Masques op.34
Die Masques (Masken) wurden in den Sommern 1915 und 1916 komponiert. Man kann sie als kleine Klanggedichte bezeichnen. Alle drei Stücke beschreiben geschichtlich literarische Figuren, die sich auf irgend eine Weise hinter einer Maske versteckt haben. Auch diese Stücke sind im nachimpressionistischen Stil gehalten, jedoch gewinnt die Melodie wieder mehr an Bedeutung gegenüber den koloristischen Elementen. Szymanowski selber bezeichnete seinen Stil in diesen Stücken als „quasi-parodistisch“. Obwohl alle drei Geschichten schon mal in irgend einer Form vertont wurden, bezieht sich Szymanowski auf keine dieser Vertonungen. Der gesamte Klaviersatz ist sehr orchestral gehalten.
Scheherazade
Das Stück war ursprünglich an letzter Stelle geplant, wanderte aber dann an die erste. Gewidmet ist es Alexander Dubyansky, der die Masques auch uraufführte. Szymanowski lässt hier Interessante, Orientale Aspekte in die Musik einfließen.
Die Geschichte des Literaturklassikers „Tausendundeine Nacht“ dürfte wohl den meisten bekannt sein. Viele Menschen quälen sich oft mit dem Gedanken, wie sie denn die Treue des Partners sicherstellen können. König Schahriyâr präsentiert seinen zugegebener Maßen sehr effektiven, aber doch recht unkonventionellen Lösungsansatz. Als ihn seine Frau betrügt, lässt er sie kurzerhand hinrichten und damit ihm so was schlimmes nicht noch mal passiert, lässt er sich von seinem Wesir jeden Tag eine neue Jungfrau bringen, die am nächsten Morgen wieder hingerichtet wird. Scheherazade, die Tochter des Wesirs will dem ein Ende machen und lässt sich auf eigenen Wunsch mit dem König verheiraten. Als die Nacht anbricht erzählt sie dem König eine Geschichte und bricht bei einer spannenden Stelle einfach ab. Die Neugierde des Königs ist so groß, dass er die Hinrichtung aufschiebt und in der nächsten Nacht setzt Scheherazade ihre Strategie fort. Mit diesem Seifenoperprinzip übersteht sie tausendundeine Nacht, schenkt dem König drei Kinder und weil es dann eh schon wurscht ist, schenkt der gute Mann ihr halt das Leben.
Tantris der Narr
Für mich das Beste der drei Stücke. Es ist seinem Cousin Henryk Neuhaus gewidmet. Das Stück ist geprägt von einem kraftvollen Rhythmus und seinem verzweifelten Grimm.
Alle Wagner-Fans kennen natürlich die herzzerreißende Geschichte des unglücklichen Liebespaares „Tristan und Isolde“, deren Geschichte bereits seit dem Mittelalter in zahlreichen Variationen erzählt wird. Die rührende Herz-Schmerz-Erzählung war aber (zumindest in der Fassung, in der sie die meisten kennen werden) nur am Rande Szymanowskis Inspiration. Vielmehr war seine Quelle das vom Original deutlich abweichende Drama in fünf Akten von Ernst Hardt, welches 1908 uraufgeführt wurde und den Titel „Tantris der Narr“ trägt. Tristan und Isolde sind ein Liebespaar, jedoch ist Isolde mit König Marke verheiratet und Tristan lebt außerhalb von Cornwall. Marke und Tristan haben einen eigenartigen Vertrag abgeschlossen der besagt, dass Tristan und Isolde sofort hingerichtet werden, wenn sich Tristan in Cornwall blicken lässt. Dann gibt es aber noch einen Vertrag zwischen Tristan und Isolde der besagt, dass sich Tristan dazu verpflichtet sich immer und überall zu stellen, wenn er im Namen Isoldes angesprochen wird. Der böse Tristan ist der lieben Isolde untreu geworden und hat eine gewisse Isolde Weißhand (zum Glück kommt man da nicht durcheinander) geheiratet. Die arme Isolde plagen nun Eifersuchtsphantasien. Denovalin ist eine neugeschaffene Figur und ebenfalls an Isolde interessiert. Er