Ich (übrigens bin ich auch Informatiker) finde auch, dass bei Musiktheorie einiges das Lernen erschwert und sie doch sehr sehr unterschiedlich zu lernen ist als beispielsweise Mathematik oder auch Programmieren. Das fängt schon damit an, dass es kein definiertes "Richtig" gibt, schon das überprüfen eines Ergebnisses ist schwer, da man dafür eigentlich schon das können müsste, was man gerade lernt.
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In der Mathematik sehe ich normalerweise am Ergebnis sofort, ob ich richtig gerechnet habe. Beim Programmieren fast genauso, vereinfacht gesagt: Entweder das Programm läuft oder eben nicht. Somit kann man gut selbst aus Büchern lernen. Ich muss mich auch um keinen praktischen Einsatz kümmern oder entsprechende Fähigkeiten besitzen. In der Musiktheorie ist das aber nicht so einfach.
sehe ich ein bisschen anders (obwohl ich vor Jahrzehnten ebenfalls Informatik und Mathematik studierte). Wesentliche Unterschiede sind m.E. die, dass man ohne relativ viel Wissen in der Informatik fast nichts erreicht, in der Mathematik mit recht geringem Wissen zumindest rechnen kann (was von Mathematik nur ein winziger Teil ist - der aber den meisten Menschen für ihr gesamtes Leben genügt) und in der Musik tatsächlich ganz ohne Wissen etwas zustande bringen kann, das einem selbst und womöglich auch den Zuhörern gefällt.
Selbst du, als professioneller Informatiker, wirst es wohl nicht so schnell schaffen, auf einem Fujitsu BS2000 System ein PL/1-Programm zu schreiben, das einen einzigen Buchstaben auf das Terminal schreibt. Obwohl das etwas extrem simples ist und du bereits bergeweise Wissen und Erfahrung über die Informatik besitzt. Du müsstest dir erstmal zusätzliches Wissen aneignen, über recht unterschiedliche Dinge noch dazu (Platform? Betriebssystem? Treiber? Editor? Programmiersprache? Compiler? usw usf), und das alles ganz speziell für diese Umgebung.
In der Mathematik siehst du "am Ergebnis sofort, ob du richtig gerechnet hast", schreibst du, aber Mathematik bedeutet eigentlich, dass du begreifst, weshalb die Rechnung richtig sein muss - und zwar immer - wenn man so rechnet. Und dass man begreift, dass auch andere Rechenwege möglich sind, und weshalb das so ist. Du kannst also wie in der Grundschule gelernt 994*895 ausrechnen, indem du 9* 895 ausrechnest und hinschreibst, darunter versetzt dasselbe nochmal und darunter dann noch das Ergebnis von 4*895 und das alles dann addierst. Das Ergebnis wird 889630 lauten und das stimmt. Damit könnte man zufrieden sein. Man könnte aber, wenn man mathematisch denkt, auch einfach sehen, dass von der 994 nur 6 bis zur 1000 fehlen und deshalb einfach sofort 889 (=895-6) hinschreiben und dahinter 630 (6 * 105 - denn der zweiten Zahl fehlen 105 bis zur 1000). Da dauert die Rechnung im Kopf dann kaum länger als eine Sekunde. Und mit simpler Mathematik könnte man mit zwei Zeilen beweisen, dass diese Methode tatsächlich für alle Rechnungen korrekt ist, ganz egal wie weit weg irgendein Faktor von der nächsten Zehnerpotenz ist. Also nicht nur für dreistellige, sondern auch für noch viel größere Zahlen. Das, also der simple Beweis solcher alternativer (schnellerer/effizienterer) Rechenmethoden ist noch weit weg von Spline und Fourier und all dem Hexenwerk, das ein paar Schritte weiter in der Mathematik noch lauert.
In der Musik ist es m.E. ein bisschen ähnlich wie in der Mathematik, bloß dass es da noch weniger Voraussetzung braucht (und das Feld auch bei weitem nicht so groß ist). Man kann praktisch jeden an ein Klavier setzen und der wird nach ziemlich kurzer Zeit darauf eine ihm bekannte Melodie so spielen können, dass die Zuhörer das Lied erkennen. Womöglich Einfinger-System, und holprig, aber doch ein Erfolg. Und dieser Erfolg lässt sich durch noch mehr Probieren auch immer weiter ausbauen (siehe Flowkey und Youtube-Tutorials usw).
Braucht man also das theoretische Wissen dahinter? Wenn man Meisterschaft erwerben will, schon. Und wenn man es leichter haben will beim Üben und Lernen, dann wohl auch. Das ist wie mit dem einfachen Rechenbeispiel oben - man kann auf die harte Tour zum Ziel kommen, oder man kann das System verstehen und es sich sehr viel einfacher machen. Und ich glaube, die richtig großen Ziele, die erreicht man gar nicht ohne Verständnis. Das erlaubt einem dann auch das Schaffen von Neuem. Wer sich für Mathematik hinreichend begeistert, der wird nicht bei "Rechnen" stehen bleiben, sondern zB das oben für sich selbst beweisen und verstehen wollen - und wer sich für Musik hinreichend begeistert, der wird sich irgendwann auch mehr mit der Theorie dahinter/darin befassen.
Und wer sich eben nicht hinreichend begeistert, der kommt auch mit einfachem Rechnen und mit passabel nachgespielten Stücken Musik durchs Leben und braucht dabei weder etwas vermissen noch muss er der theoretischen Welt dahinter irgendwie skeptisch gegenüber stehen oder "einen schlechten Ruf" anhängen. Man sollte stattdessen einfach akzeptieren: Sie existiert, sie ist zu etwas nutze, und ziemlich schön ist sie eigentlich auch. Bloß halt aktuell vielleicht nicht mein Fokus.