Aber wie soll das gehen? Von András Schiff gibt es auf YouTube die "Lecture-Recitals" mit den Beethoven-Sonaten. So sehr ich den Pianisten schätze - diese Form von Gesprächskonzerten finde ich total misslungen. András Schiff erklärt eigentlich nur das ohnehin Offensichtliche, das man sich auch selbst durch das Studium der Sonaten erschließen kann oder - wenn man dazu zu faul ist - in einem Buch nachlesen kann.
Lieber mick,
ich schließe mich jannis an: für DICH wäre ein Gesprächskonzert tatsächlich langweilig oder müsste eine sehr spezielle Ausrichtung haben.
Die Zusammensetzung eines Publikums beispielsweise in der Kölner Philharmonie ist aber ganz anders. Die meisten haben wenig bis keine Vorkenntnisse. Ich kenne auch niemanden, der sich vorab mit den Werken, die er im Konzert hören wird, beschäftigt, ob nun über Bücher, Noten, Audio oder Wikipedia. Es gibt sicher vereinzelte Ausnahmen.
Es ist auch ein Unterschied, ob man als Zuhörer etwas in einem Programmheft liest (das Igor Levit auch am liebsten abschaffen würde), sich vorab mit den Werken beschäftigt oder in einer Interaktion mit dem Interpreten diese Dinge vermittelt bekommt. Den meisten ist das Letztere lieber. Dort gibt es eben noch die zwischenmenschliche Ebene, die in der Regel mehr Sinne anspricht und lebendiger rüberkommt. Andras Schiff muss mal in der Alten Oper Frankfurt eine tolle Einführung in die Goldbergvariationen gemacht haben, die er anschließend gespielt hat.
Wie das (eine Moderation) nun gehen soll, bestimmt das, was der Interpret vermitteln will. Er muss einerseits das Publikum im Blick haben und andererseits das, was ihm am Herzen liegt und was er gern vermitteln möchte. Der Rahmen, die Vorbildung des Publikums und die Größe des Raums bestimmen ebenfalls die Inhalte und die Art der Moderation.
Kristjan Järvi moderiert z.B. seine Konzerte mit dem Baltic Sea Youth Philharmonic Orchestra, in die auch viele junge Hörer kommen, kurz und lustig. Seine Moderation hat den Zweck, Lockerkeit in die besonders für junge Hörer etwas steife Atmosphäre eines klassischen Konzerts zu bringen und das gelingt ihm hervorragend. Das Interessante ist, dass auch das Publikum sich plötzlich als Akteur und Mitgestalter begreift und schon durch ein Schmunzeln ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Seine Moderation dient nicht dazu, Wissen zu vermitteln und sie passt perfekt in diesen Rahmen. Würde er das hr-Sinfonieorchester dirigieren, wäre das schon wieder etwas anderes.
Jugendkonzerte bieten inzwischen viele Veranstalter an. Durch Moderationen, Interaktionen und Verknüpfung der künstlerischen Disziplinen wird das Konzerterlebnis lebendiger, nicht nur der Hörsinn wird angesprochen und das Publikum wird oft integriert in das Konzerterlebnis. Durch die menschlichen Interaktionen wird das Interesse geweckt, anstatt dass alle Jugendlichen gähnend auf ihren Sitzen einschlafen. Dabei lernen sie zudem etwas über die Stücke, die ihnen in der Regel völlig fremd sind - manchmal nehmen sie sie vorher in der Schule durch) - und verstehen das Gespielte viel besser.
Wie gesagt haben Konzerte auch eine besondere Qualität. wenn nur der Hörsinn angesprochen wird und es in der Stille eine absolute Konzentration von sehr vielen Menschen auf die Entwicklung und die Klänge der entstehenden Musik gibt. Für mich ist diese Art des Konzerts sehr wichtig.
Natürlich erfährt man als Profi wenig Neues in Gesprächskonzerten - ich lerne aber immer durch die Art der Moderation dazu. Wie strukturiert der Interpret seine Moderation, wie spricht er das Publikum an etc.. Ein Interpret kann niemals das gesamte Publikum ansprechen, weder mit seiner Moderation noch mit der Stückauswahl und so ist so etwas auch immer ein Schuss ins Blaue. :D
Ich habe immer zum Ziel, das Hörerlebnis zu intensivieren und gleichzeitig dem Publikum in möglichst lebendiger Weise spannende Einblicke in die Musik zu geben.
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Negativbeispiel aus meiner Sicht einer Einführung in der Kölner Philharmonie: Tzimon Barto spielte Liszt Paganini-Etüden, Brahms Paganini-Variationen etc.. Die vorherige Einführung bestand zu großen Teilen darin, Audioaufnahmen großer Interpreten von verschiedenen Stellen miteinander zu vergleichen. Ich fand es ganz furchtbar, schon vorher vom Band so etwas zu hören. Aber vielleicht gab es auch Leute, denen das sehr gefallen hat, wer weiß.