Mich ärgert es natürlich auch, wenn Leute im Konzertsaal husten und das Telefon klingeln lassen (kann man nicht auf "Handy" verzichten, heute steckt das Telefon eben in der Tasche).
Aber diese andächtige Haltung der Musik gegenüber ist ja manchmal auch etwas lächerlich. Früher ging man in die Oper um Leute zu treffen und mit ihnen Klatsch auszutauschen, und die Komponisten waren bessere Dienstboten, Schauspieler sowieso ein suspekter Beruf. Erst der Genie-Kult des 19. Jahrhunderts hat doch diese Andacht in den Konzertsaal getragen.
Ich habe gehört, in China in der chinesischen Oper geht es heute noch so zu wie vor 300 Jahren in der italienischen Oper, man plaudert ungeniert mit den Nachbarn und klatscht nach jeder Nummer.
Man könnte ja auch umgekehrt fragen, welches Recht hat ein Künstler, sich über ein Telefonklingeln aufzuregen, wenn der Besucher seine 150 Euro für die Veranstaltung bezahlt hat? Warum darf er dann keine Fotos machen? Warum ist der Konzertsaal zur Begräbniskapelle geworden?
Beim Freilichtkonzert in Schönbrunn letzte Woche klatschten die Zuhörer in jeder Pause, also beim Klavierkonzert von Grieg drei mal. Ist das eine Wiener Besonderheit, oder meinten die Leute, wenn das Konzert umsonst ist, muss man viel klatschen?
In Tallinn wurde letzten Monat ein Konzert veranstaltet, bei dem die Zuhörer zu klassischer Musik ausgelassen tanzten. Tanzen ist eine normale Reaktion bei rhythmischer Musik, aber normalerweise sitzen die Leute im Konzert als fühlten sie den Rhythmus nicht.
Sitze raus aus den Sälen und alle frei tanzen lassen!