Hanons Übungsstück: worauf muss man bei den Fingern besonders achten?

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Man will "geläufig" werden? Wozu so mechanischer, unmusikalischer Kram? Es gibt beispielsweise jede Menge Scarlatti-Sonaten, die sich hervorragend dafür eignen, den für verschiedenste gebräuchliche Spielfiguren erforderlichen "emotional rhythm" (A. Whiteside) herauszufinden und zu üben. Und zusätzlich sind das eben nicht "Etüden", sondern saucoole Musikstücke eines einmaligen Komponisten.
 
ok... meine Lieblings-"Hanonübung" trainiert die Finger 1-2-3-4 vorwärts, rückwärts und "im Zickzack" (also 1-3-2-4) vorwärts und rückwärts, und das nicht etwa gleichzeitig in beiden Händen, sondern immer abwechselnd. Leider muss der 1-2-3-4 Fingersatz manchmal modifiziert werden, wenn eine schwarze Taste dazukommt und ungünstig liegt: dann kann es schon mal 2-3-4-5 statt 1-2-3-4 sein - bon, dann wird halt auch der kleine Finger mittrainiert (das kann ja nicht schaden)

Damit das aber nicht zu langweilig wird, darf man zwischendurch auch ein paar kleine Intervallhopser (z.B. ab und zu ne Septime) machen.

Damit diese "Übung" nicht unleserlich wird, ist sie in C-Dur notiert.

...sorry, sie ist nicht von Hanon. Sie ist von so nem Orgel&Cembalotypen mit Zopfperücke - arrogante Scheusale nennen sie Invention Nr.1 ;-) :-D :-D
 
So. Forumpause. Kein Bock mehr darauf, dass in jedem Thema dieser Typ verlinkt wird.
 
Es gibt halt zu viele, die entweder keinen Klavierunterricht haben (weil sie wähnen ohne welchen auszukommen oder zu geizig sind oder tatsächlich nicht genug Geld übrig haben) oder bei einem KKL Unterricht haben - die schauen heutzutage natürlich völlig verständlicherweise auf Youtube, ob sich da irgendwer mit Ahnung findet. Tut man ja bei anderen Dingen, in denen man Howto-Fragen hat, auch.

Und wer (was ja schon mal gut ist) nicht auf die Poser und Simpletons unter den Youtubern reinfällt, denkt sich vermutlich: "Ein guter KL ist vermutlich relativ trocken und seriös sowie schon recht alt". Und da gibt es halt nicht so viele, und man stößt unweigerlich u.a. auf Franz.

Und man denkt: "Na, dessen Präsentation ist so betulich-onkelhaft und wirkt so ernsthaft und durchdacht, da wird dann schon auf jeden Fall was dran sein an dem, was er sagt."

Dass, wie bei wohl den meisten, in einigen Punkten tatsächlich da was dran ist, andere (unter Umständen ganz entscheidende) Punkte aber grundfalsch sein können, kommt dem Amateur nicht in den Sinn, da er es ja bislang noch nicht beurteilen kann.
 
Wahrscheinlich ist zu diesem Thema schon alles gesagt (wenn auch noch nicht von jedem) und deshalb müsste man es wohl eigentlich nicht weiterführen. Aber ein Grund für manche Hanonübungen zu spielen habe ich (ziemlicher Amateur und später Wiedereinsteiger der überhaupt nicht in Anspruch nehmen will wirklich Ahnung zu haben) bisher noch nicht gelesen (oder vielleicht überlesen):
Man hat als Schüler vielleicht das psychologische Gefühl "was getan zu haben" wenn man stumpf Hanon übt. Eine halbe Stunde Hanon rauf und runter und man hat (s)ein Pensum erledigt und ist zufrieden (man hat zwar nix gelernt aber was getan :004:).

Mathias (der vor 30 Jahren den Hanon auf anraten eines Freundes gekauft hat aber nichts mehr damit macht)
 
Kraulen ist klar die bessere Methode, effzienter, eleganter, gesünder. Der Vorteil beim Brustschwimmen, insbesondere historisch praktiziert ohne Untertauchen? Das Köpfchen ist aus dem Wasser, der Schüler oder Rekrut kann die gebrüllten Anweisungen des Lehrers oder Offiziers hören und befolgen. Brustschwimmen war deshalb die bevorzugte Methode im preußisch-militaristischen Erziehungs- und Drillsystem.

