Ich glaube,
ich konnte nur ganz schwer rüberbringen, was ich mit meiner kürzlichen Diskussion meinte. Vielleicht versuche ich's nochmal?
Ich finde, Lang Lang setzt mit Abegg/Haydn, und übrigens auch der Beethoven-Sonate No. 3 Op. 2 (Konzert "Live in Vienna") technische Referenzwerte, wie weit Instrumentenbeherrschung überhaupt gehen kann.
Nämlich so weit, daß ich selbst bei extremst genauem Hören keine Abweichungen im Anschlag in irgendeiner Form mehr ausmache - die Beherrschung des Instrumentes und seiner Möglichkeiten ist in diesem Fall vollkommen.
Das gelingt ihm nicht bei jedem und allem, aber mit diesen drei Stücken liefert er eine Referenz. Viele Pianisten (nach meinen bisherigen Erfahrungen) erreichen bei ihrem Spiel nicht annähernd diese Grenze von Vollkommenheit.
Und das schönste ist, diese "Referenzen des Klavierspiels" liegen in ausgezeichneter Aufnahmequalität vor. Das Ohr kann auch noch die feinsten Nuancen des Instrumentklangs heraushören und genießen, die Lang Lang da zielgerichtet erzeugt und benutzt.
DAS ist es, was mich fasziniert an Lang Lang: er schafft es, so etwas wie eine Klavierspiel-Referenz zu setzen. Bei leisen Tönen, und gerade auch, wenn es mal nicht so schnell in einem Stück zugeht. Aber auch wenn ein Lauf wunderbar modelliert herumwirbelt. Ich muß mal kucken, aber auch seine Sprünge im Finale dieser einen Lederklamotten-Popkonzert-Campanella waren glaube ich klasse und makellos.
Und das zeichnet ihn für mich aus. Ehrlich gesagt, so etwas mag ich: wenn jemand es schafft, ein, zwei oder drei Dinge zu machen, die neue Dimensionen aufzeigen, die aufzeigen, was dem Menschen möglich ist. Im Falle des Klavierspiels: wie weit die Beherrschung des Instrumentes "Flügel" überhaupt gehen kann, und mit welcher Zielsicherheit und Verständnis man die verschiedensten Klangeffekte des Konzertflügels erzeugen und einsetzen kann, um nicht zuletzt auf diese Weise wunderschöne Musik zu machen.
Vor Lang Lang habe ich Klavierspiel (etwas) anders angehört. Ich brauchte akustisch nicht tiefer und genauer als bis zu einem gewissen Grad in das Klavierspiel von Pianisten eindringen, und es analysieren - das war nicht notwendig, weil bei allen Pianisten im Regelfall die kleinen Schmutzigkeiten, die letzten Reste der fehlenden absolut denkbaren Kontrolle der Instrumentbeherrschung zutage traten.
Lang Lang hat diese Grenze durchbrochen: egal wie genau ich mit dem Ohr in sein Klavierspiel eindringe, bei Abegg/Haydn/C-Dur (A/H/C), ich finde keine Schmutzigkeiten mehr, keine allerletzten Reste "nicht vollkommener" Instrumentenbeherrschung. Und da ist der Chinese ein Novum, und setzt einen in dieser Art wohl einzigartigen Meilenstein - gerade auch mit dieser Aufnahmequalität, und in Kombination mit den vielen Klangfarben und Klangeffekten, die er alle benutzt. Auch zeigt er die vielen Möglichkeiten, Klavierspiel zu variieren und zu gestalten, und all das innerhalb eines Stückes.
Deswegen möchte ich ihm eben gerne auch ein gewisses Maß an Virtuosität zusprechen, denn darin sehe ich eine besondere Leistung, die auch einiges an Voraussetzungen erfordert.
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Und nichts für ungut, wenn es für mich so schwer war, diese Dinge "rüberzubringen"!
Ich muß sagen, es ist schlimm, wie der Chinese "zerrissen" wird und wurde - von Kritikern, zum Teil auch öfters vom Forum hier, und auch von Leuten, die keine Ahnung haben (oder bloß irgendetwas nach- oder oberflächlich daherplappern).
Es ist immer eine Sache, fachlich fundierte Kritik zu äußern. Eine völlig andere aber ist es, einen Pianisten als Schwachkopf, Clown, Hanswurst oder ähnliches zu betiteln - und leider machen das bei Lang Lang viele. Und das meine ich mit "zerreissen": jemanden beleidigen und in seiner ganzen Person herabwürdigen. Das ist bei jemand, der im Klavierspiel Referenzwerte setzt, nun wirklich nicht mehr angebracht! Bei aller Liebe. Und ich kenne bei weitem keinen anderen Pianisten, der immer dermaßen "zerrissen" wird.
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Natürlich ist es wie gesagt richtig, daß ihm nicht alles gelingt, und wie groß der Grad seiner sogenannten "Virtuosität" nun insgesamt einzuschätzen ist, ist auch gar nicht so furchtbar interessant für mich.
Aber wer Referenzwerte schaffen kann, dem muß man zumindest eine gewisse Virtuosität zusprechen, das geht wohl nicht anders.
Und gerade, wenn jemand über Abegg/Haydn/C-Dur etwas schlechtes sagt, das geht mir schon richtig arg gegen den Strich -- denn wie gesagt, ich sehe darin gewisse Meilensteine, und Referenzwerte für Klavierspiel - gerade auch wegen der exzellenten Aufnahmequalität, die nichts davon verschluckt oder untergehen läßt.
Und außerdem spielt und gestaltet er diese Stücke musikalisch einfach exzellent - d.h., wir haben hier auch drei Stücke wunderbaren Klavierspiels insgesamt vorliegen.
Nun, vielleicht ist jetzt so manches klarer. Das wäre schön ;)
Wenn ich meine Meinung zu diesen Dingen einmal ändere, teile ich das wie immer mit (denn ich mag es nicht, wenn im Forum etwas steht, das man so nicht halten kann).
So - nu aber genug... ;)
Viele Grüße!
Dreiklang