Wer sagt denn, dass das Ziel des Klavierunterrichts gerade in der Interpretation anspruchsvoller oder gar virtuoser Werke liegt?
Genau diese - realitätsfremde - Annahme führt nach meinem Empfinden dazu, dass übermäßiger Wert aufs Literaturspiel (d.h. nach Noten) gelegt wird. Zuerst lernen wir die Noten und dann, toll, spielen wir die Klavierschule von vorn nach hinten durch. Bald beschäftigt sich der Schüler ein halbes Jahr mit seinem ersten Sonatensatz, den spielt er dann einmal vor, wenn er aber außerhalb des Zieltermins Schülervorspiel mal ein Klavier vorfindet, ist er nicht vorbereitet, kann leider nicht mal eben was spielen.
Musizieren für den "Hausgebrauch", spontan ein Kinderlied begleiten, oder zu Weihnachten oder Geburtstagen mal was begleiten, oder einfach vor sich hinklimpern, ohne ewig vorher zu üben, das wird viel zu wenig vermittelt. Und ich behaupte, in dieser Disziplin kann man ohne Noten durchaus ein Stück weit vorankommen. Irgendwo kommt man natürlich auch hier nicht mehr weiter, und gewisse harmonische Zusammenhänge lassen sich ohne geeignete Notation auch nicht vermitteln, schon klar.
Ich will damit nicht sagen, dass man keine Noten braucht. Aber die Vehemenz, mit der sie hier als essentiell dargestellt werden, finde ich übertrieben. Mir gefällt da der von hasenbein immer wieder vertretene Ansatz viel besser.
Ciao
- Karsten