weiß ja nicht, ob das ebenso von vielen mißverstanden wird, aber wenn mir jemand "aktiv zuhört", fühle ich mich meist gehörig verarscht, weil nämlich diese Leute immer nicken und bestätigend "hmhm" oder "ja" sagen, bevor ich überhaupt einen Satz zu Ende bringen konnte, dem man irgendeine Botschaft hätte entnehmen können. In dem Moment weiß ich, daß der Gegenüber nicht zuhört.
Liebe Leberwurst,
das ist kein aktives Zuhören.
Das ist überhaupt kein Zuhören. Aktives Zuhören verwendet man, wenn der Andere (Empfänger) ein Problem hat. Es besteht darin, dem Anderen mit eigenen Worten widerzuspiegeln, was er gesagt bzw. was man selbst verstanden hat. Es setzt ein hohes Maß an Empathie und Zuhören voraus. Der Empfänger wird quasi auf sich zurückgeworfen und ist dadurch in der Lage, sich selbst zu erkennen und möglicherweise sein Problem zu lösen. Es wird auch in der Psychotherapie verwendet.
Aktiv ist der Sender also dahingehend, dass er sehr aufmerksam zuhört und dann aktiv das Verstandene wiedergibt im Gegensatz zum sog. "passiven" Zuhören.
Ich beschäftige mich seit der Geburt meiner Kinder, also seit fast 25 Jahren mit dem Gordon-Modell. Ich habe damals die "Familienkonferenz" gelesen und dieses Buch hat mich nicht mehr losgelassen. Es hat mich so sehr angesprochen, weil die Grundhaltung der humanistischen Psychologie Carl Rogers, die dahinter steht, mich sehr berührt hat und ich von ihrer Richtigkeit zutiefst überzeugt bin:
"Rogers Ansatz setzt die Prämisse, dass jeder Mensch die Fähigkeit und Tendenz besitzt, sich konstruktiv zum für ihn Positiven hin zu entwickeln und seine Probleme dabei selbstverantwortlich zu lösen. Der Mensch gelangt so zur Selbstverwirklichung.
„Keiner weiß besser, was ihm gut tut und für ihn notwendig ist, als der Betroffene selbst. Wir können einander also nicht beibringen, was für uns gut ist. Nicht mit noch so ausgeklügelten Techniken. Aber wir können einander dabei unterstützen, es selbst herauszufinden.“
(Schmid, Peter F.:
Der personenzentrierte Ansatz Carl R. Rogers)
Dazu braucht der Mensch als Voraussetzung
aufrichtige Beziehungen, die ihn annehmen, wie er ist, die ihn nicht bewerten oder verändern wollen. Im Kontakt mit solchen Personen kann er seine persönlichen Bedürfnisse und Wünsche wahrnehmen. Gleichzeitig wird er ungeahnte Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ressourcen in sich entdecken und nutzen." (Zitat von mir selbst :D ).
Als ich die Familienkonferenz das erste Mal gelesen habe, hatte ich mehr Fragen als Antworten. Es ist kein Buch zum "so mal Durchlesen" und "dann den Durchblick" haben. In der Folge habe ich mich gedanklich sehr damit auseinandergesetzt, das Buch immer wieder gelesen, dann einen Kurs gemacht und letztes Jahr die Ausbildung zum Kursleiter für die Familienkonferenz.
Dieses Modell und die Haltung, die dahinter steht, verbessert alle Beziehungen, sei es zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern, Lehrer und Schülern u.v.a.. Deswegen wurde das Modell auch übertragen auf andere Bereiche, z.B. auf den medizinischen Bereich (Umgang mit Patienten etc.), Managerbereich (Managerkonferenz), Unterricht (Lehrer-Schüler-Konferenz) und in vielen anderen Sparten eingesetzt.
Mein Herzensanliegen ist es, das Modell bekannter zu machen - viele Konflikte und Missverständnisse würden sich erübrigen. Man lernt sich selbst und den anderen besser verstehen, man erkennt und benennt die unterschiedlichen Bedürfnisse. Es ist ein personenzentrierter und bedürfnisorientierter Ansatz im Gegensatz zu den heute oft präferierten lösungsorientierten Ansätzen, die leider sehr häufig Sieger und Verlierer zur Folge haben statt nur Gewinner.
Liebe Grüße
chiarina