Die effektivsten Übemethoden

  • Ersteller des Themas Pianoangel
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Wieso sollte in einer Klavierschule etwas darüber drin stehen, wie man richtig übt? Auch in einer Lesefibel oder einem Buch über Grundrechenarten steht nicht drin, wie man lernt. Es wird hier ja gerne mal bezweifelt, dass die Zusammenarbeit von Lehrer und Schüler ein brauchbares Konzept ist (und ich kann das in gewisser Weise nachvollziehen, wenn man noch nie guten Unterricht erlebt hat), aber wenn man das Klavierspiel als mehr ansieht als das bloße Tastendrücken, dann kommt man aus meiner Sicht alleine nicht weit genug.

Technik alleine macht keine Musik, insofern ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll, anfangs "fast nur" technische Übungen (was auch immer damit gemeint ist) zu machen.

Es wurde ja schon einige Male gesagt, dass sich hier im Forum sehr viele Übemethoden und Tipps finden lassen. Ich verstehe, dass es nervig ist, wenn man gesagt bekommt, man solle sich diese halt zusammensuchen, aber tatsächlich ist es halt auch so, dass es den "Stein der Weisen" in Punkto Üben nicht gibt. Auch in Bezug darauf, wie viele "technische Übungen", Etüden o.ä. gespielt werden "sollten", gibt es kein Patentrezept.
 
Nun will ich doch mal eine für @lexel hoffentlich inhaltlich verwertbare Antwort geben, da er offensichtlich ernsthaft danach sucht und sich selbst noch etwas im Weg steht.

Zunächst sind diverse Dinge zu unterscheiden: 1. Welche Stücke spielt man 2. Wie nähert man sich einem Stück 3. Wie übt man sie 4. Welche Rolle soll ein Lehrer dabei spielen? Am meisten interessiert dich 3. nehme ich an.

1. Die Stücke sollten zum Spielniveau passen. Meistens sucht man sich eher zu schwierige Stücke, die vermeintlich "leicht" anfangen und weiter hinten plötzlich unspielbar werden (z.B. Für Elise), oder denen man musikalisch absolut nicht gewachsen ist (z.B. 1. Satz "Mondscheinsonate"). Wobei sich immer die Fragen stellen: Wer muss zuhören? Spiele ich ausschließlich, weil ich dieses Stück spielen will, oder will ich dabei auch was lernen? Bin ich auch mit einem sehr unfertigen Ergebnis zufrieden? Es spricht nichts dagegen, nach den Sternen zu greifen, ist aber heilsam, auch dem Spielniveau angemessene Stücke zu üben.

2. Um 1. zu berücksichtigen und überhaupt, kann man bei einem selbst ausgesuchten, neuen Stück folgendes tun. Sieh dir an: Tonart (weißt du, wie man die rausbekommt?), Taktart (weißt du, warum man das wissen sollte?), Tempoangaben (kennst du welche?), Länge und Struktur (Fachdeutsch: Form) des Stückes, schau z.B. nach Wiederholungen. Klaviersatz, also Kompositionsart und Nutzung der Hände. Spiel hier und da mal rein oder das ganze Stück "irgendwie" durch. Hast du eine grobe Idee vom ganzen Stück? Dann kann das Üben beginnen.

3. Was hier bei dir passieren sollte, kann ich nur mutmaßen - Stichwort individuell - da ich z.B. folgende Dinge nicht weiß: Welche musikalische Vorbildung hast du, welche pianistische Vorbildung hast du (zwei ganz verschiedene Dinge!), wie ausgebildet ist dein Gehör, wie geschickt bist du motorisch, wie gut ist den Körperbewusstsein, bist du eher in über- oder unterspannung, wie intelligent bist du, welcher Lerntyp bist du, welches Instrument hast du, wie alt bist du, wie viel Zeit hast du zum üben, wie ist deine Konzentrationsspanne,.......... verstehst?
Wenn ich einen Schüler live erlebe, weiß ich das allermeiste nach kurzer Zeit und finde in der Zusammenarbeit auch schnell raus, was dem Schüler nützt und was nicht. Deine Frage ist, wie wenn ich einen Arzt anrufe und sage "wenn ich links drücke, tuts weh, was soll ich machen?" Er wird sagen, komm vorbei, muss ich sehen und anfassen. Er kann aber auch sagen: Wenn's geschwollen ist, kühlen, wenn du dich geschnitten hast, desinfizieren, wenn du was falsches gegessen hast, Kohletablette, wenn man nichts sieht, kann ich nichts sagen, wenn du gleich tot umfällst, lieber Notruf wählen.