Nein, auch das Brustschwimmen verzichtet seit einem Jahr nicht mehr auf das Ausatmen unter Wasser, selbst beim Seepferdchen nicht. Bei der Erstschwimmart des Brustschwimmens bleibt es, mit militärischem Drill hat das nichts zu tun. Aber darum soll es jetzt nicht gehen, das ist nur eine Anmerkung am Rande.

So. Das jährlich stattfindende Hanon-Gedenk-Fest neigt sich dem Ende entgegen. Wie immer gab es eine zünftige Wirtshausprügelei und die Forumspolizei musste eingreifen.

Und wie diese "Forumspolizei" eingegriffen hat. Das ist der Punkt, den ich an der ganzen Sache am peinlichsten finde.

Einige hier empfinden in manchen Beiträgen Arroganz. Ich kann keine erkennen, ich empfinde aber Verzweiflung. Es ist aus meiner Erfahrung heraus unglaublich schwierig, sich als Profi verständlich zu machen. Ich habe diese Diskussion schon oft geführt und mir Mühe gegeben. Ich kann aber in den Beiträgen nicht alles schreiben, was hinter dieser Ablehnung steht. Ich müsste noch viel längere Beiträge schreiben. Und trotzdem würden sie oft nicht verstanden werden, weil ein Anfänger oder Amateur überhaupt nicht weiß, was es z.B. bedeutet, Intervalle zu hören.

Die Ablehnung von Hanon ist klar geworden, sehr klar, das ist überhaupt keine Frage des Nicht-Glaubens. Es ist aber genauso schwierig, verständlich rüberzubringen, was Anfänger und Forumsneulinge hier als Arroganz empfinden. Offenbar empfindet der langjährige Kreis der Experten anders und vielleicht ist der Kreis auch so eingeschworen, dass Neulinge nicht wirklich eine Chance haben, da hineinzufinden.

Ich könnte noch viel, viel mehr schreiben.

Ich will aber nicht mehr. Ich würde mich stattdessen wirklich sehr freuen, wenn ihr mir und uns einfach glaubt, ohne das wir alle immer so viel Zeit und Mühe für weitere Beiträge aufwenden müssen. Der Grund für die Eindringlichkeit hier liegt in der Verantwortung als Profi, die zumindest ich spüre, wenn ich so Falsches lese.

Auch ich könnte noch viel mehr schreiben, aber auch ich will nicht mehr. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, man kann sich missverstanden fühlen, man kann Verzweiflung empfinden. Wenn ein "Moderator" allerdings reagiert wie hier (und auch das nicht zum ersten Mal), dann sind für mich die Grundlagen der Kommunikation verletzt und dann könnt ihr hier Fachwissen haben ohne Ende, das ist für mich dann nicht mehr relevant, denn auch außerhalb dieses Forums gibt es Fachleute. Bei einer solchen Moderation bleibt ihr wirklich besser unter euch in eurer ganz eigenen Blase.

Eine einzige Sache möchte ich allerdings noch betonen: Dir, Chiarina, habe ich an keiner Stelle Arroganz oder sonstwas vorgeworfen, deine Beiträge und auch die auf deiner Homepage habe ich immer gerne und mit großem Interesse gelesen.
 
Als ich vor dreieinhalb Jahren die Idee hatte, Klavier zu lernen, habe ich mir einen KL in meiner direkten Umgebung gesucht und dieser hat mit mir zum Ersten den Heumann durchgenudelt und zum Zweiten 20 HANON Exercises spielen lassen und zum Dritten alle Tonleitern runterrattern lassen. Um Musik ging es so gut wie garnicht, eher mehr um Fingersätze zu beherrschen. Ich habe dann nach 1 1/2 Jahren nach Hasenbeins Definition festgestellt, daß ich bei einem KKL gelandet bin der allerdings ein richtig guter Virtuose ist und obendrein einen Lehrauftrag an einer Musikhochschule hat aber beim Unterricht nach meiner heutigen Erfahrung pädagogisch einfach faul war. Die Hanon Exercises haben mir nicht geschadet aber ob sie mich weitergebracht haben, bezweifle ich. Mein KKL sagte mir, das sei wichtig für die Geläufigkeit und er spiele sie jeden Tag durch, um sich fit zu halten. Mittlerweile bin ich beim KL-Unterricht in besten Händen und den Hanon-Sch.... hab ich vergessen 😊
 
Es ist aber genauso schwierig, verständlich rüberzubringen, was Anfänger und Forumsneulinge hier als Arroganz empfinden.

