Nein.
Natürlich wird jede anzunehmende Situation geübt. Aber das ist eine doch ganz andere Nummer, wenn Du es dann im Ernstfall erlebst. Erst dann lernst Du fürs Leben.
Ich kann Dir kein Beispiel aus Deinem Metier nennen, weil ich nicht weiß, was Du machst. Deshalb ein Beispiel aus der Medizin:
Reanimation etc. wird geübt, wird geübt, wird geübt. Alles passt. Und dann kommst Du im Winter zu einem Unfall mit mehreren Schwerstverletzten. Du musst auf die Feuerwehr warten, bis Du überhaupt erst mal zu Deinen Patienten kommst. Schon dies ist eine Situation, in der Du Dich beweisen musst. Warten und Däumchen drehen is nich. Ans Auto gehen und irgendwohin kriechen erst recht nicht. Wäre nicht das erste Mal, dass sich das Auto bewegt und Dich erschlägt. Dann die Reanimation. Alles passt. Hast ja tausend mal geübt. Dann kreiselt unmittelbar hinter Dir ein Kleinlaster in ein Feuerwehr-Einsatzfahrzeug. Die offene Tür des Feuerwehrfahrzeugs trennt dem Beifahrer des Kleinlasters ein Bein ab. So, was machst Du? Wem widmest Du Deine Aufmerksamkeit? Du wirst jetzt sagen: Auch das kann man üben. Stimmt. Aber es ist ein Unterschied zwischen dem Üben "im schönen warmen Kämmerlein" und in der Live-Situation im Winter bei schreienden, sterbenden Menschen (ja, die sterben tatsächlich und spielen nicht nur).
Und genau hier teilt sich die Spreu vom Weizen. Theoretisch wissen Alle, was zu tun ist. Aber nur, wer geerdet genug ist, kann jetzt auch mit der tausend Mal geübten Situation richtig umgehen.
Warum ist denn das Personal z.B. auf einer Intensiv-Station permanent überlastet und bis zur Hutschnur vollgepackt mit physischen und psychischen Problemen? Die haben all ihre Tätigkeiten gelernt und geübt. Aber manche entwickeln eine Art Elefantenhaut und können quasi aus sich selbst aussteigen. Und andere verzweifeln daran und gehen daran kaputt, weil es eben doch einen Unterschied macht zwischen Üben und Live, weil sie diesen Abstand nicht halten können und sich emotional zu sehr engagieren. Ich betone:
zu sehr! Emotionales Engagement ist wichtig, zu großes Engagement ist schädlich. Nicht nur für einen selbst, sondern für den Patienten.
Dein Satz:
"Alle relevanten Szenarien sind regelmäßig und kompetenzangepasst ausreichend zu trainieren. Wer das unterlässt, aus welchen Gründen auch immer, kann nicht behaupten, dass er etwas wirklich kann." klingt wie eine amtliche Anweisung für z.B. Bundeswehrsoldaten. Also charmant ausgedrückt etwas an den Haaren herbeigezogen.
Denn immer weniger reichen die 24 Stunden, die ein Tag hat, aus, um neben dem eigentlichen Job "alle relevanten Szenarien regelmäßig und kompetenzangepasst ausreichend zu trainieren." Was für ein Satz.
Ich meine dies jetzt nicht böse oder möchte Dich persönlich angreifen. Allerdings komme ich hier mit Dir zu keinem Konsens. Was aber nicht wichtig ist.