Liebe Debbie,
du brauchst gar nicht weiter zu schreiben, weil ich mit dir da völlig einig bin...
Liebe chiarina,
ich schreibe aber trotzdem weiter....
... weil ich eine dreizehnjährige Tochter habe, die bereits seit fünf Jahren Klavierunterricht hat!
Nachdem ich den Faden nun bis zum aktuellen Stand verfolgt habe, kann ich deine Position eigentlich recht gut nachvollziehen und auch unterstützen.
Allerdings:
sind Kinder und Jugendliche, die Klavierunterricht genießen, doch auch in vielfältigen anderen "Erziehungsumwelten" unterwegs! Meine jüngste Tochter (die o.g. Dreizehnjährige, die Klavierunterricht hat), erhielt z.B. bereits im Kindergartenalter und darunter von unserem Kinderarzt kleine Salzbrezeln, wenn sie sich bei einer altersgemäßen Regeluntersuchung gut verhalten hatte. In der Grundschule gab es dann Fleißstempel mit Enten und Bären, die Omas offerierten öfter mal einen Fünfeuroschein fürs gute Zeugnis....
Dies nur als Hintergrundinformation! Ich habe mich dann auch im Laufe der Zeit gefragt, wie ich als Mutter meine Tochter am besten davon überzeugen kann, dass regelmäßiges Klavierüben am sinnvollsten ist. Gummibärchen und Salzbrezeln als Anreizmittel kamen mir dabei überhaupt nicht in den Sinn! Ganz am Anfang hatte meine Tochter mal neben der Klavierschule ein Spielband, in dem man für jedes Stück, das man erfolgreich abgeschlossen hatte, einen bunten Glitzersticker (der sich ganz hinten im Heft befand) dann auf eine dafür vorgesehene Leerstelle auf der Notenseite kleben durfte. Diese Sticker haben meiner Tochter gut gefallen, aber ich glaube, dass sie für sie rein symbolischen Wert hatten. Sie hat sich immer gefreut, wenn sie das Stück richtig gut spielen konnte - und der sticker hat ihre Zufriedenheit einfach symbolisiert.
Als die schulischen Anforderungen im Laufe der Zeit größer wurden, wurde die Zeit für das Klavierspielen dann auch knapper. Hinzu kam, dass ihre Freundinnen entweder nur Flöten oder überhaupt kein Instrument spielten. Die Flöten spielten und spielen zwar regelmäßig im Gottesdienst, müssen dafür aber außerhalb der Proben in der Kirche kaum üben - das ist kein Vergleich mit dem Üben eines Klavierschülers, der weiterkommen will. Ein paar vereinzelte Schulfreundinnen haben sich an Streichinstrumente gewagt. Diese sind im Schulorchester hochwillkommen. Das KLavier aber überhaupt nicht, da man es ja wirklich erst mal sehr gut beherrschen muss, um andere Instrumente zu begleiten!...
Meine Tochter hat das Klavierspielen vor fünf Jahren auf ausdrücklichen eigenen Wunsch begonnen. Im Laufe der Zeit gab es Höhen und Tiefen. Ich habe mich immer gefragt, wie ich am besten damit umgehe. Sicherlich ist es auch nicht förderlich, dass ich selbst noch als Spätanfänger Klavierspielen lerne. Mit Beginn der Pubertät möchte man doch seinen eigenen Weg gehen und den Eltern zeigen, dass man eigenständige Interessen hat! Wenn man sich dann die gleiche "Freizeitbeschäftigung" aussucht wie Vater oder Mutter, dann ist das doch für ein Kind bzw. einen Jugendlichen grundsätzlich ein wenig fragwürdig!
Daher habe ich in den Zeiten, in denen meine Tochter das Klavierspielen euphorisch betrieb großes Interesse gezeigt, viel zugehört und mit ihr über ihre musikalischen Vorlieben gesprochen. Allerdings gab es bisher auch andere Zeiten, in denen ganz andere Dinge im Vordergrund standen und das Klavierspielen in den Hintergrund trat. In diesen Zeiten habe ich weder gesagt "dann hör doch auf damit, wenn du jetzt keine Lust mehr dazu hast", noch Bestechungsversuche mit Geld oder Sonstigem unternommen, sondern einfach dafür gesorgt, dass meine Tochter trotz all der unzähligen Dinge, die sie gerade viel mehr beschäftigten, regelmäßig und in Ruhe üben konnte. Ich habe versucht, zu vermitteln, dass Klavierspielen dann am meisten Spaß macht, wenn man regelmäßig übt! War oder ist das falsch??? Ich weiss es nicht! Jedenfalls hat es meine Tochter offenbar begriffen.
Vor einiger Zeit (nach Sommerferien mit vierwöchiger USA-Reise) gab es hinsichtlich des regelmäßigen Übens noch mal Gewöhnungsschwierigkeiten. Da habe ich gesagt - als sie das Stück, das sie ja vier Wochen nicht angesehen geschweige denn gespielt hatte: Wenn du nicht mehr Klavierspielen willst, dann kannst du doch aufhören, niemand muss Klavierspielen lernen! Da hat sie mich ganz entrüstet angeschaut und fast geweint. Aufhören kommt für sie gar nicht in Frage!
LG
Debbie digitalis
(die bisher keine pädagogische Fachliteratur gelesen hat!)