Ich hab mir jetzt den Faden noch einmal durchgelesen. Es wurde Arroganz vorgeworfen, aber tatsächlich nicht näher beschrieben, worin diese nun genau bestanden hat. Wie will man also etwas anders machen, wenn das Gegenüber nicht konkret wird?

Wenn jemand erklären kann, warum er/sie/es mechanistische Übungen wie die von Herrn Hanon nicht sinnvoll findet (und das nicht nur kann, sondern auch tut) oder darauf verweist, dass es bereits erklärt wurde, dann hat das zunächst nichts mit Arroganz zu tun.
Ich fand eher manche Antworten auf Erklärungsversuche unpassend und teilweise unhöflich denjenigen gegenüber, die sich Mühe gegeben hatten, mehr als einen Satz zum Thema zu schreiben.

In einem Forum trägt jede*r zur Kommunikation bei. Ich halte es so, dass ich nach Möglichkeit nicht versuche, andere zu erziehen oder ihnen mit dem verbalen Holzhammer zu sagen, dass ich sie für Hannebambel oder Hohlfritten halte (mag sein, dass mir das nicht immer gelingt). Ich versuche, so zu kommunizieren, dass es auch zu dem passt, was ich gerne lesen möchte. Und vielleicht bin ich auch mal schroff oder kurz angebunden oder zoffe mich mit jemandem, aber deshalb weine ich abends nicht in mein Kissen. Und wenn ich mal keine Lust auf clavio habe, mache ich Pause. Das funktioniert hervorragend.
Ganz pragmatisch: Love it, help to change it, leave it.
 

Man will "geläufig" werden? Wozu so mechanischer, unmusikalischer Kram? Es gibt beispielsweise jede Menge Scarlatti-Sonaten, die sich hervorragend dafür eignen, den für verschiedenste gebräuchliche Spielfiguren erforderlichen "emotional rhythm" (A. Whiteside) herauszufinden und zu üben...

Ich halte auch nichts von Hanon, aber an seiner Stelle Scarlatti zu empfehlen, nun ja...

Scarlatti-Sonaten sind eigentlich ausnahmslos mittelschwer bis schwer, jedenfalls was für Fortgeschrittene. Für Anfänger und wahrscheinlich für alle in den ersten vier bis fünf Jahren ihres Klavierlebens, die "geläufig" werden wollen, sind sie eher frustrierend als hilfreich. Dann lieber Czerny.
 
Man hat als Schüler vielleicht das psychologische Gefühl "was getan zu haben" wenn man stumpf Hanon übt. Eine halbe Stunde Hanon rauf und runter und man hat (s)ein Pensum erledigt und ist zufrieden (man hat zwar nix gelernt aber was getan :004:).

Schade. Man hätte in der Zeit ja Musik machen können. Naja, wenn man "Klavier Spielen" und nicht "Musik Machen" als Hobby hat, dann passt es ja. :-)

Grüße
Häretiker
 
Ein Anfänger ist überhaupt nicht in der Lage, mit Hanon kreativ und musikalisch umzugehen. [Hervorhebungen von mir, P.] Ihr wisst vielleicht nicht, was es allein bedeutet, so viele Sechzehntel auf einen Haufen zu sehen. Der Anfänger sieht nur Sechzehntel, ich sehe und höre innerlich Intervalle.

Es ist ein Riesenunterschied, wenn ich bei einem Problem eine Übung kreiere, die ich selbst oder mit meinem Lehrer über das Ohr erfinde, transponiere, variiere oder ob ich diese Hanon-Noten sehe und übe. Im ersteren ist das Ohr führend, ich höre die Intervalle, mein Sehsinn tritt zurück, weil ich keine Noten vor mir sehe, ich konzentriere mich aufs Hören und Fühlen. Im zweiten ist der Sehsinn der aktivste, es tritt der mechanische Aspekt in den Vordergrund, der sowieso bei Anfängern meist vorhanden ist. Sie denken oft, sie müssten ihre Fingerkraft trainieren u.v.a.m., das Forum wimmelt von solchen falschen Äußerungen.

