Chiarina, was ist denn Deine professionelle Meinung: Ist so ein Kurs verschwendete Zeit? Ist man danach "versaut" oder kann man evtl. gut darauf aufbauen? Gibt es im realen Leben nicht auch weniger begabte Lehrer, die es nicht so gut machen wie Du und gleiche oder ähnliche Mängel vorweisen, wie der Kurs? Oder ist ein entsprechendes Studium eine Garantie für guten Unterricht?
Lieber Peter,
ich kann das nicht pauschal sagen. Vorab möchte ich drei links posten, die sich mit dem Zugang zum Klavier spielen als Autodidakt beschäftigen:
https://www.clavio.de/forum/klavierspielen-klavierueben/14778-klavier-selbst-beibringen.html
https://www.clavio.de/forum/forum-fuer-anfaengerfragen/12640-suche-autodidakten.html
und hier ein sehr schöner Erfahrungsbericht eines Forumsmitglieds:
https://www.clavio.de/forum/klavierspielen-klavierueben/14497-erfahrungsbericht.html
Aus diesen Berichten geht hervor, wie unterschiedlich und individuell die Bedürfnisse von Menschen sind, auch im Hinblick auf das Klavier spielen. Das macht es so spannend, mit ihnen zu arbeiten. Auch der Lernprozess und die Entwicklung der Persönlichkeit sind vollkommen unterschiedlich. Deshalb kann für den einen richtig sein, autodidaktisch zu lernen, für den anderen, ab und zu mal Klavierunterricht zu nehmen, für wieder andere, regelmäßigen Unterricht zu nehmen. All dies kann man in unterschiedlicher Qualität tun - es gibt Autodidakten, die sehr gut geworden sind, es gibt Schüler mit regelmäßigem Unterricht, der nicht gut ist und bei dem man nicht vorankommt. Du hast es ja selbst erlebt. Nicht immer ist auch die objektive Qualität eine subjektive und umgekehrt. Der eine zieht vielleicht seine innere Befriedigung aus dem eigenen Tun, ohne dass das eigene Spiel objektiven qualitativen Maßstäben genügen würde.
Deshalb kann ich nicht sagen, was für wen gut ist. Ich kann nur aus meiner ganz persönlichen Sicht sprechen. Und aus der heraus würde ich als Autodidakt nicht mit diesen Kursen arbeiten. Ich habe ja schon gepostet, was ich als Autodidakt machen würde.
Dazu ein schönes Zitat:
"Der Jazz-Pianist WOLFGANG DAUNER berichtet z.B. über sich und seine
Musiker-Kollegen, wie die Schallplatte für sie zum entscheidenden Lern-Medium
wurde:
"Die meisten von uns waren Autodidakten. Das heißt, ich habe zwar ganz klassisch Klavier gelernt, aber von Jazz hat mir niemand was gesagt, ich habe mir
alles aus den Platten rausgeschrieben!" (Keyboards 1/1995, 26)
Auch CHICK COREA bezeichnet im folgenden Ausschnitt aus einem Interview diejenigen Musiker als seine Lehrer, deren Schallplatten er hörte:
"Später [...] waren in erster Linie Musiker meine Lehrer, denen ich auf Schallplatte zuhörte. Man sollte diese Phase in der musikalischen Entwicklung nicht
unterschätzen. Aufnahmen kann man immer und immer wieder anhören und
dabei analysieren." (Keyboards 7/1986, 23)"
Das ist das, was ich meinte, von den Allerbesten zu lernen.
Aus meiner Sicht heraus sehe ich den Klavierkurs, so weit ich ihn hier nach den Gratis-Angeboten beurteilen kann, als ungeeignet, um wirklich Klavier spielen zu lernen (Grundkenntnisse/stabile Basis). Es besteht aus meiner Sicht die Gefahr, dass man klanglich und technisch sich über ein Jahr sehr ungünstige Herangehensweisen angewöhnt, wozu auch Verkrampfungen zählen. Es ist unglaublich mühsam für Schüler, Schlechtes wieder zu "verlernen" (Nica würde jetzt sagen, dass das gar nicht geht, weil man nur etwas neu lernen kann - genau das ist der Grund, wieso so etwas den Schüler so viel Disziplin und Durchhaltevermögen kostet). Ein Jahr ist schon lang.
Grundkenntnisse beim Klavier spielen zu erwerben, heißt, dass man auf diesen aufbauen kann. Um mit einem Bild zu sprechen: es sollte ein gutes Fundament gebaut werden, dass man nicht wieder abreißen muss, um ein gutes Haus zu bauen.
Da finde ich die Sofort-Kurse besser, mal abgesehen von den Vereinfachungen. Die Hörbeispiele klingen bis auf den Flohwalzer und New Here viel besser als bei dem anderen Kurs, der Kurs richtet sich an Ungeduldige, die einfach mal ins Klavierspielen einsteigen und ein paar Stücke spielen wollen. Verpackung und Inhalt stimmen da viel mehr. Es kann schon sein, dass über diesen Einstieg ein echtes, weitergehendes Interesse geweckt wird. Natürlich ist ein Problem, dass die Stücke beim Schüler in der Regel nicht so klingen werden wie beim Hörbeispiel (ich frage mich auch, wie man da das für das 'Im Mondenschein' nötige Pedal erlernen soll) und visuell abgeguckt werden, aber vielleicht ist das manchen Interessenten egal.
Jedem also gern das Seine, wie es so schön heißt, aber wenn man mich unter klavierpädagogischen Gesichtspunkten fragt, kann ich diese Kurse nicht empfehlen.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Troubadix, Friedrich und PP - ihr seid echt süß!!! :kuss: :oops: :)