Nettigkeit in allen Ehren, aber er will doch eine ehrliche Meinung haben. Ich bin der Meinung, dass er einfach nur die Noten gespielt hat und keine weitere eigene Interpretation geliefert hat. Ein verkrampftes Spiel erschwert es natürölich immens, ein Stück zu interpretieren.
Mich hat hauptsächlich die Vokabel "inhaltsleer" gestört, weil ich der Auffassung bin, dass Inhalt zum allergrößten Teil vom Komponisten geschaffen wird und nicht vom Interpreten -- oder zumindest, dass es so sein sollte. Das hinsichtlich eines weit verbreiteten Glaubens, dem ich sehr abgeneigt bin: nämlich, dass Interpretation das bewusste Hinzufügen von etwas ist. Ich denke dagegen, dass ein Interpret die Noten schlicht deuten und dann spielen sollte, dass die Inhalte also bereits vorher da sind. Wenn man das so sieht, muss ein Pianist sich schon ziemlich anstellen, damit aus einer inhaltsvollen eine inhaltsleere Komposition wird. Mit "Nettigkeit" hat das alles wenig zu tun (der Vorwurf, ich sei "nett" gewesen, trifft mich jetzt auch hart :D ). Das aber nur nebenbei, weil es schon etwas vom Thema weg ist.
@ marcus
Ich glaube, ein Grund, warum Chopin dem gemeinen Pianisten so gut entgegenkommt, ist, dass er oft den Klaviersatz gerade so gestaltet, dass man ein Stück weit zu einer guten, natürlichen Agogik hingedrängt wird. Und bei dem Anfang dieses Stückes ist das gerade dieser große Sprung der linken Hand über mehr als eine Oktave. Es kann ja niemand technisch gesehen niemand exakt die vorgeschriebenen/vorgeschlagenen 10,4 Triolensechzehntel pro Sekunde spielen, wenn da ein so großer Sprung dazwischen ist. Das heißt, dass man so oder so die fünf Sechzehntel nach dem ersten Schlag des ersten Taktes etwas verzögern muss -- selbst, wenn man jegliches Rubato vermeiden will. Meiner Meinung nach fährt man dann eigentlich ganz gut, wenn man es so genauso macht.
Ich verstehe absolut, dass man beim Spielen das Gefühl hat, dass man sofort diese Flut an Sechzehnteln herunterprasseln lassen will, sondern das Ganze etwas abmildern will. Ich habe aber selbst beim Üben gemerkt, dass es sehr viele Stellen in diesem Stück gibt, an denen ich genau das will. Letztlich würde ich dann jeden zweiten Schlag ein Rubato spielen, was natürlich nicht geht. Jedes Mal, wenn ich mich dann ermahnt habe, nicht so viel darüber nachzudenken, ob das jetzt auch wirklich lyrisch genug klingt, wurde es dann sofort besser. Ich denke, ganz besonders bei diesem Stück führt das häufige Hören durch das häufige Üben dazu, dass man die schlichte Schönheit dieser einfachen, sich wiederholenden Melodie mit der Harfenbegleitung vergisst. Und dann versucht, zu kompensieren.