Wenn nun jemand Fortgeschrittenes mit gutem Gehör und audiomotorischer Herangehensweise mal eine Übung aus dem Hanon nutzt, wird sie ihm nicht schaden, wenn er sie variiert und musikalisch nutzt. Bei den hier beschriebenen positiven Effekten war auch immer ein direkter Zusammenhang mit einem Stück gegeben, das ist wichtig für einen positiven Nutzen. Wenn man Hanon einfach so übt, gibt es diesen unmittelbaren Zusammenhang nicht.
Hallo chiarina,

danke! Das ist nicht nur eine echte Antwort auf meine Frage, ob man Hanon nicht auch musikalisch üben könne; genau darauf wollte ich hinaus (und nicht darauf, hier irgendwie Geisterfahrer zu spielen, Hanon-Übungen grundsätzlich als wertvoll zu behaupten, die sicher wohlbegründete Ansicht von Fachleuten anzuzweifeln oder diese gar als ahnungslos hinzustellen)! Es ist lediglich - anders als bei der Klaviertastatur - nicht immer alles nur schwarz oder weiß, es gibt selbst bei einem solchen Thema noch so etwas wie Binnendifferenzierungen und Zwischentöne. Und genau die haben mir wiederum in dieser polarisierenden Debatte um Hanon-Übungen und der weitgehend einhelligen Ansicht von Fachleuten und fortgeschritteneren Laien dazu weitgehend gefehlt, so naheliegend und einleuchtend diese auch mir natürlich erscheinen mag. Darum auch mein von einigen wohl als unnötig und nervig empfundenes Eingreifen.

Ich bin noch nicht so lange hier. Kann natürlich sein, dass es solche und ähnliche Threads hier schon oft gegeben hat und überhaupt vieles von vielen schon gesagt worden ist. Das lässt sich in solchen Foren, in denen jeden Tag von Leuten mit dem unterschiedlichsten Hintergrund und dem unterschiedlichsten Kenntnisstand viel geschrieben wird und die Besetzungen auch wechseln, wohl leider kaum vermeiden. Auch ich kann da nicht alles lesen und übersehe sicher auch einiges, das von anderen mit viel Zeitaufwand und Mühe geschrieben wurde, die ja auch eine Form von Wertschätzung darstellt. Ich kann auch nachvollziehen, dass nicht jeder Lust dazu hat, sich diese Mühe zu machen. Statt dessen wird dann gerne kurzer Prozess gemacht und zum Holzhammer gegriffen. Doch für sich stehende Autoritätsargumente sind nun einmal wenig überzeugend, mindestens genauso wenig wie zusammenhanglos heruntergeleierte Hanon-Übungen, und Kommentare, die einen dann gleich als dumm und begriffsstutzig hinstellen, als jemanden, der nicht in der Lage oder willens sei, etwas zu verstehen, empfinde ich nun einmal als arrogant und ätzend - womit natürlich keinesfalls Deine Beiträge angesprochen sind, die ich sehr schätze!

Diese negativen Begleiterscheinungen mögen sicher auch der anonymen, gesichtslosen und rein schriftlichen Kommunikation in solchen Medien geschuldet sein; ich werde wegen so etwas auch nicht gleich die Moderation behelligen, die sicher genug zu tun hat, doch so etwas nimmt mir halt auch die Lust, mich hier noch weiter zu beteiligen. Andere wiederum sind gräßlich genervt wegen der immer wiederkehrenden Klagen über den Umgangston hier, die ebenso vom Thema ablenken wie dieser, der bei manchen offenbar schon unter der Wahrnehmungsschwelle liegt. Da man mit diesem Anliegen hier wahrscheinlich ohnehin auf verlorenem Posten steht (insofern passt mein Name sicher auch), denke ich, ich werde am besten in Zukunft hier möglichst nicht weiter durch das Verfassen von Beiträgen stören. Das tut mir nicht nur deutlich besser; Nachdenklichkeit benötigt ja auch einen gewissen Abstand.

So, nun aber wirklich genug. Ich gehe dann mal weiter meinen Scarlatti üben :-) .

Liebe Grüße,
Perdita
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich halte auch nichts von Hanon, aber an seiner Stelle Scarlatti zu empfehlen, nun ja...

