Ambros_Langleb
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Da hilft nur eine praktische Untersuchung dieser ganzen Sache. Kann man es denn guten Gewissens verantworten, zu empfehlen, immer werktreu zu musizieren?
Antwort:
Nein, kann man nicht. Ein einziges Beispiel eines Musikers, der durch Bruch mit der Werktreue die bessere Musik macht, genügt schon, um eine allfällige dogmatische Forderung nach "Werktreue" komplett zu verwerfen.
Diese vermeintlich praktische Untersuchung bedürfte aber offenkundig vorab einer Reihe von Begriffsklärungen, also zunächst einer theoretischen Untersuchung: Was ist Werktreue? Offenkundig ist dieser Begriff mit dem der »Interpretation« aufs engste verbunden. Wie bemisst sich die höhere Qualität der »besseren Musik«, die durch Bruch mit der »Werktreue« entsteht? Welchem ethischen Bezugssystem gegenüber be- oder entsteht das »gute Gewissen«? Inwiefern wäre »Werktreue« dogmatisch, sobald wir uns sicher sein könnten, worin sie besteht? »Interpret« (lat. interpres) ist ja etymologisch »Mittler« im weiten Sinne, und die Verwendung des Worts samt seinen Ableitungen meint offensichtlich die Dienstleistung, die (zeitliche, kulturelle oder anderswie geartete) Distanz zwischen dem Autor bzw. seinem Werk und dem Rezipienten zu überwinden. Der Interpret ist also Dienstleister gleichzeitig für den Autor wie für den Rezipienten. Wäre »Werktreue«, somit nicht eben das, was der Interpret als allererstes anstreben muss?
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