... Mögt ihr Lang Lang...?

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Magst Du Lang Lang...?


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Liszt übertraff Lang Lang bei weitem, der hat die Grenzen der Instrumente ausgekostet bis sie zusammengeklappt sind

Franz Liszt hatte sich ans Fortepiano drängen lassen, strich seine Haare aufwärts über die geniale Stirne und lieferte eine seiner brillantesten Schlachten. Die Tasten schienen zu bluten.
( Heine, Florentinische Nächte, WuB 4, 158 )
 
Mir würde es um folgenden Aspekt gehen: wenden wir uns vom musikalischen Aspekt einmal vollständig ab, und betrachten wir nur Präzision des Klavierspiels im technisch hochanspruchsvollen Bereich.

Damit meine ich:

a) jeden Ton hundertprozentig perfekt zu realisieren, egal in welcher schwierigen Passage (und natürlich dabei nicht den allergeringsten Verspielfehler zu machen)

(ect.)

Lieber Dreiklang,

wenn das Dein Ideal ist: kauf Dir doch einen alten Flügel mit Welte-Mignon-Einbau und ein Rollenarchiv. Du wirst hochzufrieden sein!
 
Die Frage ist doch, ob es Sinn macht, dass Menschen, die zum größten Teil nicht einmal 10 % des pianistischen Potentials eines Lang Lang erreichen, in der Lage sind, eine solche Diskussion zu führen. Ich meine: Nein!

Gruss
Hyp
 
Die Frage ist doch, ob es Sinn macht, dass Menschen, die zum größten Teil nicht einmal 10 % des pianistischen Potentials eines Lang Lang erreichen, in der Lage sind, eine solche Diskussion zu führen. Ich meine: Nein!

Gruss
Hyp

Ich nehme an Du meinst hiermit auch alle grossen Kritiker, bekannte Professoren von Musikhochschulen, geschweige von Pianisten:rolleyes:

Cordialement
Destenay
 
Die Frage ist doch, ob es Sinn macht, dass Menschen, die zum größten Teil nicht einmal 10 % des pianistischen Potentials eines Lang Lang erreichen, in der Lage sind, eine solche Diskussion zu führen. Ich meine: Nein!

Aristoteles antwortet in seiner Poetik auf die Behauptung, wer nicht professioneller Musiker sei, könne auch kein sachkundiger Musikkritiker sein: "genauso gut könnte man behaupten, daß niemand den Geschmack eines Essens beurteilen könne, der nicht kochen gelernt hat."
 
" Lang Lang präsentiert uns in der Carnegie Hall das überhaupt Menschenmögliche in Präzision im Klavierspiel. Als erster Pianist des Erdballs. Die Grenzen liegen nur noch im Instrument selbst, nicht mehr im Pianisten."

Wenn man diese Aussage von Dreiklang liest, ist es in der Tat ein gefährliches Unterfangen einen Chinesischen Pianisten zu kritisieren

Cordialement
Destenay
 
Hallo rolf,

Abegg Variationen - Richter, Kempff, Rubinstein, Gilels, Michelangeli
Wandererfantasie - Pollini, Kempff, Brendel,
Don Juan - Wild, Busoni, Shukov, Bolet, Barere, Ginzburg, Hamelin
...Träumerei :) - Horowitz

La Campanella - Rubinstein (ja, das Stück kann wunderbar klingen)

vielen Dank für diese Liste! ;) Kannst Du für die Haydn Sonate in C-Dur, Hob.XVI:50, ebenfalls Referenzen angeben?

Gerade diese fasziniert mich ungemein!

Ich brauche mehr Zeit, um zu meinen "vollmundigen" Thesen mehr sagen zu können.
Das kann einige Tage dauern.
 

Haydn's C-Dur-Sonate, Hob.XVI/50? Youtube bietet eine ca. dreißig Jahre alte Interpretation aus Salzburg mit Alfred Brendel, die mich persönlich mehr überzeugt als manche recht manierierte Darbietung, die sonst so verfügbar ist. Googeln und Reinhören lohnt sich durchaus!
 