Scarlatti-Sonaten sind eigentlich ausnahmslos mittelschwer bis schwer, jedenfalls was für Fortgeschrittene. Für Anfänger und wahrscheinlich für alle in den ersten vier bis fünf Jahren ihres Klavierlebens, die "geläufig" werden wollen, sind sie eher frustrierend als hilfreich. Dann lieber Czerny.
In diesem Fall breche ich mal ein Bein für Hasenbein. :-D
Scarlatti-Sonaten sind auf jeden Fall viel musikalischer. Ich spiele nur eine.
Natürlich geht das nicht sofort für Anfänger.
Aber bestimmt sind einfachere und schwerere dabei und man kann Fragmente davon als Übungen nehmen.
Und Üben müsste man Czerny auch...
Hanon hab ich in Maßen auch benutzt und konnte keinen Schaden feststellen, ausser den Stress den es meiner Mutter machte...
 

Ungefähr seit 1900 wurden die Übungen von Charles Louis Hanon (1820-1900) von zahlreichen Klavierspielern in der Hoffnung benutzt, ihre Technik zu verbessern. Es gibt nun zwei Lehrmeinungen: einmal die, daß Hanons Übungen hilfreich sind und die, daß sie es nicht sind. Viele Lehrer empfehlen Hanon, während andere meinen, daß die Übungen kontraproduktiv sind. Es gibt einen "Grund", den viele Menschen dafür angeben, daß sie Hanon benutzen: um die Hände vom einen auf den anderen Tag in guter Verfassung zum Spielen zu halten. Dieser Grund wird am meisten von Personen zitiert, die ihre Finger mit abgeschaltetem Gehirn aufwärmen möchten. Ich habe den Verdacht, daß diese Angewohnheit daraus resultiert, daß die Person Hanon in der frühen Klavierkarriere gelernt hat, und daß dieselbe Person Hanon nicht benutzen würde, wenn sie nicht so daran gewöhnt wäre. Ich habe Hanons Übungen während meiner Jugend ausgiebig benutzt, gehöre aber nun fest zur Anti-Hanon-Schule. Im folgenden liste ich einige Gründe dafür auf. Czerny, Cramer-Bülow und verwandte Übungsstücke teilen viele dieser Nachteile. Hanon ist möglicherweise das beste Beispiel dafür, wie intuitive Methoden ganze Scharen von Klavierspielern dazu verleiten können, Methoden zu benutzen, die im Grunde nutzlos oder sogar schädlich sind.
i. Hanon stellt in seiner Einführung einige überraschende Behauptungen, ohne eine rationale Erklärung oder einen experimentellen Nachweis, auf. Das wird in seinem Titel deutlich: "Der Klaviervirtuose, in 60 Übungen". Bei sorgfältigem Lesen seiner Einführung stellt man fest, daß er einfach fühlte, daß diese nützliche Übungen seien und er sie deshalb niedergeschrieben hat. Es ist ein weiteres sehr gutes Beispiel für den "intuitiven Ansatz". Die meisten fortgeschrittenen Lehrer, die diese Einführung lesen, würden zu dem Schluß kommen, daß dieser Ansatz für das Aneignen der Technik amateurhaft ist und nicht funktionieren wird. Hanon unterstellt, daß die Fähigkeit, diese Übungen zu spielen, sicherstellt, daß man alles spielen kann - das ist nicht nur völlig falsch, sondern enthüllt auch einen überraschenden Mangel an Verständnis dafür, was Technik ist. Technik kann nur durch das Lernen von vielen Kompositionen vieler Komponisten erworben werden. Es steht außer Frage, daß es viele vollendete Pianisten gibt, die die Hanon- Übungen benutzen. Die fortgeschrittenen Pianisten stimmen jedoch alle darin überein, daß Hanon nicht für das Erwerben der Technik ist, aber dafür nützlich sein könnte, sich aufzuwärmen oder die Hände in guter Verfassung zum Spielen zu halten. Ich glaube, es gibt viele bessere Stücke zum Aufwärmen als Hanon, wie z.B. Etüden, zahlreiche Kompositionen von Bach und andere leichte Stücke. Die Fertigkeiten, die für das Spielen jedes bedeutenden Musikstücks notwendig sind, sind unglaublich vielfältig - fast unendlich in der Zahl. Zu denken, daß Technik auf 60 Übungen reduziert werden könnte, offenbart die Naivität Hanons, und jeder Schüler, der das glaubt, wurde in die Irre geführt.
