Wir reden im Moment schon noch hauptsächlich über das evangelische Gesangbuch - aber wie du der Diskussion entnehmen kannst kommt das Fugen-s vorrangig aus dem südlichen Raum.
Oh, ich rede auch über ebendieses. Ja, auch in unserer Ausgabe für Bayern und Thüringen steht "Gesangbuch" drauf; auf dem meiner Oma, das sie 1905 zur Konfirmation bekam, steht allerdings "Gesangsbuch" (wie es noch heute in
Österreich offiziell heißt). Also haben wir es hier mit einem simplen Fall von (EKD-weiter) amtssprachlichen Standardisierung zu tun. Standardisierung ist in Amts-sprachen (oder wenn Du es lieber hörst: Amt-sprachen ;)) natürlich wichtig, weil sie den Geschäftsverkehr vereinfacht, und schließlich darf man auch die ganzen Oberkirchenräte durch übertriebene sprachliche Variation nicht davon abhalten, sich ganz auf den richtigen Weg des Heils zu konzentrieren, nachdem sie das pilgernde Volk Gottes ja nun zwei Jahrtausende lang im Kreis herumgeführt haben.
Aber Amtssprache ist nur ein spezielles, vorwiegend schriftliches, Register der Sprache, dessen Übernahme natürlich jedem freisteht, wovon Journalisten und Politiker zum Mißvergnügen ihrer Leser und Hörer ja auch ausgiebig Gebrauch machen; außerhalb der Amtsstuben liegt keinerlei begründbare Notwendigkeit dazu vor. Und natürlich ist auch nicht alles außerhalb dieses Sprachregisters Substandard (wie weiter oben schon gesagt); kein Mensch, der sagt, er suche eine "Telephonzelle", verfällt in Substandard, nur weil er nicht eine "öffentliche Fernsprechzelle" sucht; er verwendet nur das, was in der mündlichen sprachlichen Koine üblich ist. Und letztere ist nunmal durch regionale Variation charakterisiert; die lange Zeit übliche Abstempelung etwa der süddeutschen, österreichen und schweizer Varietäten als "Dialekte" war und ist nichts weiter als ein ignoranter Ausfluss norddeutscher Überheblichkeit (musst Du bitte nicht auf Dich beziehen).
Also wenn du meine Kirche betrittst hilft nur: immer lächeln und nett sein!
Nun, da hab ich aber Glück, dass in meinen rückständigen Breiten noch kein Zwang zu religionspädagogisch korrekter Empathie herrscht, sondern die Maxime
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht / sangen: »Jesus meine Zuversicht« vorherrscht, mag auch unsere liebe Frau Pfarrer nächtens vom Tanz der Kinder Gottes um den Altar träumen.