Ernsthaftes Erraten von Klavierwerken

Hundertmal La Folia? Das würde ich keinem zumuten. Das gesuchte Werk gab es schon mehr als 10 Jahre, bevor Corelli sich frühestens über die Folia Gedanken hätte machen können.

Der Name der musikalischen Form bedeutete ursprünglich so etwas wie "über die Straße flanieren".
 
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Der Name der musikalischen Form bedeutete ursprünglich so etwas wie "über die Straße flanieren".

Also eine pasacalle, vulgo passacaglia?

G. Frescobaldi, Cento partite sopra passacagli?

Ich lese gerade, daß der Meister über ein anderes Werk geschrieben hat: Non senza fatiga si giunge al fine. Das hätte hier wohl auch gepaßt.

Grüße,

Friedrich
 
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Hallo Friedrich,

genau die meinte ich. Ich habe davon eine schöne Aufnahme mit Colin Tilney, wunderbar mitteltönig, was bei den chromatischen Stellen mitunter gewöhnungsbedürftig ist.

Hm ... da hätte ich was anderes für Dich gehabt. J. N. David hatte mir in meiner Schülerzeit mein gottseliger KMD aufgegeben, weil er modern, aber nicht "schlimm" sei. Ein anderer Organist fand das ein bisserl fad und gab mir was anderes. Womit ich dann, nach Wiederholungstat, einen Aufstand des Kirchenvorstands und die Androhung der Entlassung aus dem "ehrenamtlichen Dienste" provozierte ;). Falls ich mal wieder dran bin, frag ich Euch vielleicht danach.
Hast Du das Angedrohte eigentlich schon gefragt? Wenn nein, wäre jetzt die Gelegenheit günstig.

Papp
 
Hast Du das Angedrohte eigentlich schon gefragt? Wenn nein, wäre jetzt die Gelegenheit günstig.

Na, den lassen wir lieber mal, das wäre wohl all zu abseitig. Gemeint hatte ich Einar Traerup Sark, einen dänischen Komponisten (gest. 2005) und seine Toccata primi toni. Wer hören mag, was einen biederen lutherischen Kirchenvorstand in den frühen 70ern auf die Palme und mich beinnahe um das Taschengeld gebracht hat, kann das z.B. hier tun:

Toccata Primi Toni Op.11 - Einar Traerup Sark - YouTube

Rätsel folgt.
 
Der Name der musikalischen Form bedeutete ursprünglich so etwas wie "über die Straße flanieren".

Weil ich jetzt grad nicht viel Zeit habe, bleiben wir gleich bei der Gattung oder besser in der niedlichen Verwandtschaft, gehen aber in der Zeit gute zwei Generationen weiter. Das gesuchte Stück in d-moll hat durch einen glücklichen Zufall in genau einer Handschrift überlebt. Der Komponist ist einem breiteren Publikum heute - unverdientermaßen - nur durch ein einziges seiner Werke bekannt.
 
Das Traerup Sark-Stück ist viel harmloser als ich dachte. Aber ich kann mir Deinen Kirchenvorstand geradezu plastisch vorstellen, wie er mit sehr schmalen Lippen die Köpfe schüttelt.
 
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Eine Kopie der Handschrift wurde konfisziert und ist nicht erhalten, nicht wahr?

Darüber weiß ich leider nichts - der Herausgeber Straube sagt nicht viel mehr, als ich feilgeboten habe, eine neuere Ausgabe habe ich leider nicht und die MGG bleibt ganz stumm zu der Frage. Straube sagt noch, daß ein älterer Bruder Bachs die Schlüsselrolle für die Überlieferung des Stücks spielt.

Wenn ich oben geschrieben habe, daß der Komponist einem breiten Publikum nur noch durch (Bearbeitungen) eines seiner Werke bekannt ist, gilt das natürlich nicht für seine (und meine, hihi) Heimatstadt, wo er bis heute in Ehren gehalten wird. Sein Vater ging ebenda dem beneidenswerten Gewerbe des Flaschners nach.
 
Ich kann einfach nicht das Mundwerk halten.

Die Geschichte ist doch, daß der junge Sebastian sich verbotenerweise einige Handschriften nahm und nächtens heimlich kopierte, darunter auch die heute Andreas-Bach-Buch genannte. Christoph Bach, sein älterer Bruder, hat das spitz bekommen und die Kopie zur Strafe eingezogen.

Die Rede ist von Pachelbels Ciacona in d, die in dem Buch erhalten ist. Der Unglückselige ist dazu verdammt, auf ewig mit seinem (sehr schönen, aber wirklich stark strapazierten) Kanon in D verbunden zu werden, besonders im angelsächsischen Raum. Siehe dazu auch diese schöne Bearbeitung.

P.S. jetzt erst verstehe ich das "niedlich". Man lernt nie aus! Danke.
 
Ich kann einfach nicht das Mundwerk halten.

Die Geschichte ist doch, daß der junge Sebastian sich verbotenerweise einige Handschriften nahm und nächtens heimlich kopierte, darunter auch die heute Andreas-Bach-Buch genannte. Christoph Bach, sein älterer Bruder, hat das spitz bekommen und die Kopie zur Strafe eingezogen.

Die Rede ist von Pachelbels Ciacona in d, die in dem Buch erhalten ist. Der Unglückselige ist dazu verdammt, auf ewig mit seinem (sehr schönen, aber wirklich stark strapazierten) Kanon in D verbunden zu werden, besonders im angelsächsischen Raum. Siehe dazu auch diese schöne Bearbeitung.