ii. Alle 60 sind fast nur beidhändige Übungen, bei denen die beiden Hände die gleichen Noten um eine Oktave versetzt spielen, zuzüglich ein paar Übungen mit Gegenbewegungen, bei denen die Hände in entgegengesetzte Richtungen bewegt werden. Diese gekoppelte HT-Bewegung ist eine der größten Einschränkungen dieser Übungen, weil die bessere Hand keine fortgeschritteneren Fertigkeiten üben kann als die schwächere Hand. Bei langsamer Geschwindigkeit wird keine der Hände stark trainiert. Bei maximaler Geschwindigkeit wird die langsamere Hand gestreßt, während die bessere entspannt spielt. Weil Technik hauptsächlich dann erworben wird, wenn man entspannt spielt, entwickelt die schwächere Hand schlechte Angewohnheiten, und die stärkere Hand wird stärker. Der beste Weg, die schwächere Hand zu stärken, ist, nur mit dieser Hand zu üben, nicht HT zu spielen. Tatsächlich ist die beste Art mit Hanon zu lernen, die Hände, wie hier in diesem Buch empfohlen, zu trennen, aber Hanon hat anscheinend noch nicht einmal daran gedacht. Zu glauben, daß durch das HT-Spielen die schwächere Hand die stärkere Hand einholt, offenbart eine für jemanden mit soviel Lehrerfahrung erstaunliche Unwissenheit. Das ist ein Teil dessen, was ich oben mit "amateurhaft" meinte; weitere Beispiele folgen. Die Hände zu koppeln hilft dabei zu lernen, wie man die Hände koordiniert, tut aber nichts dafür, die unabhängige Kontrolle jeder Hand zu lehren. Praktisch in der ganzen Musik spielen die beiden Hände unterschiedliche Teile. Hanon gibt uns keine Gelegenheit, das zu üben. Bachs Inventionen sind viel besser und stärken (wenn Sie HS üben) wirklich die schwächere Hand. Der Punkt ist hier, daß Hanon sehr begrenzt ist; er lehrt nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Technik, die man benötigt.
iii. Es gibt keine Vorkehrung für das Ausruhen einer ermüdeten Hand. Das führt im allgemeinen zu Streß und Verletzungen. Ein eifriger Schüler, der die Schmerzen und Ermüdung bei dem Bemühen, den Anweisungen Hanons zu folgen, bekämpft, wird fast mit Sicherheit Streß aufbauen, schlechte Angewohnheiten annehmen und Verletzungen riskieren. Das Konzept der Entspannung wird noch nicht einmal erwähnt. Klavierspielen ist eine Kunst zur Erzeugung von Schönheit und Eleganz; es ist keine Demonstration von Machos, wieviel Bestrafung ihre Hände, Ohren und Gehirne aushalten können. Hingebungsvolle Schüler benutzen Hanon am Ende oft als eine Möglichkeit, intensive Übungen auszuführen, in dem falschen Glauben, daß Klavierspielen wie Gewichtheben ist, und daß "ohne Schmerzen kein Erfolg" auch für das Klavier gilt. Solche Übungen sollen angeblich bis zur Grenze der menschlichen Belastbarkeit ausgeführt werden können, sogar bis einige Schmerzen spürbar sind. Das offenbart einen Mangel an richtiger Ausbildung darüber, was für den Erwerb der Technik notwendig ist. Die verschwendeten Ressourcen aufgrund solcher falschen Vorstellungen können den Unterschied zwischen Erfolg und Versagen für eine große Zahl von Schülern ausmachen, sogar wenn sie keine Verletzungen erleiden. Natürlich sind viele Schüler erfolgreich, die routinemäßig Hanon üben; in diesem Fall arbeiten sie so hart, daß sie trotz Hanon Erfolg haben.
