Das menschliche Gehör reagiert nicht mathematisch logisch
Exakto. Da möchte ich gern auch "unser Musikverständnis" hinzufügen.
Unser Threadsteller schrieb ja ganz am Anfang:
Auch fällt mir in der Anzeige von Tunelab optisch auf, das diese Saiten irgendwie rumeiern, sich also schon optisch irgendwie seltsam verhalten.
Was mir auch bei meiner Stopper-Software auffällt - sie ist gnadenlos mit ihrer Anzeiige ;) Extrem genau reagiert sie auf jede kleinste Schwankung, da sie auch alle Obertöne mit aufnimmt und berechnet.
So habe ich selten mal tatsächlich reine Saiten bei einem Instrument (was ich auch höre!) ganz egal welcher Hersteller.
Allerdings sehe ich das für mich eher als Vorteil, da ich damals tatsächlich erst durch die Software aufmerksam wurde auf bestimmte Klang-Verhaltensweisen.
Hätte ich allerdings ohne Vorkenntnisse versucht die Software zu benutzen (ich habe rein nach Gehör stimmen gelernt, noch mit Stimmgabel), wäre ich wahnsinnig geworden!!
Denn es ist nicht möglich damit SO genau auf ein hunderstel-Hertz zu stimmen (der kleinsten Maßeinheit des Gerätes), dass der Zeiger bei 0,00 Hz STEHENBLEIBT (dem "optimal gestimmten Ideal").
Inzwischen gibts ein Update dass dieses "Rumgehopse" etwas egalisiert, aber ich bleibe bei der ursprünglichen Hops-Version!!!
Ständig kommen im Klang "Verschiebungen und Driftungen" vor. Konstruktionsbedingt möchte ich meinen.
Sie NICHT zu beachten, bzw. eine Stimmgerät zu benutzen was diese Eigenheiten NICHT anzeigt, kann ich mir inzwischen auch nicht mehr vorstellen. Schließlich ist es mitunter auch das was für uns guter Klang bedeutet, nein, auch die Seele eines Instrumentes ausmachen kann. Und für Demonstrationszwecke ist es sogar nützlich, z.B. um dem Kunden zu veranschaulichen was für einen eigentlich "dreckigen" Klang das Klavier verursacht :D
Kein Wunder dass sich Geiger krümmen wenn sie einem Klavierstimmer zuhören. Die Intervalle die sie gern hätten würden auf dem Klavier nicht gut klingen.
Kein Wunder dass man sich so schwer tut als Nichtgelernter mit so einem Wust an Klängen der noch nichtmal einheitlich für alle Klaviere und Flügel gilt. Dass Stimmung A auf Instrument A gut klingt aber evtl. nicht auf Instrument B...ist ja fast so wie ein Naturgesetz. Selbst wenn es zwei gleiche Modelle sind.
Wo ist da eine allgemeine Gültigkeit der man folgen kann? Gibt es die perfekte Stimmung/Spreizung? Oja, jetzt wirds kurz mal philosophisch :D
Nein, die gibt es nicht. Jedes Instrument braucht individuelle Maßnahmen, die natürlich vom Stimmgerät abweichen können.
Was man deswegen irgendwann lieber machen sollte als auf eine Anzeige zu starren - hinhören.
Und ganz wichtig: Vergleichstöne mit hinzunehmen in die Überlegung ob der gestimmte Ton so passt oder nicht. Schließlich besteht das Klavierspiel ja größtenteils aus dem Zusammenklang verschiedener Töne. Welche Intervalle nimmt man da?
Ich für meinen Teil: Oktave, Quint, Quart, Doppel- 3fach- und 4fachoktave, Duodezime, Sexte, Terz, und die Dur-Akkorde mit dem Stimmton im Grundton.