Also drum ein paar allgemeine Überezepte, die weder falsch noch vollständig sind, aber zumindest nicht schaden:

  • Wenn du Fehler übst, merkt sie sich das Gehirn, versuche sie darum zu vermeiden. Aber 1) wenn man zu krampfhaft versucht, Fehler zu vermeiden, kann man stark verkrampfen, das ist nicht Sinn der Sache 2) Fehler sind nicht nur falsche Töne, sondern auch falsche Rhythmen (vor allem!), falsche Fingersätze, falsche Dynamik, Artikulation, Pedal etc.
  • Allerdings: Man kann nicht auf alles gleichzeitig achten, was ich oben aufgezählt habe. Deshalb muss man auswählen und immer auf verschiedenes achten. Absolut notwendig und immer zu beachten sind allerdings die richtigen Töne, die richtigen Rhythmen und der Fingersatz.
  • Ich bin immer wieder erstaunt, dass manche nicht selbst drauf kommen, aber: Um fehlerfrei spielen zu können, muss genügend Denkkapazität frei sein. Wenn es also trotz noch so willensstarken Versuchen nicht gelingt, führt man offenbar zu viel in zu kurzer Zeit aus. Will heißen: Spiel langsamer, dann hast du mehr Zeit zum Denken. Überhaupt ist es für manche Anfänger wahnsinnig schwierig, das Tempo in sich stimmig zu variieren. Das kannst du also üben.
  • Es gibt Glaubenskriege darüber, ob man die Hände einzeln oder zusammen üben soll. Ich bin dafür, die Hände auch einzeln zu üben, wenn es sinnvoll erscheint, d.h. wenn die Bewegungsabläufe der einzelnen Hände noch zu unklar sind, um sich mit der motorisch schwierigeren Aufgabe des Gleichzeitigspielens zu befassen.
  • Absoluter Grundsatz: Such dir kurze Abschnitte zum Üben. Wie kurz die sind, ist individuell. Bei dir vermutlich: Ein bis höchstens zwei Takte. Kann auch mal ein halber Takt sein.
  • Was heißt nun Üben eines Taktes: Spiel die Hand oder beide, höre zu und sieh hin (sowohl Noten als auch Tasten, abwechselnd.) Achte auf: Spielst du das, was da steht? Spielst du so, wie du wolltest? Fühlt es sich gut an? Sieht es bewegungstechnisch gut aus? Fühlt es sich gut an? (Diese letzten drei Fragen sind schwer zu beantworten, dafür braucht man einen Lehrer). Was mich zum Folgenden bringt: Wenn du es wiederholst, überleg dir vorher was und wie du es spielen willst, so genau wie möglich, höre es im Kopf und fühle es in den Fingern. Dann spiele erneut - stimmen Vorhaben und Eindruck des Gespielten? Du wiederholst den Teil so oft, bis er klappt. Wenn er gar nicht klappt, geh zu einem anderen Takt und später oder am nächsten Takt zu dieser Stelle zurück.
  • Vor dem Üben Fingersätze machen oder machen lassen - wenn sie nicht funktionieren, ändern
  • Immer nach der angenehmsten Bewegung suchen (auch dafür braucht ein Anfänger einen Lehrer)
  • ...
4. Der Lehrer ist für verschiedene Dinge da: Es ist bequemer, alles aus einer Hand zu erfahren, und sich nicht im Selbststudium vieles zu erarbeiten, was man tatsächlich auch selbst herausfinden könnte (z.B. Notenlesen, Musiktheorie, absolute Grundsätze des Klavierspielens). Vor allem aber macht er dich auf Dinge aufmerksam, die du nicht weißt und nicht wissen kannst, weil dir die Antennen dafür fehlen. Das Körpergefühl ist selten bis nie so gut ausgeprägt, dass man Fragen wie "ist das schon die ökonomischste Bewegung" oder "nutze ich die Muskeln, die ich brauche, und keine anderen aus Versehen" beantworten kann. Ein guter Lehrer sieht das und / oder probiert es gemeinsam mit einem aus. Selbiges ist die Frage nach dem Hören. Wohin sollst du hören, wenn du nicht weißt, wie man hört? Es ist ein bisschen wie im Restaurant. Du kannst das Sternemenu zwar essen, aber die Zubereitung bleibt ein Geheimnis. Der Lehrer entschlüsselt das für dich. Da fallen Sätze wie "als du das eben durchgespielt hast, hast du an dieses cis beim Spielen nicht gedacht" und du wirst denken "wie kann er das wissen?" und die Antwort lautet: Er hat es gehört. Unglaublich aber wahr.
Allerdings vorsicht: Ein Lehrer ist kein Zauberer. Weder kann er dir in zwei Wochen einen jahrelang gewohnten, verkrampften Habitus "abgewöhnen", noch ist er schlecht, wenn du scheinbar keine Veränderung feststellst. Veränderungen brauchen Zeit und sind nicht graduell wahrnehmbar. Außerdem sind die Erfolge oft so vermeintlich (!) klein, dass ein Schüler sie nicht erkennt. Sie sind aber notwendig, auch so kleinschrittig. Und zu guter Letzt: Ein Lehrer kann dir gar nichts "beibringen". Das musst du selbst. Er bietet Ideen an, lässt dich nachdenken, zeigt dir Dinge. Du selbst hast zu denken, zu üben und dein Hirn aufzusperren. Das ist Arbeit und Mühe und kostet Zeit. Aber es kann ein wunderbares Gefühl sein, sich anzustrengen, auch wenn das heutzutage manchmal in Vergessenheit gerät (schau mal in meine Signatur).