...höre gerade in die Lang Lang'sche Aufnahme der erwähnten Haydn-Sonate, die mich in meinem persönlichen Eindruck von seinem Spiel bestätigt - oder auch nicht: Die Palette an dynamischen Elementen empfinde ich hier als breiter angelegt als in vielen Interpretationen seines "romantischen" Repertoires. Gerade viele der hier angesprochenen Liszt-Interpretationen wirken kühler, enger dimensioniert als dieses Dokument es glauben macht. Auf das Thema bezogen: Mit diversen vordergründigen Show-Elementen sollen offensichtlich Publikumsschichten erreicht werden, die eine wirklich tiefgründige Beschäftigung mit interpretatorischen Feinheiten kaum an sich heranlassen würden, wie sie viele Teilnehmer in diesem Forum anspricht.

Wo interpretatorische Manierismen visualisiert werden, muss man mitunter die Augen schließen - um dann auf akustischem Wege auf einen Pianisten zu stoßen, der viel intensiver Ausdrucksmomente der Klavierliteratur zu überbringen vermag, als die nur vordergründig aufnahmebereiten Rezeptoren an sich heranzulassen vermögen. Aber ist das nicht etwas, was wir von Liberace & Co. vor Jahrzehnten bereits kennen? Da verfügt mancher über pianistische Kultur und Musikalität in einer Dimension, die den vordergründigen Event-Charakter im Prinzip hinter sich lassen könnte. Aber der Trockeneisnebel während der Wiedergabe der Liszt'schen Glöckchen-Etüde verhindert jede künstlerische Tiefgründigkeit, wie in dem vor einigen Tagen zitierten Youtube-Video zu bemerken war.

Parallelen zu Gotthilf Fischers popularisierter Chormusik ergeben sich: In ihrer Vordergründigkeit wird die ganz große und intensiv musizierte Kunst hier sicherlich nicht stattfinden - schade. Andererseits werden Hörermilieus erreicht, die sonst außen vor blieben; sicherlich ist dieser Umstand auch nicht gänzlich negativ zu beurteilen.

In diesem Spannungsfeld würde ich (ganz subjektiv!) die Fragestellung ansiedeln, ob ich Lang Lang mag oder nicht. Bezeichnend finde ich es in diesem Zusammenhang, dass Lang Langs Wiedergabe der erwähnten Haydn-Sonate ohne Trockeneisnebel und ähnliches äußerliches Brimborium auskommt - freilich überzeugt mich die sehr stimmige und gut ausgehörte Darbietung von Brendel persönlich immer noch mehr...
 
Lieber Rheinkultur,

danke für Deine beiden schönen Beiträge!

Wo interpretatorische Manierismen visualisiert werden, muss man mitunter die Augen schließen - um dann auf akustischem Wege auf einen Pianisten zu stoßen, der viel intensiver Ausdrucksmomente der Klavierliteratur zu überbringen vermag, als die nur vordergründig aufnahmebereiten Rezeptoren an sich heranzulassen vermögen.

Mir ging es gestern ganz ähnlich. Ich habe die Haydn-Sonate von Lang Lang auf einer längeren entspannten Autofahrt mehrfach angehört. Wenn nur der akustische Eindruck da ist, den man voll in sich aufnimmt, wirkt die Musik in ihrer Klarheit, Virtuosität und musikalischen Gestaltungskraft noch stärker.

Ich habe ja schon genügend Superlative benannt, und diese zu wiederholen wäre unnötig. Ich kann aber auch sagen, daß Lang Lang hier auch musikalisch beispielhaftes leistet - und nicht nur spieltechnisch.

Ich sag's mal so: es handelt sich einfach um wunderbares Klavierspiel.

Die Brendel'sche Einspielung finde ich ebenfalls schön. Und auf jeden Fall schöner als ein paar andere professionelle, die ich mir angehört habe auf YT. Dennoch, meine private Meinung, erreicht Brendel nicht so ganz die vollkommene musikalische Bruchfreiheit, und auch nicht die völlige Befreiung von den Beschränkungen manueller Spieltechnik, die Lang Lang zeigt.


