Sachzwängen heraus beim Unterrichten gelandet ist, seinen Berufsalltag als stressiger als jemand, der aus eigenem Wunsch stets den Lehrberuf angestrebt hat. Dann spielt natürlich die Diskrepanz zwischen ursprünglichen Idealen und der rauhen Wirklichkeit eine Rolle. Was sicherlich dem Berufsmusiker in der Konsequenz zu schaffen macht, ist die weitverbreitete Einstellung, dass Kunst und Kultur dekoratives Beiwerk einer Gesellschaft für gute Zeiten ist - in Notzeiten wird zuerst dort gekürzt. Dass dies in der Praxis nicht stimmt, zeigen die Nachkriegsjahre im kriegszerstörten Deutschland: Gerade in diesen Jahren war man viel ausgehungerter nach Kultur als man vermuten würde. Offensichtlich ist an dem Wort aus dem Matthäus-Evangelium (Kap. 4, Vers 4) doch etwas dran, wonach der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt. Für die weniger Bibeltreuen ergänzte Woody Allen: Nach einer Weile braucht man auch einen Drink. Der Politik wird nicht nur seitens der Kulturschaffenden immer wieder vorgehalten, vorrangig bei Kultur und Bildung Einsparungen vorzunehmen. Andererseits wird verschiedenen Bevölkerungsteilen immer wieder die Frage gestellt, in welchen Bereichen vorrangig gespart werden sollte - und auch hier landet Kultur und Bildung auf den Wunschzetteln ganz oben. Kunst sei schön, mache aber viel Arbeit, soll Karl Valentin einst geäußert haben. Man könnte ergänzen: ...und sie soll möglichst wenig kosten! Dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Was aber mit Sicherheit nicht weiter hilft, ist das wechselseitige Ausspielen der Berufsbilder gegeneinander, da ja alle davon überzeugt sind, es schwerer zu haben als alle anderen. Objektiv meßbare Kriterien wie Ausbildungsdauer, Fortbildungserfordernisse, Qualifizierungsniveaus sind nun mal nur ein Teil des Ganzen. Dazu kommen die Tätigkeitsbereiche, die relativ bemessen sind: Probendienste werden bezahlt, das individuelle Üben hingegen nicht.
Fazit: Auch wenn dieser Faden so lang wie die UFG werden sollte, werden wir kein allgemeingültiges Berufsbild vorliegen haben - wie denn auch?
LG von Rheinkultur
P.S.: "Man schimpft nur solange auf die Arbeit, bis man keine mehr hat.", Zitat: Sinclair Lewis (1885-1951), amerik. Romancier u. Gesellschaftskritiker