Kleine Komposition

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Das Vorwort des Buches von Schönberg sollten einige hier mal lesen.
Dann macht ja Hasi alles richtig. :-D
Dann wäre es klar, daß es die erste Aufgabe des Lehrers ist,
den Schüler recht durcheinanderzuschütteln. Wenn der Aufruhr, der
dadurch entsteht, sich legt, dann hat sich wahrscheinlich alles an den
richtigen Platz begeben. Oder es kommt nie dahin!
 
Mit den heutigen Warmduschern, Pampersbrauchern und Buhuhu-Machern, die immer nur hören wollen, wie toll das schon ist, was sie da vollbracht haben, ist so eine (an sich sehr vernünftige!) Unterrichtsweise leider nicht zu machen.
 
Schönberg schreibt aber auch: "Keine Kunst ist in ihrer Entwicklung so sehr
gehemmt durch ihre Lehrer wie die Musik. Denn niemand wacht eifersüchtiger
über sein Eigentum als der, der weiß, daß es, genau genommen,
nicht ihm gehört. ... Zum Teufel mit allen diesen Theorien, wenn sie immer nur dazu
dienen, der Entwicklung der Kunst einen Riegel vorzuschieben." :-)
 
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Schönberg schreibt aber auch: "Keine Kunst ist in ihrer Entwicklung so sehr
gehemmt durch ihre Lehrer wie die Musik. Denn niemand wacht eifersüchtiger
über sein Eigentum als der, der weiß, daß es, genau genommen,
nicht ihm gehört."

Das muss man allerdings im historischen Kontext sehen - es war eine Spitze gegen Hugo Riemann und Adolf Bernhard Marx, die damals großen Einfluss auf den Lehrbetrieb hatten und alle Neuerungen, die das beginnende 20. Jahrhundert brachte, ablehnten. Dieser extreme Konservatismus hat sich dann doch recht schnell überlebt.

Vermutlich würde Schönberg heute über den intellektuell abstumpfenden Easy-Listening-Kram schimpfen, der ja auch nichts anderes tut, als alte Muster ständig zu wiederholen. ;-)
 
Vermutlich würde Schönberg heute über den intellektuell abstumpfenden Easy-Listening-Kram schimpfen, der ja auch nichts anderes tut, als alte Muster ständig zu wiederholen. ;-)
In diesem Vortrag zu seinen Orchestervariationen op. 31 im Frankfurter Rundfunk nahm er Bezug auf Triviales:
http://schoenberg.at/index.php/de/schoenberg-spricht?id=941:vr01

Er sprach vom "Unterhaltungsdelirium" und würde vermutlich heute den "Easy-Listening-Kram" dazu zählen, wenn er sich zu aktuellen Entwicklungen äußern könnte.

LG von Rheinkultur
 
Na ja, schon richtig, er hatte Mut für Neues. Es gibt auch so etwas wie Zwangskultur. Davor sollte man sich ebenfalls hüten. Man prüfe, was bei den Schülern aus dem Musikunterricht hängen bleibt. Wissen, Neugier, gepaart mit Leidenschaft, das bringt Fortschritt.
 
Na ja, schon richtig, er hatte Mut für Neues.
Schönberg hat Berührungspunkte mit dem, was man durchaus als gehobene Unterhaltung bezeichnen kann, gar nicht grundsätzlich vermieden:



Derselbe Komponist, von dem auch "Pierrot lunaire" stammt, hat auch Strauss-Walzer für Salonorchester bearbeitet, ohne einfach nur durchschnittliches Handwerk zu liefern. Entscheidend ist die immer erkennbare individuelle Handschrift - niemals ist etwas einfach nur austauschbar. Wirklich gute Popularmusik weist dieses Kennzeichen auch auf.

LG von Rheinkultur
 
Schönberg studierte insbesondere Werke von Bach, Mozart, Brahms, Wagner, Mahler, und dann produzierte er seine wirklich gewöhnungsbedürftige Klaviersuite op. 25:


View: https://www.youtube.com/watch?v=oaAbNgWqQI8

Ich bewundere hier vor allem die Pianistin Kaori Nishii. Die Musikwelt braucht aber immer wieder Leute wie Schönberg.
 

Ich sehe ehrlich gesagt nur "Verschlimmbesserungen."

Der alte Takt 18 war nur eine Wiederholung von Takt 16. Etwas einfallslos, aber er hat wenigstens halbwegs "hingepaßt". Jetzt wurde er ausgetauscht durch irgendwas anderes - eine Kette von acht anscheinend beliebigen Achteln ohne Bezug zum Rest.