iv. Die Hanon-Übungen sind frei von Musik, so daß Schüler am Ende möglicherweise wie Roboter üben. Es erfordert keine musikalische Genialität, um eine Serie von Übungen der Hanon-Art zusammenzustellen. Die Freude am Klavier kommt von der direkten Auseinandersetzung mit den größten Genies, die jemals gelebt haben, wenn Sie deren Kompositionen spielen. Für zu viele Jahre hat Hanon die falsche Botschaft verbreitet, daß Technik und Musik getrennt gelernt werden können. Bach ist in dieser Hinsicht überlegen; seine Musik trainiert sowohl die Hände als auch das Gehirn. Hanon hat wahrscheinlich das meiste seines Material aus Bachs berühmter Toccata und Fuge entnommen und so geändert, daß jede Einheit selbstzyklisch ist. Der Rest wurde wahrscheinlich ebenfalls aus Bachs Werken entnommen, besonders aus den Inventionen und Sinfonien. Einer der größten Schäden, die Hanon anrichtet, ist, daß er soviel Zeit verschwendet. Der Schüler hat am Ende nicht genügend Zeit, um sein Repertoire zu entwickeln oder wirkliche Technik zu erwerben. Hanon kann schädlich für die Technik und das Aufführen sein!
v. Viele Klavierspieler benutzen Hanon routinemäßig als Übung zum Aufwärmen. Das konditioniert die Hände so, daß Sie unfähig werden, sich einfach hinzusetzen und "kalt" zu spielen; etwas, das jeder vollendete Pianist innerhalb vernünftiger Grenzen können sollte. Da die Hände für mindestens 10 bis 20 Minuten kalt sind, raubt das "Aufwärmen" dem Schüler dieses kostbare kleine Fenster der Gelegenheit, das kalte Spielen zu üben. Diese Angewohnheit, Hanon zum Aufwärmen zu benutzen, ist heimtückischer als viele erkennen. Diejenigen, die Hanon zum Aufwärmen benutzen, können zu dem Glauben verleitet werden, daß Hanon ihre Finger zum Fliegen bringt, während die Finger in Wahrheit nach jeder guten Übungseinheit fliegen, egal ob mit oder ohne Hanon. Es ist tückisch, weil die hauptsächliche Konsequenz aus diesem Mißverständnis ist, daß die Person weniger in der Lage ist vorzuspielen, unabhängig davon, ob die Finger aufgewärmt sind oder nicht. Es ist wirklich unglücklich, daß die Hanon-Art zu denken einen großen Bestand an Schülern hervorgebracht hat, die glauben, daß man ein Mozart sein muß, um in der Lage zu sein, sich einfach hinzusetzen und zu spielen, und daß man von gewöhnlichen Sterblichen nicht erwarten kann, solche zauberhaften Meisterleistungen zu vollbringen. Wenn Sie in der Lage sein möchten, "auf Kommando zu spielen", fangen Sie am besten damit an, daß Sie aufhören Hanon zu üben.
vi. Es gibt kaum einen Zweifel daran, daß ein gewisses Maß an Technik erforderlich ist, um diese Übungen zu spielen, besonders ungefähr die letzten 10. Das Problem ist, daß Hanon keine Anleitung dafür liefert, wie man diese Technik erwirbt. Es ist exakt analog dazu, einem armen Menschen zu sagen, er solle etwas Geld verdienen, wenn er reich werden möchte. Es hilft ihm nicht. Wenn ein Schüler die mit Hanon verbrachte Zeit dazu benutzt hätte, eine Beethoven-Sonate zu üben, hätte er viel mehr Technik erworben. Wer würde nicht lieber Mozart, Bach, Chopin usw. statt Hanon-Übungen mit besseren Ergebnissen spielen und am Ende ein aufführbares Repertoire haben? Sogar wenn Sie alle Hanon-Übungen gut spielen können, wird Ihnen Hanon nicht helfen, wenn Sie bei einer schwierigen Passage einer anderen Komposition festhängen. Hanon stellt keine Diagnosen zur Verfügung, die Ihnen sagen, warum Sie eine bestimmte Passage nicht spielen können. Die Übungen für parallele Sets bieten Ihnen sowohl die Diagnosewerkzeuge als auch die Lösungen für praktisch jede Situation einschließlich der Verzierungen usw., die Hanon noch nicht einmal berücksichtigt.
 
