Danke daß Du die hier zitierte Erkenntnis uns Laien ohne umfassende Kenntnis der musikwissenschaftlichen Literatur nun letzlich doch nicht vorenthältst.
Nun, wenn irgendjemand behauptet,
es müsse so sein (Beethoven habe gemeint "tritt vom ersten bis zum letzten Ton aufs Tonhaltepedal und lass es nicht hoch"), und wenn man man von dieser Behauptung ausgehend den langsamen Sätzen aus op.27,2 und op.37 irgendwelche Besonderheiten andichtet (z.B. sie seien so komponiert, dass gerade dort und tiefsinnig innovativ das Pedal alles vermischt),
dann hat man gravierende Probleme mit der Beweislast - und das ist, weil unnötig, durchaus eselshaft.
Wenn hingegen das spielen
beider langsamer Sätze ohne Pedalwechsel
als Experiment praktiziert wird, dann gibt es keine Einwände.
Die Erkenntnis, dass man eben nicht 100%ig
nachweisen kann, wie Beethoven selber das gespielt hat und wie er die beiden exotischen Pedalanweisungen gemeint hat, nötig halt dazu, allerlei Argumente pro und contra zu sammeln (was übrigens in einigen Fachpublikationen längst geschehen ist - wenn irgendein Feuilleton oder ähnliche Journaille irgendwas isoliert herausgreift, bedeutet das gar nichts)
Was sind die Fundorte für Argumente in dieser Frage?
- originale Quellen: Beethovens Manuskript, die Ausgabe letzter Hand bzw. die Erstausgabe
- falls vorhanden Beethovens Skizzen, Briefe, Schriften (sofern er sich zu seinem Pedalgebrauch in op.27 und op.37 geäussert hat - hat übrigens er nicht, fällt also weg. Buhu)
- "Zeitzeugen", die Beethoven diese Sachen spielen hörten
und ihre Eindrücke/Beobachtungen schriftlich festgehalten haben - z.B. Carl Czerny
in diesem speziellen Fall, welcher die Anfänge der Notation für Pedalisierung betrifft, Quellenvergleiche:
- wann und wo wurde erstmals Pedal notiert? und wie?
- welche überlieferten Anweisungen zum Pedalgebrauch der fraglichen Zeit liegen vor?
- wie handhabte Beethoven insgesamt in seinem Oeuvre die Pedalnotation?
Und zudem auch noch die "historische Praxis":
- welche Instrumente hatte Beethoven und wie wirkte das Pedal auf diesen?
- wie genormt bzw. wie gebräuchlich war das Pedal in der fraglichen Zeit?
Natürlich sind diese Fragen bzw. stichhaltige Antworten auf sie auch allesamt gestellt worden, und zwar vorher - das pro und contra diskutieren betrifft dann lediglich die Gewichtung einzelner Aspekte.
Kurz vor 1800
begann man erst, Pedalanweisungen zu notieren: das war also in dieser Zeit was neues, taufrisches (die Notation!) - was allerdings nicht bedeutet, man habe vorher das Tonhaltepedal nicht verwendet, denn wozu gab es das sonst an den Instrumenten?... Es geht also nur darum, wo, wie und warum eine von der üblichen damaligen Praxis abweichende, also besondere Ausführungsvorschrift vorgenommen wurde.
Ulkig in diesem Kontext: es gab ja die Bezeichnung "Fortepedal" für das Tonhaltepedal - tja, schon kurz vor op.27,2 finden sich Notationen in Klavierstücken, welche piano-Abschnitte mit Pedal und forte-Abschnitte ohne Pedal vorschreiben. :)
Des weiteren ist zu bedenken, dass die klavierbauerische Erfindung des Pedals - also das abheben der Dämpfung - keinerlei praktischen Nutzen gehabt hätte, wenn es nicht zu deutlichen klanglichen Unterschieden im Vergleich zur ständig aufsetzenden Dämpfung (also ohne Pedal) geführt hätte (!!)
-- daraus folgt, dass das Tonhaltepedal durchaus
eine hörbare Wirkung hatte, und zwar korrespondierend der Dauer der Saitenschwingung des Instruments: und da ist es faktisch so, dass bei getretenem Pedal nacheinander angeschlagene D-Dur- und Gis-Dur-Arpeggien krass dissonant klangen und klingen (das entspricht dem Taktwechsel Takt 3-4 in op.27,2 erster Satz...)
An dieser Stelle käme dann die böse Beweislast: warum soll Beethovens senza sordini diese permanente Dissonanz, dieses permanante Klängeverschmieren gemeint haben, und zwar ausgerechnet bei nur zwei obendrein sehr unterschiedlichen langsamen Sätzen? Man müsste werkimmanent nachweisen können, dass und wie beide Sätze aus dem restlichen Oeuvre quasi herausfallen, also ganz anders sind. Zieht man kruzfristige Harmoniemischungen aus Beethovens Sinfonien heran (so als Indiz a la der Ludwig machte sowas aber gerne), wird sich nur in einer frühen Sinfonie eine kurze Mischung von G-Dur und C-Dur finden (was klanglich nüscht anderes als C-Dur mit großer Septime und None ist)
-- es ist unwahrscheinlich, dass sich hierfür stichhaltige Beweise finden lassen - bis jetzt gibt es keine. So stehen sich Beethovens "senza sordini" und Czernys Beobachtung (permanenter Pedalgebrauch, aber Pedalwechsel mit jeder Bassnote) gegenüber.
-- dass aber die Flügel um 1800 sooo kurzlebige Klangdauer hatten, dass permanent runtergedapptes Pedal keine deutliche Wirkung hat, ist schlicht falsch (sonst hätte man kein Pedal erfinden müssen) ((und man fragt sich dann sowieso, warum die damaligen Klavierkomponisten ganze Noten und längeres für Klavier aufschrieben...)
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uh, das ist jetzt schon arg viel zu lesen - soll ich weitermachen?