Stimme ich ein C, dann nehm ich die z.B. Akkorde C-E-G / C-F-A / C-Dis-Gis und die Intervalle C-c / C-c' / C-e / C-a
Anhand der zu- oder abnehmenden Schnelligkeit der Intervallschwebungen kann man die Spreizung bestimmen, anhand der Akkorde die "Schönheit" wenn drei oder mehr Töne angeschlagen werden. Umso tiefer/höher man sich von der Temperatur befindet, desto mehr Töne können im Zusammenklang verglichen werden.
Mit der Zeit wird man eine Hör- und Stimmroutine entwickeln mit der das Anspielen der Vergleichstöne schneller und flüssiger von der Hand geht als jedes konzentrierte "optische Stimmen". Und man erhält nebenbei für das Instrument eine individuell passendere Stimmung als die des Stimmgerätes.
Mit der Zeit...die man als Nicht-Klavierbauer eigentlich nicht hat damit eine Routine einstudiert werden kann. Weder die Hör- noch die Stimmroutine. Von der Stimmtechnik ganz zu schweigen. Da gibt es auch nur Richtlinien, aber was das Instrument braucht ist genauso individuell wie der Klang. Weshalb es selbst bei einem Lehrling so lange dauert bis er "es drauf hat" obwohl er wöchentlich 5-10 Instrumente stimmt.
Nun stellt man sich als stolzer Stimmgerätsbesitzer doch mal die Frage: WEIß ich was im Instrument passiert wenn ich stimme? Welche Kräfte wirken wohin und gehen wohin und beeinflussen welche Bauteile und wie? Habe ich den Mut und den Willen und die Durchhaltekraft mein Musizieren sein zu lassen um stattdessen das Stimmen zu lernen? Was bringt mir eine Überziehungs-Kurve bei einem zu tiefen Instrument, wenn das Stimmgerät nicht weiß wie das Instrument beschaffen ist? Wo hat es kurze oder lange Saitenabstände zur Silie, wie lassen sich die Wirbel bewegen, in welchem Material stecken die Wirbel, wie ist die Beschaffenheit der Saiten, der Gussplatte, des Resonanzbodens, etc.?
Alles Faktoren die das Stimmgerät NICHT kennt! Und doch will es uns weißmachen es wüsste wie das Instrument zu stimmen sei?
Das ist so als würdest du einem landesfemden und ortsunkundigen Taiwanesen darauf vertrauen dass er dich in Paris während der Stoßzeit sicher mit dem Taxi zum Ziel bringt. (Nix gegen Taiwanesen oder den Pariser Verkehr).
Auch stellt sich die Frage wie es wohl mit der Langlebigkeit des Instrumentes aussieht wenn man nicht weiß was man tut.
Jetzt mag es solche und solche Zeitgenossen geben. Die einen, denen solche Argumente völlig egal sind oder die einfach nur fachfremd sind und unüüberlegt handeln und ihr Instrument im schlimmsten Fall ruinieren, dann solche, die nur bedingt eingreifen, und solche die gar nicht eingreifen und lieber auf Fachleute vertrauen.
Ich erlaube mir kein Urteil über die Instrumentbesitzer und was sie mit ihrem liebsten Schatz anstellen. Jedoch bekommt man immer im Leben für seine Taten eine Quittung. Aktio-Reaktio.
Ich selbst habe 2 Kunden die gerne mal selbst Hand anlegen. Einer sagte mir das bei meinem ersten Versuch. Der andere verschwieg es. Beide Klaviere wiesen jedoch nicht nur ein deutlich anderes Verstimmungsverhalten auf als alle übrigen die ich betreue. Auch waren deutliche Differenzen beim Wirbelhalt auszumachen über die Jahre. Vor allem beim letzteren Kunden, was schade ist. Das ging tatsächlich soweit dass er innerhalb weniger Jahre das Instrument um das 3-4fache "altern" ließ.
Ich möchte keinem verbieten was er mit seinem Instrument macht, aber einmal Nachdenken und den Kosten-Nutzen-Faktor abwägen kann manchmal hilfreicher sein als auf den inneren Sparfuchs zu hören ;)