Zum ersten Punkt hab ich Dich wegen des Verbs "konfisziert" völlig mißverstanden und in Richtung Polizeiaktion gedacht .... Ja, gesucht war der Organist an St. Sebald und seine Ciacona in d-moll (die dem oben genannten Kirchenvorstand durchaus zusagte). Lokalpatriotischer Appendix: ich frage mich immer wieder, warum die Sebalder im Lauf ihrer Geschichte immer die besseren Organisten hatten als "wir" Lorenzer - letztes Beispiel Werner Jacob (dafür ist unsere Kirche einfach schöner). Und damit weiter mit Deinem Rätsel bitte.
 
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Hier kommt es schon.

Gehen wir einmal wieder drei Generationen zurück. Zu dieser Zeit entstand eine Sammlung, um die sich einige arge Räuberpistolen ranken. Gerüchteweise soll der Autor sie während eines Aufenthalts im Gefängnis zusammengestellt habe. Dann wieder soll sie das Privatnotenbuch einer Monarchin gewesen sein.

Beide Versionen sind wahrscheinlich falsch. Richtig ist dagegen, daß die enthaltenen Werke fast alle ziemlich schwer sind. Auch musikalisch gesehen.

Eins davon hat es mir besonders angetan, seit ich es einmal im Konzert gehört habe und von der hypnotischen Kraft der Musik fasziniert war, und ich meine damit nicht, daß ich dabei eingeschlafen bin.

Vom Titel her eher in der Tradition der Zeit, ist schon die Taktart ungewöhnlich, es wird nämlich ein Elfertakt konsequent durchgehalten, auch im weiteren Verlauf, wo das Grundmetrum in den Tripeltakt wechselt. Die Musik wimmelt nur so von Querständen und Synkopen und es gibt ein paar sehr überraschende Modulationen.

Sehr berühmt, aber weitgehend unbekannt. Wie heißt das Stück und wie der Komponist?

Ich verspreche, daß ich danach meine Absurditätenkammer eine Zeit verschlossen halte.

P.S. Friedrich, nette Signatur.
 
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Genau das meinte ich. Mit vollem Namen heißt es In Nomine IX.

Dieses Stück fällt doch ein ganzes Stück aus dem Werk seiner Zeit heraus, auch aus dem sonst im Fitzwilliam Virginal Book Vertretenen. Dr. John Bull muß auf gewisse Weise einen an der Klatsche gehabt haben. Vielleicht gefällt es mir deshalb so gut.

Dann gebe ich den Stab an Dich ab, pv.
 
Sehr interessant! Wenn es so weiter geht, können wir in ein paar Jahren gemeinschaftlich eine alternative Musikgeschichte herausgeben.

Fürs erste schlage ich aber vor, dass wir noch ein Weilchen hinter schwedischen Gardinen ausharren. ;)

Gesucht ist wiederum eine Sammlung von Klaviermusik, welche begonnen (oder zumindest im Frühstadium ihrer Entstehung weiter ausgearbeitet) wurde, während ihr Urheber eine mehrwöchige Haftstrafe absaß.

Sein Arbeitgeber fand die ganze Angelegenheit überhaupt nicht lustig, und erst vor wenigen Jahren, lange nach dem Tod des Komponisten, wurde von den Nachfahren des ersteren in einer kuriosen Zeremonie eine symbolische Rehabilitierung ausgesprochen.
 
Ich habe ja versprochen, daß ich mich diesmal zurückhalte. Ich wollte nur sagen, schönes Rätsel. Von der Rehabilitierungsgeschichte wußte ich noch nichts.
 
Lieber pianovirus,

meinst Du zufällig die "Gefängnischoräle" (Orgelbüchlein) von guten alten Jonny ? So hat sie mir jedenfalls in der Jugend mein Orgellehrer nahegebracht. Jetzt habe ich doch nachschauen müssen, und tatsächlich, 2008 gabs es die Rehabilitation: Bachs Weimarer Jahre und Werke - Bachhaus Weimar e.V. Es könnten natürlich auch die Anfänge des Wohltemperierten Klaviers gemeint sein.

Viele Grüße,
Kristian
 
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Hallo kristian,

ich hatte nicht bedacht, dass das ein Rätsel mit mehreren möglichen richtigen Antworten war.

Deshalb - Gratulation! - bist Du der nächste Rätselmeister, auch wenn ich eigentlich das Wohltemperierte Klavier im Sinn hatte. Erst vor kurzem bin ich in der Biographie von Christoph Wolff zu Ende des Weimar-Kapitels über ein Zitat gestolpert (ich habe das Buch jetzt nicht zur Hand, aber suche es später noch heraus) demzufolge Bach während seiner Gefängniszeit, natürlich ohne Instrument, am WTK1 gearbeitet haben soll.

Viele Grüße,
pianovirus

P.S. Auf der von Pappnase verlinkten Seite findet man auch ein Video von der kuriosen Rehabilitierungszeremonie, sowie die formelle "Rehabilitierungsurkunde" (ich vermute mal, gesponsert vom Tourismusbüro Weimar ;) )
 
Zwei gesuchte großangelegte Werke mit nahezu gleichem Titel (wenn die Zusätze weggelassen werden) für zwei verschiedene Instrumente hat dieser Komponist geschrieben. Für mehr reichte das ziemlich kurze Leben nicht. Das eine Werk ist durchaus regelmäßig zu hören, das andere dagegen sehr selten.
 
Mal ein schneller Schuss ins Blaue: Meinst Du vielleicht die zwei großen Sonaten von Julius Reubke, eine für Orgel und eine für Klavier (letztere hört man sehr selten; und wenn, dann oft gekoppelt mit der Sonate seines Lehrers)
 

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