Lieber Troubadix.
Daß der Chinese offenbar einen sehr hochentwickelten Sinn für
komische Mimik hat, das war mir früher schon bei ihm aufgefallen. Daß er dasselbe aber auch für
Gestik besitzt (während er Rach 3 spielt), das war mir bisher unbekannt. Wie gesagt, ich habe
gebrüllt vor Lachen, und mehr als einmal das Zimmer verlassen....:D
Sehr sehr schön drückt das auch ein Unbekannter mit Sinn für feinen trockenen britischen Humor in den Kommentaren aus:
Visually: this is a comedy. I watch it late at night to keep me awake by laughing. Never fails.
und:
Technically: Insane. I wish I had his hands, but only his hands.
Der Dirigent ist aber streckenweise auch nicht von schlechten Eltern, hab ich gesehen... ich habe den Eindruck, daß auch
der weiß, was Lang Lang mit diesem Konzert in dieser Einspielung anstellt, und vorhat, und ganz offenbar hat nämlich auch
der seinen Spaß bei der Sache...:)
Technisch gesehen schüttelt Lang Lang Rach 3 hier aus dem Handgelenk, in etwa so, als wenn ich meine Kaffeetasse auswasche. Einige Passagen sprengen technisch das, was ich eigentlich bisher für menschenmöglich hielt. Aber das ist auch schon egal, denn: es fällt mir schwer, dieses Konzert ernsthaft zu analysieren. Zu offensichtlich ist für mich der ganze Sinn für Komik, und die ganze Komik selbst, die in dieser Aufnahme hier steckt.
Es ist
die Parodie auf falsch und schlecht spielende Pianisten schlechthin, vielleicht auch die filmgewordene berühmte Liszt-Karikatur (
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/4/44/Karikatur_Liszt.jpg/250px-Karikatur_Liszt.jpg), er schauspielert den enthusiatisch dreinhämmernden Pianisten, den sich jeder Klavierlaie immer so vorstellt. Er hält mit dem Orchester ein zwangloses Plauderstündchen, wo es doch
eigentlich in einem Konzertsaal darum gehen sollte, schöne und beste Musik zu machen...
Und einige Passagen im Konzert sind auch schlichtweg ernsthaft makellos und grandios gespielt, musikalisch wie technisch...
Nun, wie auch immer.
Schöne Musik ist es jedoch nicht, wie ich schon sagte. Aber was soll man denn erwarten, nach mittlerweile über 200 Einspielungen dieses Klavierkonzertes...????
Ich habe, höre (und liebe) schon seit Jahren meine persönliche "Referenzaufnahme" dieses Konzertes auf CD - und auch die Einspielung mit Argerich kann diese Aufnahme nicht im entferntesten "in Gefahr" bringen, soweit es mich angeht ;)
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Ich denke, das Buch, betitelt mit "Die Suche nach dem Pianisten, der wirklich
alles auf dem Flügel machen kann", das kann ich nach diesem Rach 3 - Knaller jetzt mit dem letzten Satz abschließen, zuklappen und ins Regal stellen.
Mit einer Einschränkung:
wenn er will! Manchmal
will er eben einfach nicht. Und dann kommt entsprechend nur Blödsinn raus.
Und es gibt durchaus Sachen, lieber Troubadix, über die ich ganz bestimmt
nicht mehr lache. Was er mit der Appassionata, diesem Meisterwerk Beethovens, im Wiener Konzert angestellt hat, das hat mit einem "Gould'schen künstlerischen Haß auf Beethoven" nun wirklich nichts mehr zu tun - nein, er schmeißt das Werk einfach auf den Schrottplatz....
Das ärgerliche dabei ist, er
könnte der Appassionata wohl die notwendige Tiefe, und auch Ernsthaftigkeit, im Spiel verleihen, wenn er wollte. Woher ich das weiß? Nun, ganz einfach, er hat's im Internet nämlich schon
bewiesen:
Lang Lang plays Beethoven's Sonata No.23 "Appassionata" Op. 57 No. 23 1st Movement. - YouTube
Umso ärgerlicher, was er in Wien gemacht hat. Und ich habe außer Arrau immer noch keine Einspielung, die meinen eigenen Vorstellungen von der Interpretation dieser Sonate zumindest
einigermaßen gerecht wird. Ich versuche mich an ihr ja schon seit 30 Jahren.
Übrigens, das Wiener Konzert: soweit ich es geblickt habe, samt und sonders wunderschöne, musikalische Klaviermusik, ohne Einschränkungen. Einzig die Appassionata muß man streichen.
Schönen Gruß!
Dreiklang