hi IF, ich glaube, viele hier sind der Meinung, ich bin so ein Speichellecker-Lehrer, bzw Lehrerin.
auch wenn das nicht an mich gerichtet ist, so glaube ich, dass Du dich da täuschst
Ich gebe zu, ich lobe sehr viel, bin oft begeistert von meinen Azubis und Azubinen und versuche wirklich, bei allem den Spaß und die Freude nicht aus den Augen zu verlieren. Bei mir heult niemand, im Gegenteil, wenn man zusammen gelacht hat fühlt sich das einfach gut an. Man kann auch vermitteln, dass es Spaß macht, sich zu quälen und über sich hinaus zu wachsen. Die einen machen das mit der Peitsche, andere eben mit Überzeugung. Ich gebe zu, manche Jugendliche sind Argumenten nicht immer zugänglich und die Peitsche (oder psychischer Druck besser gesagt) würde schneller wirken, aber das ist eben nicht mein Stil.
Liebe Viola,
ich möchte mich Rolf hier ausdrücklich anschließen!!!!! Das, was du hier schreibst, sind die Kennzeichen einer guten Lehrerin!!!
Natürlich haben unterschiedliche Lehrer unterschiedliche Toleranzschwellen und sollten nach ihnen handeln, so dass sie authentisch sind (was auch gut für die Schüler ist, die damit unterschiedliche Menschen und Verhaltensweisen kennen lernen)! Natürlich sind gute Lehrer immer auf der Suche und stehen sich und ihrem Unterricht selbstkritisch gegenüber.
Es gibt nicht die eine perfekte Art und Weise zu unterrichten, das macht das Unterrichten ja so faszinierend, aber auch ab und an schwierig. Es ist nicht wie bei der Behandlung gewisser Krankheiten mit Antibiotika - vorne Penicillin rein, Krankheit meistens erledigt (bitte keine Arzneimitteldiskussion anfangen, ich weiß, dass es nicht immer so ist und ja, ich finde Homöopathie auch gut! :D ).
Ich jedenfalls finde deine klare Sprache und deine erfrischenden Ansichten sehr interessant und finde keinesfalls, dass du eine Speichellecker-Lehrerin (was für ein Ausdruck :D) bist!!!
Was soll man da als Klavierlehrer machen? Das ist die reine Marktwirtschaft, man muss tun, was die Schüler wollen, damit man sein Geld verdienen kann.
Liebe JeanPaul,
dein Weg hört sich doch für den Moment gut an! Ihr habt euch verständigt, du hast ein Stück weit sein Vertrauen gewonnen und er ist nun mit Begeisterung bei der Sache.
Die Basis, ohne die es nicht geht, ist also gelegt!
Um auf Dauer mehr in deine musikalische Wunschrichtung zu gehen, könntest du nach einer gewissen Zeit vielleicht mehrgleisig fahren.
Ich habe z.B. einen 16jährigen Schüler, der im letzten Herbst auch eine Krise hatte und mal was anderes machen wollte. Da war er ganz glücklich, Stücke von Linking Park etc. nach Gehör zu spielen, wobei er sich auf YT Arrangements, die ihm gefallen haben, als Vorlage genommen hat.
Nach einiger Zeit habe ich dann mit ihm auch klassische Stücke im Unterricht besprochen, anhand derer er Strukturen, Formen, das Klanggeschehen etc. herausfinden sollte. Danach habe ich ihm eine Aufnahme auf YT empfohlen bzw. eine CD ausgeliehen. Rein zufällig :D habe ich Stücke ausgesucht, die Jugendlichen gefallen, super klingen und nicht schwer zu erlernen sind. Das eine Stück, Asturias von Albeniz aus der Suite Espagnole, hat ihm sehr gefallen und ich habe ihn gefragt, ob er es nicht spielen wolle. So hat er es beim diesjährigen Sommervorspiel gespielt und will als Nächstes ein Chopin-Nocturne in Angriff nehmen.
So kann man Schüler auch ein wenig überlisten, nicht im arroganten Sinne, sondern in dem Sinn, dass man ihnen hilft, etwas zu erkennen, was sie noch gar nicht wissen. Dein Schüler kann sich kein Urteil erlauben, weil er ja kaum etwas kennt von dem, was du gern vermitteln würdest. Also kann man bestrebt sein, wenn man will und es mit dem Schüler möglich ist, diesen Horizont des Schülers zu erweitern, was nicht unbedingt primär übers Spielen erfolgen muss.
Ich persönlich kann auf lange Sicht nicht nur irgendwelche Pop- oder Rocksongs mit meinen Schülern nach Gehör spielen. Da langweile ich mich zu Tode und das wäre der Tod eines guten Unterrichts. Das sehe ich einfach nicht als meine primäre Aufgabe und dann würde ich meinem Schüler doch empfehlen, einen anderen Lehrer zu nehmen, der das besser kann.
Was mir wirklich auffällt, ist, dass bisher nur eine Schülerin von mir mal mit Tiersen ankam. Ihr war dabei völlig klar, dass es keine Musik wie Chopin o.ä. ist, aber sie wollte es halt gern spielen (die Comptine), was ich natürlich auch gern mit ihr erarbeitet habe.
Aber ich kenne Yiruma und Einaudi nur dem Namen nach hier aus dem Forum. Meine Schüler spielen eher mal nebenbei Rock- oder Popsongs nach Gehör, auch gern vierhändig, sechshändig, Jazzstücke von Norton etc., also eher ganz andere Sparten. Aber alle spielen schwerpunktmäßig Klassik und ihnen ist gerade deren Tiefe und der Facettenreichtum ein Anliegen und Bedürfnis. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass wirklich alle sehr, sehr gerne am Klang und der musikalischen Gestaltung arbeiten und dass dies sogar der Grund ist, wieso sie überhaupt Klavier spielen. Denn mit der Tiefe der Gestaltung gibt man auch viel von sich selbst ins Stück hinein und ich spüre, wie sich die Schüler in den Stücken wiederfinden.
Ich hoffe bloß, dass das jetzt richtig verstanden wird und nicht als Kritik rüber kommt. Ich wundere mich bloß schon seit geraumer Zeit, aber vielleicht ist es auch nur Zufall.
Ich bin halt sehr froh über die fast unendliche Vielfalt an klassischer Literatur für alle Stufen! Wir haben ein tolles Instrument, für dass es so viel Literatur gibt wie für kein anderes. Da wird sich doch etwas finden lassen.
Aber das hat jetzt eigentlich wenig mit deinem Schüler zu tun, liebe JeanPaul! Man kann sowieso erst versuchen, etwas zu steuern, wenn die Basis, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, stimmt. Und da bist du ja auf dem besten Wege! :p
Liebe Grüße und viel Erfolg!!!
chiarina