Aber die "andere Seite", die Zuhörer, Verwandten usw., die werden ihn bestimmt oft verlangen, und fast gehört es ja, so vermute ich, wenn ich imaginär in die Stuben schaue, zum guten Ton, wenn Sohn oder Tochter ihn spielen können. Wenn nicht, wäre es in den Augen dieser Betrachter vielleicht eher so: "oooh, kann nichtmal den Entertainer..":
Da ich auf diese elende Frage auch oft verneinen musste, habe ich jetzt den praktikablen Weg gewählt und habe ihn dann doch mal vernünftig geübt - es ist wirklich wie eine Seuche, wenn Du einen Rag vorspielst kommt sofort die Frage "kannst Du auch den Entertainer"...
Dabei gibt es eigentlich viele schönere Ragtimes, aber der Entertainer ist eben der bekannteste.
Man könnte an dieser Stelle auch den "Maple Leaf Rag" vorschlagen, der ist schon so versaut, den spielen alle immer zu schnell, da gibt es anscheinend schon Wettbewerbe, wer ihn am schnellsten kann. Aber: während der erste Teil eigentlich gut spielbar ist, stolpern viele bereits im 2. Teil und diejenigen, die da auch halbwegs durchkommen, geben dann spätesten beim Trio endgültig auf, weil dort die Sprünge in der linken Hand für die meisten viel zu schwer sind. Oft wrd das dann einfach weggelassen (merkt hoffentlich keiner).
Doch vergessen wird da, dass es viele SEHR vereinfachte Versionen von dem Ding gibt, die mit der Version, zumindest wie ich sie vorliegen habe ( Brodsky-Lawrence: Scott Joplin: Collected Works: Rags, Waltzes, Marches ) nicht mehr allzuviel gemein haben.
Diese abgespeckten Versionen sind schrecklich. Ich spiele übrigens aus meinen eigenen Noten, ich hatte schon zur Schulzeit ein Heft von einem Mitschüler aus den USA bekommen, da war eine stattliche Sammlung diverser Ragtimes verschiedener Komponisten drin, aber die Druckqualität war eher miserabel. Als ich vor 16 Jahren unfreiwillig zum Frührentner wurde, habe ich als weiteres musikalische Hobby mit Notensatzprogrammen angefangen - und da u.a. dann die ganze Ragtimes eingehackt. Inzwischen habe ich sicherlich 60 (oder mehr) Stücke neu gesetzt, Fehler ausgemerzt und für mich selbst gedruckt und gebunden. Wenn jemand Interesse an irgendwelchen Stücken hat, ich kann gerne ein PDF o.ä. zusenden. Oder gleich eine komplette gebundene Version von Scott Joplin Ragtimes (über 40 Stücke) oder auch von Joseph F. Lamb (das sind aber deutlich weniger).
Was die Fragestellung betrifft:
ich habe schon einmal an anderer Stelle das (vergriffene) Notenheft "Oh, when the saints go marchin' in and other popular American songs : for piano / Peter Wolf - Budapest : Könemann" empfohlen, das ist aber antiquarisch noch problemlos zu bekommen (es sieht so aus:
Web-OPAC.net), meistens für ein paar Euro, da sind einige wirklich gut gemachte Sätze drin, u.a. das ziemlich fetzige "Oh Mary, don't you weep" (was aber dann auch nicht einfach ist). Die Sätze bilden einen sehr schönen Einstieg in die Welt neuerer Jazzharmonien und einige davon sind sehr gut spielbar, ohne aber so seltsam blutleer zu wirken, wie es oft bei einfachen Arrangements der Fall ist. Ich finde das Buch absolute klasse.
Dann habe ich hier noch (für die etwas älteren unter uns) von Genesis aus dem Stück "Firth of Fifth" (vom Album "Selling England by the Pound", inzwischen auch 40 Jahre alt) eine fehlerfreie Transkription des Klaviersolos, mit dem das Stück beginnt (habe ich auch selbst gesetzt). Das ist nur mittelschwer, schindet aber mächtig Eindruck in den entsprechenden Fan-Kreisen.
Für sehr fortgeschrittene Spieler habe ich dann auch noch von Keith Jarret aus dem legendären "Köln Konzert" den dritten Teil (angeblich improvisiert - aber das wird von vielen Musikwissenschaftlern bezweifelt, dafür ist der Aufbau zu perfekt) als vollständige Transkription vorliegen, auch selbst eingehackt. Das Stück ist allerdings sauschwer.
Mal schauen, was ich noch so finde, das war jetzt nur auf die Schnelle.
Grüße
Rainer (aka Jack Black)