Bei dieser Gelegenheit, kann man ebenfalls erwähnen: die Aufzeichnungsqualität bei Lang Lang ist brillant, und der Klang des Steinway ein wahrer Hochgenuß.
 
@hyp408

... wie Friedrich schon so schön zitierte (ich gebe es sinngemäß wieder):

"Man muß nicht kochen können, um den Geschmack eines Essens beurteilen zu können"

Und es gilt ja auch: wenn ich das Spiel eines Solisten in einem Violinkonzert beurteilen möchte, muß ich nicht unbedingt Violine spielen können. Ich kann mir auch so ein Bild davon machen, ob hinreißend, oder mitreißend, besonders ausdrucksstark, gespielt wird.

Und wenn ich weiß, wo bei der Violine die Schwierigkeiten liegen, dann kann ich auch begrenzt die technische Qualität des Spiels beurteilen (z.B. wenn Töne nicht gut getroffen werden und es - "schräg" bzw. "schief" klingt, in sehr schnellen Wechseln, großen Intervallen etc.). Man kann auch heraushören, ob Töne verschludert werden, schön gestaltet werden usf.


Allerdings stimmt natürlich auch: wenn ich die Qualität eines Sauerbratens, einer Currywurst oder einer Tomate beurteilen möchte, dann hilft es ungemein, wenn man schon eine Vielzahl dieser Nahrungsmittel und Gerichte im Leben gegessen hat. Und je bewußter man dabei auf seine Geschmacksknospen und die anderen Reize des Essens geachtet hat, desto besser ist es natürlich ;)

Und ganz ähnlich ist es auch bei der Musik, würde ich sagen.
 
An meinen eigenen Beitrag und @Dreiklangs Antwort könnte man fast einen Vorschlag für ein neues Thema anfügen: Lang Langs wirklich respektable Wiedergabe der erwähnten Haydn-Sonate kommt ohne jedes vordergründige Brimborium aus und markiert einen wohltuenden Kontrapunkt zu Liszt-Interpretationen mit Trockeneisnebel, als ob die größten Klavierabende unserer Zeit nicht mehr in der Philharmonie, sondern in der Diskothek um die Ecke stattfinden würden.

Wiederholt sich da nicht ein Anachronismus der besonderen Art? Gerade Liszt ist zu Lebzeiten für eine übermenschliche Virtuosität als Interpret bewundert worden - und hinterlässt uns andererseits ein kompositorisches Spätwerk (Graue Wolken, Bagatelle ohne Tonart etc.) der tiefgründigsten Art unter Preisgabe jeglicher Äußerlichkeiten und unter Verzicht auf jegliche vordergründige Virtuosität. Da stößt einer in Sphären vor, in die man sich erst eine komplette Generation später schaudernd vorgewagt hat - das Schönberg'sche Opus 11 Jahrzehnte vorweg genommen, wenn man so will. Da sieht man einen Heinz Erhardt in Hochform als der brillant wortspielende Possenreißer - und man erfährt schließlich, dass er ein tiefernster, keineswegs unkomplizierter und perfektionsbesessener Mensch war, der in so gänzlich anderen Sphären agiert hat, als man im Zustand des schallenden Lachens und Schenkelklopfens ursprünglich erwartet hätte. Pianistik als oberflächlicher Show-Act einerseits und Pianistik als künstlerisch tiefernste Angelegenheit andererseits - das wäre vielleicht ein ganz interessantes Thema.

Hätte der eigentlich klassisch geschulte Rex Gildo sein Leben in den Niederungen schwerer Depressionen beschließen müssen, wenn seine Vokalkarriere in der Endphase nicht auf das Animieren angetrunkener Kegelclubs im Bierzelt mit irgendwelchen Hossa-Klamotten limitiert gewesen wäre? Für den Künstler gibt es nun mal die Problematik des künstlerischen Ausdrucks auf der einen Seite und des Geldverdienens auf der anderen Seite - respektive, diese gegensätzlichen Positionen miteinander in Einklang bringen zu müssen. Pianistische Meisterschaft ohne vordergründige Inszenierung - bei Lang Lang musste ich dazu des öfteren die Augen schließen und dafür die Ohren besonders intensiv spitzen. Bei der Haydn-Interpretation konnte man Lang Lang nicht im Zirkus, sondern auf einem "normalen" Konzertpodium beobachten - und plötzlich fühlte man sich viel intensiver angesprochen als bei den Interpretationen, bei denen im Sinne von Nina Hagen alles so schön bunt war.
 