In Takt 20 wurde g-moll durch G-Dur ersetzt. Trotzdem ist in der Baßstimme noch ein b stehengeblieben. Das könnte man zwar durch ein h ersetzen, aber das paßt dann nicht zum nächsten Takt.
(Und das in Takt 8 ist nicht wirklich ein G11...)

Als nächsten Schritt kann ich eigentlich nur eine eingehende Beschäftigung mit den Grundlagen der Harmonielehre empfehlen. Siehe auch die Beiträge z. B. von Tilo (https://www.clavio.de/threads/kleine-komposition.23275/page-7#post-560897). Oder von Mick usw.
 
@Pedall: Danke für deine detaillierten Rückmeldungen.

Der alte Takt 18 war nur eine Wiederholung von Takt 16. Etwas einfallslos, aber er hat wenigstens halbwegs "hingepaßt".
Genau, das war vorher einfallslos. Den Takt 18 habe ich auch bewusst ausgetauscht, um den harmonischen Übergang D -> A -> D gegen D -> G -> D auszutauschen, und ich finde die gefundene schnelle Notenabfolge interessant. :coolguy:
In Takt 20 wurde g-moll durch G-Dur ersetzt. Trotzdem ist in der Baßstimme noch ein b stehengeblieben. Das könnte man zwar durch ein h ersetzen, aber das paßt dann nicht zum nächsten Takt.
g-moll nach G-Dur habe ich im Sinne einer Doppeldominante gesehen. Das zweite b gehört eigentlich schon zum Takt 21 und verfärbt das C zu einem C7. Ich finde das hier wenig störend, da es den Bereich der Achtel-Übergangsnoten unterlegt. Lieber würde ich in Takt 20 zu g-moll zurückgehen, als das zweite b durch ein h zu ersetzen. :konfus:

Ja, das ist richtig. Vielleicht eher ein Csus2/G, passt gut zum Nachfolgetakt 9, also nur formales Problem.

@Pedall: Nochmals Danke für die konkreten Details! Echt klasse. :super:

Bei der harmonischen Abfolge habe ich die Quartkadenz als grobe Leitlinie verwendet.
 
Zuletzt bearbeitet:

Schönberg studierte insbesondere Werke von Bach, Mozart, Brahms, Wagner, Mahler, und dann produzierte er seine wirklich gewöhnungsbedürftige Klaviersuite op. 25
Ja, und wenn man genau hinhört, findet man in dieser Suite all die genannten Komponisten wieder. Die Kompositionsprinzipien von Bach und Brahms wurden beinahe schulmeisterlich umgesetzt.

Den Takt 18 habe ich auch bewusst ausgetauscht, um den harmonischen Übergang D -> A -> D gegen D -> G -> D auszutauschen, und ich finde die gefundene schnelle Notenabfolge interessant.
...
g-moll nach G-Dur habe ich im Sinne einer Doppeldominante gesehen
...
Ja, das ist richtig. Vielleicht eher ein Csus2/G, passt gut zum Nachfolgetakt 9, also nur formales Problem.
Du bist völlig auf dem Holzweg. Man kann nicht irgendwelche Töne schreiben, nachträglich überlegen, in welchen Akkord sie passen könnten und dann denken, dass diese Akkorde eine bestimmte Funktionen annehmen. Damit sukzessive erklingende Töne den Eindruck einer harmonischen Funktion erzeugen, reicht es nicht, dass die einzelnen Töne an sich vorhanden sind. Ganz entscheidend ist auch die Gewichtung dieser Töne im metrischen Ablauf, die vertikale Position dieser Töne, deren Stimmführung und Aufmerksamkeit auf das, was harmonisch vorher und nachher da ist. Deine Probleme fangen schon damit an, dass die Melodie über weiteste Strecken überhaupt keine Harmonie impliziert, sondern mehr oder weniger willkürlich Töne aneinanderreiht.

Die ersten beiden Takte sind noch halbwegs brauchbar (wobei man über das e'' in Takt 2 auch schon diskutieren kann), aber bereits die letzte Note im zweiten Takt ist richtig schlecht. In tonal gebundener Musik haben Dissonanzen gewisse Funktionen - in der Regel sind sie entweder Vorhalte oder Wechselnoten. Das d'' ist weder das eine noch das andere, und das führt dazu, dass die Melodie hier jede Logik verliert. Diese Fehler ziehen sich dann durch das ganze Stück weiter - ganz abgesehen davon, dass nicht nur der melodische Verlauf ein willkürliches Sammelsurium ist, sondern ebenso der harmonische Verlauf und die Rhythmik. Von der Stimmführung will ich gar nicht erst reden.