versucht sie zu erpressen um sie für sich zu beanspruchen und behauptet, Tristan gesehen zu haben. Dieser hätte sich bei Nennung des Namen Isoldes nicht gestellt und hätte daher den Vertrag gebrochen. Der äußerst fiese, herzlose, brutale und diabolische Denovalin geht nun zu König Marke und behauptet, Tristan in Cornwall gesehen zu haben. Tristans Anhänger Dinas möchte ihm ein Alibi verschaffen und behauptet, ihn zur selben Zeit an einem anderen Ort gesehen zu haben. Marke beschließt trotz der gegensätzlichen Aussagen Isolde den Aussätzigen auszuliefern. Isolde wird nackt vor die Tür gesetzt. Tristan befindet sich ebenfalls unter den Aussätzigen als Siecher verkleidet, der die Aussätzigen verjagt und Isolde entführen will. Isolde will oder kann Tristan aber nicht erkennen. Denovalin tritt heraus und wird von Tristan erstochen. Dieser flieht und Isolde wird vom Volk gerettet, was Marke als Gottesurteil ansieht. Am Abend im Schloss sind Marke, Isolde, Brangäne und der Hofnarr Ugrin versammelt, zu ihnen gesellt sich ein Narr namens Tantris. Er gibt sich zwar offen als Tristan, wird aber nicht als dieser erkannt. Zu dieser Zeit wird Tristans Schwager Kuerdin tot hereingetragen. Er trägt Tristans Rüstung und Isoldes Ring (niemand weiß, wo der den her hat und es wird auch nicht aufgeklärt) und wurde deswegen für Tristan gehalten. Am nächsten Morgen wollen Brangäne und Isolde von Tantris/Tristan den Ring als Beweis seiner Identität sehen. Isolde ist immer noch von ihrer Eifersucht und Hass auf die Konkurrentin Isolde Weißenhand geblendet und so gelingt es Tristan nicht, sie von seiner Identität zu überzeugen. Sie fordert die „Hundeprobe“ und schickt Tantris/Tristan in den Hundezwinger. Dort wartet Tristans Hund und die Töle ist seit Tristans Abwesenheit zu einer reißenden Bestie geworden. Der Hund erkennt Tristan, Tristan ruft fröhlich den Namen des Hundes, verliert anscheinend völlig das Interesse an Isolde und verschwindet vergnügt mit dem Hund. Isolde erkennt nun, dass es Tristan war und bricht in Brangänes Armen zusammen. Was will uns diese Geschichte wohl sagen…? :floet:
Eine Don Juan-Serinade
Das Stück erzählt die ebenfalls alt bekannte Geschichte des Weiberhelden Don Juan, dessen Leben im Überfluss letztlich im Verderben endet. Es beginnt mit einem improvisiert klingenden Teil mit bitonalen Elementen in der Harmonik und einer spanisch-arabischen Atmosphäre. Die Struktur ist die eines leicht veränderten Rondos und die Wiederholung des Themas erinnert an Don Juans Beschäftigung mit sich selbst. Triolen verstärken den spanischen Charakter des Stücks und die letzten Takte zeigen Don Juans ausweglose Lage. Das Stück ist Arthur Rubinstein gewidmet.
Alle drei Stücke sind äußerst schwierig zu spielen in allen Bereichen und Wolters vergibt zurecht die Schwierigkeitsstufe 15 (von 15). Für mich sind es aber auch die schönsten und fesselndsten Stücke der zweiten Periode. Einige von euch werden sich vielleicht, ebenso wie mit den vorherigen Stücken etwas schwer tun mit dieser Musik. Und wieder kann ich nur empfehlen, nach den ersten Takten nicht verängstigt das Weite zu suchen, sondern einfach die Augen zu schließen, an die Geschichten denken und ganz aufmerksam zuhören. Man kann beim Tantris zum Beispiel den Hund bellen hören und auch sonst gibt es viele tolle Sachen zu entdecken. Nicht zuletzt haben die Stücke mich wieder daran erinnert, dass viele Menschen sich nicht nur zum Fasching hinter einer Maske verstecken.
Schéhérazade
Tantris le bouffon
Sérénade de Don Juan
Viele Grüße!