Zeit, hier mal wieder etwas zu schreiben!
Ich habe eben zum ersten mal das Tschaikowsky-Konzert live aus dem Publikum gehört (tatsächlich!), und zwar im Lincoln-Center mit Kirill Gerstein am Klavier und Semyon Bychkov am Stäbchen, das Orchester waren wie so oft The New York Philharmonic.
Warum ich dazu was schreibe: Gerstein hat die "unbekanntere", ältere Version des Konzertes gespielt, die kürzlich "wiederentdeckt" wurde.
http://site-323590.bcvp0rtal.com/de...no-concerto-no.-1-1879-version?autoStart=true
Um ehrlich zu sein wäre es kaum aufgefallen, wenn ich nicht von diesen Fassungen wüsste. Die einzigen Änderungen waren:
1. Die eröffnenden Akkorde im Klavier werden leiser und arpeggiert gespielt. Dies wurde so gelöst - der (saubere!) Anfang im Horn war groß und majestätisch, nach der Kadenz und mit Einsatz des Klaviers war der "große" Anfang bereits vorbei und es wurde etwas lyrischer. Das Thema kommt ja dann noch einmal, da kann man dann ein bisschen mehr die Sau rauslassen.
Mein Kommentar: Das klingt zwar sehr schön. Aber es macht einfach auch wahnsinnig Spaß, einen so kräftigen, lauten und vollen Anfang zu spielen und zu hören. Ich denke, der ist u.a. auch am Erfolg dieses Konzerts schuld.
2. Der 3. Satz ist ein paar Takte länger. Es scheint beinahe keinen Unterschied zu machen ob die Takte da sind oder nicht.. Ich persönlich finde sie schön, aber ohne geht auch nicht wahnsinnig viel verloren
Der Pianist hat sehr souverän und mit deutlicher "Bewusstheit", was er will und zeigen will gespielt. Bei so großem Orchester geht leider die Hälfte des Klaviers verloren, der beste Platz ist der auf dem Klavierstuhl
Er hat das so gelöst, dass er einzelne Themen oder Akkorde extrem rausgehämmert hat, damit sie das Publikum (oder an manchen Stellen der Dirigent bzw. das Orchester) auch hören. Das hat das Zuhören einfacher gemacht, empfand ich aber manchmal auch etwas flach. Manches kam mir ein bisschen zu sehr gewollt rüber, wenn die Melodie gar nicht und dafür irgendeine Tenorstimme hörbar war.
Von der Schönheit des Mittelteils im 2. Satz war leider kaum etwas hörbar, weil es sich in der Geschwindigkeit verloren hat. Aber wenn man das Konzert schon 100 Mal gespielt hat, wird man vermutlich immer schneller. Obwohl er sich im 1. Satz sehr zusammengerissen hat, der war gar nicht überschnellt.
Alles in allem jedenfalls sehr gelungen, auch dem Publikum hat es (natürlich) gefallen. Ich fand's toll, dass er keine Zugabe gespielt hat. Eine Unsitte ist das mit den ganzen Zugaben. Eine, die mit mir im Konzert war, hat sich darüber allerdings beschwert
Nach der Pause gab es noch die "Manfred Symphony after Byron" von Tschaikowsky. Sehr düster und lang, ein krasser Gegensatz zu diesem Unterhaltungsklavierkonzert.