Bevor du weiter an dem verkorksten Stück herummachst, fang doch lieber mal klein an. Nimm eine bewährte Kadenzfolge aus vier (oder höchstens acht) Akkorden und erfinde dann eine Melodie, die diese Kadenzfolge quasi "erzwingt".*) Das ist viel schwieriger, als du denkst und trotzdem nur ein allererster Schritt zu einer stimmigen Komposition. Allein an so einer kleinen Melodie kann man viele Stunden lang herumbasteln. Anschließend kannst du dich dann eine Weile mit Kontrapunkt beschäftigen, um eine sinnvolle Basslinie zu finden. Wenn dir das zunehmend gelingt, ist es an der Zeit, dich ausgiebig mit Harmonielehre vertraut zu machen, um allmählich von vorgegebenen Kadenzen wegzukommen und eigene Harmoniefolgen zu entwerfen. Dann kannst du auch den umgekehrten Weg gehen: eine Melodie (die aber harmonisch nicht allzu eindeutig sein darf) neu harmonisieren. Und all diese Sachen nicht ein- oder zweimal, sondern mindestens hundertmal!

Ich weiß, der Weg ist langwierig und mühsam. Aber wer die Grundlagen nicht lernen will, weil das - buhu - anstrengend ist, muss auch nicht jammern, wenn @hasenbein seinen Klartext schreibt. Sicher, der ist nicht immer konstruktiv; aber konstruktiv sein kann man ja auch nur, wenn ein Fundament da ist, auf dem man aufbauen kann. Für individuellen Grundlagenunterricht ist das Forum sicher nicht der richtige Platz.

*) Gut als Grundlage eignen sich Sätze aus der Vorklassik - zu deren meist einfachen Harmoniefolgen kann man prima neue Melodien erfinden. Alternativ kann man auch die 8-taktigen Übungen von Czerny nehmen. Ich habe meine ersten Übungen dieser Art vor vielen Jahren über den zweiten Satz aus Haydns berühmtem Serenadenquartett (das vermutlich gar nicht von Haydn ist :party:) angefertigt - das hat mir viel Spaß gemacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
g-moll nach G-Dur habe ich im Sinne einer Doppeldominante gesehen.
... die an dieser Stelle aber keinen harmonischen Sinn ergibt...
https://de.wikipedia.org/wiki/Doppeldominante

Das grundsätzliche Problem hat Tilo ja schon vor einiger Zeit benannt:

Etwas anderes stört aber: der Verlauf der Harmonien (der harmonische Rhythmus). Wenn Du mal tief reinhörst, wirst Du merken dass bis zum 4. Takt alles rund läuft. Vom 4. Takt an sind die Harmoniefolgen nicht mehr zielstrebig. Sie ergeben keinen "Sinn" mehr. Um das in den Griff zu bekommen solltest Du Dich mal mit einfachen Kadenzformen auseinandersetzen.

Und dasselbe sagt Mick in seinem letzten Beitrag, nur etwas ausführlicher.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
 
Ich sehe ehrlich gesagt nur "Verschlimmbesserungen."

Man kann nicht irgendwelche Töne schreiben, nachträglich überlegen, in welchen Akkord sie passen könnten und dann denken, dass diese Akkorde eine bestimmte Funktionen annehmen. Damit sukzessive erklingende Töne den Eindruck einer harmonischen Funktion erzeugen, reicht es nicht, dass die einzelnen Töne an sich vorhanden sind. Ganz entscheidend ist auch die Gewichtung dieser Töne im metrischen Ablauf, die vertikale Position dieser Töne, deren Stimmführung und Aufmerksamkeit auf das, was harmonisch vorher und nachher da ist.
So ist es. Vor diesem Hintergrund kann man von endlosem Nachbasteln an bestehenden Kompositionen nur mit Nachdruck abraten. Mit jedem korrigierten Detail ändern sich die Gewichtungen innerhalb kompletter Abschnitte soweit, dass dann an anderer Stelle wieder Reibungen und Brüche entstehen. Das ist wie bei einer schlecht realisierten Zubereitung eines Menüs, wenn man die geschmacklichen Mängel durch die Zugabe weiterer Zutaten und Gewürze irgendwie kompensieren will: Das Ergebnis ist kulinarisch durch Nachbesserungsversuche so heillos verkorkst, dass nur noch Wegschütten und Von-Vorne-Anfangen sinnvoll sind.