... wie Friedrich schon so schön zitierte (ich gebe es sinngemäß wieder):

"Man muß nicht kochen können, um den Geschmack eines Essens beurteilen zu können"

Und es gilt ja auch: wenn ich das Spiel eines Solisten in einem Violinkonzert beurteilen möchte, muß ich nicht unbedingt Violine spielen können. Ich kann mir auch so ein Bild davon machen, ob hinreißend, oder mitreißend, besonders ausdrucksstark, gespielt wird.

Und wenn ich weiß, wo bei der Violine die Schwierigkeiten liegen, dann kann ich auch begrenzt die technische Qualität des Spiels beurteilen (z.B. wenn Töne nicht gut getroffen werden und es - "schräg" bzw. "schief" klingt, in sehr schnellen Wechseln, großen Intervallen etc.). Man kann auch heraushören, ob Töne verschludert werden, schön gestaltet werden usf.


Allerdings stimmt natürlich auch: wenn ich die Qualität eines Sauerbratens, einer Currywurst oder einer Tomate beurteilen möchte, dann hilft es ungemein, wenn man schon eine Vielzahl dieser Nahrungsmittel und Gerichte im Leben gegessen hat. Und je bewußter man dabei auf seine Geschmacksknospen und die anderen Reize des Essens geachtet hat, desto besser ist es natürlich ;)

Und ganz ähnlich ist es auch bei der Musik, würde ich sagen.

Auch über den Geschmack kann man streiten, ich drehe den Spiess mal um und geh mal weg vom Sauerbraten und der vergleichsweisen ordinären Curry Wurst zur Haute Cuisine der grossen Kenner

liebst Du Kaviar Beluga , mit der besten Gänselber aus Strassburg und eine Flasche Dom Perignon, danach fein grillierte Froschschenkel mit Cognac Sauce, darauf eine grosse Delikatesse für Gourments, Sitierenhodenscheiben mit Trüffelsauce und zum Abschluss die Krönung, eine Asiatische Spezialität, gebratene Hundezunge auf Wau Lang donc Sauce garniert mit Echsenbeinen, alls Dessert Schwarzwälder Torte mit Cappucino und ein Schwarzwälder Kirsch.:p:p:p

Cordialement
Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Gerade Liszt ist zu Lebzeiten für eine übermenschliche Virtuosität als Interpret bewundert worden - und hinterlässt uns andererseits ein kompositorisches Spätwerk (Graue Wolken, Bagatelle ohne Tonart etc.) der tiefgründigsten Art unter Preisgabe jeglicher Äußerlichkeiten und unter Verzicht auf jegliche vordergründige Virtuosität.

lieber Rheinkultur,
wir messen Beethoven nicht an Wellingtons Sieg, Tschaikowski nicht an der Ouvertüre solenelle ;) also sollten wir den Komponisten Liszt auch nicht an seinen Sünden messen - Sonate und Mephistowalzer enthalten keinerlei (!) vordergründige Virtuosität, ganz im Gegenteil: sie wird ganz eingesetzt, aber eben auch ganz im Sinn der musikalisch-dramatischen Aussage.

...etwas unwohl ist mir allerdings, Herrn L-L zu sehr im Kontext von Liszt zu betrachten... ich bleibe dabei, dass es zahlreiche Virtuosen gab und gibt, welche Herrn L-L sowohl im musikalischen als auch im rein virtuosen Bereich überflüssig machen (ja, das klingt herb, aber die Werbemaschine tut L-L keinen Gefallen, wenn sie ihn als neuen Horowitz präsentieren will - technisch ist ihm seine Landsmännin Wang schon überlegen, zu schweigen von den schon genannten...)
 

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