Und was ist mit Bata Illic? Oder Chris Roberts? Oder Michael Holm? Oder Jürgen Marcus? Was sind hier nur für Banausen unterwegs, die wahre Sangeskunst nur mit den Meistersingern von Nürnberg assoziieren
Hi chris,
ja, ich finde auch, dass Schlager zu negativ beurteilt werden manchmal. Sie und ihre erfolgreiche Vermarktung und die ihrer Interpreten hängen mit einigen Faktoren zusammen, die in meinem Buch "Musik um uns", 7.-10. Klasse, isbn 3 476 20049 3, Metzler, c 1982, ausführlich dargelegt sind. ( Das Buch empfahl mir in der 6. Klasse meine Orient.-Stf.-Musiklehrerin für das Gymnasium, wir besorgten es - aber aufm Gym. wurde es leider nicht verwendet, es ist aber sehr gut, daher las ich es aus eigenem Antrieb.
OK: Der Abschnitt "Schlager" beginnt mit einer Definition ( 1 Seite lang ), deren ersten Abschnitt ich hier weglasse. Den zweiten und dritten aber möchte ich zitieren, er beschreibt, warum Schlager wirken.
Zitat ab S. 81:
[...] Noch vor einem Jahrzehnt nahm der Schlager in der U-Musik eine alles beherrschende Stellung ein. "U-Musik" war sozusagen mit "Schlager" gleichzusetzen. Diesen Platz hat ihm heute die Popmusik ( im engeren Sinne, s.o. ) zum mindesten bei der jüngeren Generation seit Mitte der 50er Jahre zunehmend streitig gemacht oder bereits genommen. Hierfür sind nicht nur musikalische, sondern vor allem auch textlich-inhaltliche und soziologische Gründe ausschlaggebend: Ist doch der Schlager in seiner ausgesprochen unkritischen, verharmlosenden und beschönigenden Haltung der Jugend heute mit Recht suspekt.
Nicht die Realitätdes Lebens kommt in ihm zum Ausdruck; er baut vielmehr eine Illusionswelt der Träume und unrealistischen Hoffnungen auf, die lediglich eine Flucht aus der Wirklichkeit, nicht aber die Lösung ihrer Probleme ermöglicht.
( Anm. Olli: Stimme nat. nicht zu, aber das ist hier egal. )
Alternative Melodiewendungen und Rhythmusformeln, ein klangvolles Arrangement und vor allem die Stimme des großen Stars ( möglichst in "akustischer Großaufnahme" ) lassen den Hörer in einem Meer scheinbarer Geborgenheit versinken ( Anm. Olli: Nein, in wirklicher. Aber egal.. ). Alles, was der einsame und enttäuschte Mensch unserer kontaktarmen Zeit vermisst, bringt ihm der Schlager - um ihn dann allerdings um so herber in die harte Realität zu entlassen.
( Anm. Olli: Nein: Alles, was ohnehin die angenehme Welt ausmacht, wird ja im Schlager erneut beschrieben und dient als eine Bestätigung. Daher mag ich es sooo! - Oder was meint Ihr ?????? )
Die Schlagertexte drehen sich durchweg um einige wenige Stoffkreise, die in immer NEUEN VARIATIONEN wiederkehren, um Themen wie Liebe, Liebesglück und Liebesleid, Einsamkeit, Sehnsucht nach der Ferne, nach dem großen Abenteuer, Heimweh, Suche nach dem unvergänglichen Glück, dem Land der Träume. Wie klischeehaft und oberflächlich der Schlager in Sprache und Haltung im allgemeinen ist, kann man den folgenden Beispielen zum Themenkreis "Alltagssorgen - der Schlager als Tröster" entnehmen:
( Anm. Olli: Es folgen: Textbeispiele "Morgen früh" ( Renate Kern ) , "Immer, immer wieder geht die Sonne auf" ( Udo Jürgens ),
und Notenbeispiele: "Immer immer wieder geht die Sonne auf" ( U.
Jürgens ) , "Manuela" ( Gunnar Welz; Moslem / Topel ), "Schön war die Zeit, die Zeit mit
MOOO-NI-KAAA"
( Ulli Martin; Andreev / Dimitrov ), "Die Welt ist wunderschön, das muß ein jeder seh'n" (
Tony Marshall; Jack White ), "Schön ist es auf der Welt zu sein.." (
Roy Black und Anita ; Lilibert / Twardy ) , "Schneeglöckchen im Februar, Goldregen im Mai" (
Heintje ; Roloff / Heel Kaleta )
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Es folgen AUFGABEN:
Ich kürze die Zitate:
1. ) "..Melodik der Schlager ist reich an Sequenzen und ( gefühlvollen ) Vorhalten. Sie gilt darüber hinaus als "banal" und "abgegriffen". Untersucht die Melodieausschnitte auf diese Behauptungen hin.
2. ) Bestimmt und untersucht die rhythm. und formalen Merkmale der Beispiele.
3. ) Welche psycholog. Wirkung hat der große Tonsprung am Anfang von "immer immer wieder geht die Sonne auf" , welche psych. Wirkung hat der Background-chor ?
4. ) Produziert selbst einen typ. Schlagertext, unter Verwendung der Wörter aus den Beispielen.
5. ) Erfindet jetzt eine Melodie dazu ! Für Solo+Chor, Solist, Klavier, Gitarre, Bass, Mundharmonika, Schlagzeug usw.
6. ) Nehmt es auf!
7. ) Wie beurteilt Ihr folgende Aussagen über Schlager ?
a ) Musikverleger Hans Sikorski:
"Wir kennen alle die Einwände, die von mancher Seite gegen den Schlager und seine "blöden" Texte erhoben werden. Diese einseitigen Kritiker übersehen völlig, daß dieses Schlager-Liedgut dem Tempo und auch dem Rhythmus unserer Zeit entspricht und alle Versuche, hier hindernd und hemmend oder abwandelnd einzugreifen, vergebens sind." ( Nach: Kaiser I, S. 16 )
b ) Musikkritiker und Musiksoziologe Theodor W. Adorno:
"Nicht nur appellieren die Schlager an eine lonely crowd, an Atomisierte. Sie rechnen mit Unmündigen..." ( Aus: Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie, Frankfurt, 1962, S. 37 )
8. ) Weiterführende Literatur über Schlager:
Norbert Linke: "Das Elend der deutschen Schlagerindustrie" ( Musik und Bildung, 1969, Heft 10 ) und besonders in: Siegmund Helms ( Hrsg. ) "Schlager in Deutschland" ( Wiesbaden, 1972 ) . Hier könnt Ihr Euch informieren über die Begriffe Cliquenwirtschaft, Gewinn, Produzent, Pseudonyme, Schallplattenverlag, Schlager im Rundfunk oder Schlagerfestivals ( vgl. darin die Beiträge von N. Linke ) .
Es wird auch auf Juliane Werdings Schlager ( z.B. "Am Tag, als Conny Kramer starb" ) und Jürgens' "Deine Einsamkeit" eingegangen, jedoch wird behauptet, solche seien in der Minderzahl.....
LG, Olli