Tatsächlich ist die Wahl eines klein dimensionierten und beherrschbaren Materials der aussichtsreichste Weg, um überhaupt mit diesen zähen und widerspenstigen Strukturen fertig zu werden. Die wichtigste Erkenntnis: es wird nichts mehr einfach so aneinander gereiht in der Hoffnung, dass sich irgendein zwingender formaler Zusammenhang schon irgendwie ergeben wird. Wenn ein in sich stimmiger achttaktiger Abschnitt gelingt, könnte ein weiterer achttaktiger folgen, der entweder klar von dem vorherigen abzugrenzen wäre oder übergeordnete Zusammenhänge zu der bestehenden Folge erkennen lässt. Mühsam? Anstrengend? Und vor allem ungewohnt? So ist es. Aber anders ist es nicht möglich, vom endlosen Herumbasteln an Details loszukommen, ohne wirkliche Verbesserungen zu erreichen.

aber bereits die letzte Note im zweiten Takt ist richtig schlecht. In tonal gebundener Musik haben Dissonanzen gewisse Funktionen - in der Regel sind sie entweder Vorhalte oder Wechselnoten. Das d'' ist weder das eine noch das andere, und das führt dazu, dass die Melodie hier jede Logik verliert.
Wenn man im punktuellen Bereich die meines Erachtens größte Schwachstelle benennt, ist es der Gebrauch harmoniefremder Töne - also jener Noten, die zu den Akkordbezeichnungen nicht passen. In Takt 8 nimmt man einen G11 nicht als solchen wahr, da zwar das H als Terz, nicht aber das A als None auftaucht. Das C als Undezime wirkt deshalb nur wie ein dazwischen gesetzter falscher Ton. Genau dieser Eindruck von Austauschbarkeit und Beliebigkeit darf nicht entstehen. Harmoniefremde Töne müssen als Durchgang, Vorhalt und dergleiches im Wechsel zwischen Spannung und Entspannung eine erkennbare Funktion haben - es sei denn, man löst sich von tonalen Bindungen. Aber auch dann ergeben sich Zusammenhänge im melodischen Kontext (etwa bei Bartók und Hindemith zu beobachten) und kein willkürliches Wechseln zwischen "richtigen" und "falschen" Tönen.

LG von Rheinkultur
 
In tonal gebundener Musik haben Dissonanzen gewisse Funktionen - in der Regel sind sie entweder Vorhalte oder Wechselnoten. Das d'' ist weder das eine noch das andere, und das führt dazu, dass die Melodie hier jede Logik verliert.
Genau. Die harmoniefremden Töne nicht einfach nur anspringen, sondern sie in einen erkennbaren Kontext stellen - das wäre eine Aufgabe. Wie löst sich die dadurch erzeugte Spannung?

Nimm eine bewährte Kadenzfolge aus vier (oder höchstens acht) Akkorden und erfinde dann eine Melodie, die diese Kadenzfolge quasi "erzwingt".*) Das ist viel schwieriger, als du denkst und trotzdem nur ein allererster Schritt zu einer stimmigen Komposition.
Ergänzung: die gewählten Akkorde sind durch das Tonmaterial unmissverständlich zu definieren. Vollständige Harmonien anstreben, harmoniefremde Töne als Wechsel- oder Durchgangsnote gebrauchen. Möglichst einfache Lösungen anstreben - Harmoniewechsel erst dann, wenn der harmonische Standort klar ist, ruhig auch nur nach zwei oder mehr Takten. In dem vorliegenden "Herbst" wechseln die Harmonien mindestens taktweise und sind durch viele harmoniefremde Töne bei gleichzeitigem Fehlen akkordeigener Bestandteile meist uneindeutig definiert. Deshalb kann man ja auch zu praktisch jedem Takt so viele Einwände vortragen, wie es meine Vorschreiber getan haben.

LG von Rheinkultur
 
Die Vielfalt der Möglichkeiten ist enorm hoch. Daher begrenzt man die Möglichkeiten durch Selektion mittels Tonsatzregeln. Dies erinnert mich an das Standardmodell der Physik, das die bekannte Materie beschreibt. Das Weltall besteht aber zu weit über 90% aus dunkler Materie und vor allem dunkler Energie, die das Standardmodell, das auf bekannter Materie- und Energieform beruht, nicht versteht, und treibt sogar beschleunigt in die Ferne, obwohl man lange das Gegenteil lehrte.

Bei genauer Analyse verstehe ich eure Regeln und Einwände und finde zahlreiche "Fehler" und "Verstöße", die ich zukünftig versuche zu vermeiden (wobei dies lange Zeit dauern wird). Aber eine Frage kann ich bisher nicht beantworten: Warum klingt der Herbst dennoch schön und gefällig? Er müsste doch abscheulich klingen. :konfus:
 
Warum klingt der Herbst dennoch schön und gefällig? Er müsste doch abscheulich klingen.

Zum einen ist das ein rein subjektives Empfinden und zum anderen kann einem solche Art von Gefälligkeit auch massiv auf den Zeiger gehen. Der röhrende Hirsch über dem Sofa ist auch irgendwie gefällig - sogar, wenn er aus Versehen fünf Beine hat und das Arschloch auf der Stirn.
 

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