vii. Die wenigen Ratschläge, die er erteilt, erweisen sich alle als falsch!
Schauen wir sie uns an:
(a) Er empfiehlt, "die Finger weit anzuheben", was für schnelles Spielen offensichtlich nicht in Frage kommt, da es die größte Quelle von Streß ist. Ich habe nie einen berühmten Pianisten gesehen, der im Konzert die Finger weit anhebt, um einen schnellen Lauf zu spielen; tatsächlich habe ich dies nie jemanden tun sehen! Dieser Rat von Hanon hat eine enorme Zahl von Schülern zu dem Glauben verleitet, daß das Klavier gespielt werden sollte, indem man den Finger anhebt und auf die Taste herunterknallt. Es ist eine der unmusikalischsten und technisch unkorrektesten Arten zu spielen. Es ist wahr, daß die Streckmuskeln oft vernachlässigt werden, aber es gibt Übungen, um dieses Problem direkt zu behandeln.
(b) Er empfiehlt fortlaufendes Üben beider Hände, als ob Klaviertechnik eine Art Training für das Gewichtheben wäre. Schüler dürfen niemals mit ermüdeten Händen üben. Deshalb funktioniert die HS-Methode dieses Buchs so gut - sie erlaubt Ihnen, 100% der Zeit ohne Ermüdung hart zu trainieren, weil eine Hand ruht, während die andere arbeitet. Ausdauer wird nicht durch Üben mit Ermüdung und Streß erzielt, sondern durch die richtige Konditionierung. Außerdem brauchen die meisten von uns geistige Ausdauer und keine Ausdauer der Finger. Und seine Empfehlung ignoriert völlig die Entspannung.
(c) Er empfiehlt, unabhängig von Ihrer Fertigkeitsstufe, Ihr ganzes Leben lang jeden Tag zu spielen. Aber wenn man erst einmal eine Fertigkeit erworben hat, muß man sie nicht immer und immer wieder neu erwerben; man muß nur an der Technik arbeiten, die man noch nicht hat. Somit gibt es, wenn man alle 60 Stücke gut spielen kann, keine Notwendigkeit, sie weiter zu spielen - was wird man dabei gewinnen?
(d) Er kennt offenbar nur den Daumenuntersatz, während der Daumenübersatz wichtiger ist.
(e) Bei den meisten Übungen empfiehlt er ein festes Handgelenk, was nur teilweise korrekt ist.
(f) Es gibt keine Möglichkeit, einen Großteil der wichtigen Handbewegungen zu üben, obwohl es ein paar Handgelenksübungen für Wiederholungen gibt.
viii. Die Hanon-Übungen erlauben es nicht, mit den Geschwindigkeiten zu üben, die mit den oben beschriebenen Übungen für parallele Sets möglich sind. Ohne solche Geschwindigkeiten zu benutzen, können bestimmte hohe Geschwindigkeiten nicht geübt werden, können Sie nicht die "Über-Technik" trainieren (d.h. mehr Technik als für das Spielen dieser Passage notwendig ist - eine notwendige Sicherheitsreserve für Auftritte), und die Hanon-Übungen bieten keine Möglichkeit, ein bestimmtes technisches Problem zu lösen.
ix. Die ganze Übung ist ein Üben von Verschwendung. Alle Ausgaben, die ich gesehen habe, drucken die ganzen Läufe, während alles was man braucht, höchstens die ersten 2 aufsteigenden Takte, die ersten 2 absteigenden Takte und der Schlußtakt sind. Obwohl die Zahl der Bäume, die gefällt wurden, um Hanon zu drucken, bei näherem Hinsehen vernachlässigbar ist, offenbart das die Mentalität hinter diesen Übungen, einfach das intuitiv "offensichtliche" zu wiederholen, ohne wirklich zu verstehen was man tut oder die wichtigen Elemente jeder Übung aufzuzeigen. "Wiederholung ist wichtiger als die zugrunde liegenden technischen Konzepte" - das ist wahrscheinlich die schlechteste Einstellung, die die Schüler in der Geschichte des Klaviers am meisten behindert hat. Eine Person, die 2 Stunden täglich übt und dabei wie empfohlen eine Stunde Hanon spielt, verschwendet die Hälfte ihrer Klavierzeit! Eine Person, die 8 Stunden zum Üben zur Verfügung hat, braucht keinen Hanon.
x. Ich habe festgestellt, daß sich Lehrer ebenfalls in Abhängigkeit davon, ob sie Hanon lehren oder nicht, in zwei Schulen aufteilen. Diejenigen, die nicht Hanon lehren, neigen dazu sachkundiger zu sein, weil sie die wahren Methoden für den Erwerb der Technik kennen und damit beschäftigt sind, diese zu lehren - für Hanon bleibt dann keine Zeit. Wenn sie nach einem Klavierlehrer Ausschau halten, erhöhen Sie deshalb die Chancen einen überlegenen zu finden, wenn Sie ihn nur aus denjenigen auswählen, die nicht Hanon lehren.
 
Status
Es sind keine weiteren Antworten möglich.

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