Was also deinen Lehrerverschleiß angeht, ist die Frage - wie lange warst du bei denen? Wie hast du vorher gespielt, wie hinterher? Was waren die Inhalte der Stunde und wer hat sie festgelegt? Welche Fragen hast du gestellt und wie waren Antworten? Wenn von fünf Lehrern fünf schlecht sind, lebst du irgendwo im ländlichsten Hinterland? Wie teuer war der Unterricht im regionalen Vergleich?
 
Gefragt wurde nach speziellen Übemethoden. Gute KL geben den Lernenden ihr Wissen natürlich weiter, so dass es hier nicht zu zurückbehaltenem Geheimwissenschaft kommt.

Weiter hat @lexel bezweifelt, ob neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in den Übemethoden berücksichtigt sind. Das, was wissenschaftlich bekannt ist, siehe z. B. die Beiträge von Prof. Altenmüller, kennen gute KL und geben es an ihre Schüler weiter. Das, was wissenschaftlich noch nicht entdeckt ist und gegen etablierte Methoden spricht, gehört auch nicht zu geheimen praktizierten Übemethoden, nach denen hier gefragt wird. Darum mögen neue wissenschaftliche Erkenntnisse zukünftig hilfreich sein, spielen aber, solange sie nicht bekannt sind, für die Frage nach aktuell effektiven Übemethoden keine Rolle.

Wenn man sich in Sport und Klavierspiel etwas auskennt, kommt man zu dem Ergebnis: Klavierspiel und Sport lässt sich nur sehr begrenzt vergleichen, weshalb ich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen aus dem o. g. Vergleich stark bezweifle.
 
Da ist man im Sport um Längen, ja Kilometer voraus, da gibt es massig Literatur was man den üben soll um besser zu werden in der jeweiligen Sportart.
Mag sein. Trotzdem kommt man zumindest in technisch-/koordinativ anspruchsvollen Sportarten nicht ohne Trainer aus. Ich glaube nicht, dass jemals ein Skifahrer ein Rennen gewonnen hat, der das Skifahren aus Büchern und eigenem Herumprobieren gelernt hat. Und Klavierspielen ist ja nicht nur koordinativ anspruchvoll, sondern auch intellektuell.

Ist es im Anfangsstadium eines Klavierschulers (also Anfänger) gar besser (fast) nur Technik zu machen? (als gute Grundlage für später)
Manche sagen ja ohne gute Technik kann man dann Meisterstücke gar nicht richtig spielen.
Und alle sagen (zurecht!), dass man ohne entwickelte Musikalität nicht mal Anfängerstücke richtig spielen kann. Die Musikalität (z.B. das Hören, das Entwickeln eines Gefühls für Rhythmik und Timing, für "sprechende" Phrasen etc.) ist weitaus schwieriger zu erlangen als das spieltechnische Drumherum. Von daher wäre es völliger Unsinn, erstmal nur (oder überwiegend) Technik zu machen. Das, was ein Anfänger in den ersten Jahren an Spieltechnik benötigt, lernt er nebenher, wenn er die Musik lernt. Sich im ersten Jahr beispielsweise mit Hanon zu beschäftigen, wie es einige hier propagieren, ist völlig absurd.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu der Frage, ob man Technik und Spielen separat üben sollte: Auch das ist eine Typfrage und wird in diversen Schulen und Lehrweisen unterschiedlich gehandhabt. Manche üben tatsächlich zu einem Großteil (was weiß ich, 30% oder mehr) Etüden, also Tonleitern, Fingerübungen etc. - das bringt aber auch nur etwas, wenn man die mit derselben Aufmerksamkeit übt, wie alles andere. Andere reduzieren ihre separierten Technikübungen auf ein Minimalmaß, ich z.B., und üben die Technik konkret am Stück, wenn sie auftaucht. Ein Zwischenmodell sind Konzertetüden bzw. Etüden, die auch Musikstücke sind (im Gegensatz zu Hanon, Brahms-Übungen etc.). Da werden wenige Schwierigkeiten ausführlich behandelt, trotzdem klingen sie gut.
Wenn man zwei Chopinballaden, zwei Beethovensonaten und zwei Bach-Suiten gut spielen kann, hat man vermutlich die Grundlagen für die meisten Spieltechniken gelegt.
 
Und auch hier kann ich mich jetzt Fragen, erlerne ich die Technik auch mit Stücken vor zu, oder muss man separat speziell üben? Aus dem Sport Sektor wäre die Antwort einfach, nämlich dass man auch speziell trainieren muss. Für mich erscheint daher ein spezielles Techniktraining sinnvoll und ich mache das auch.
Und nun taucht die nächste Frage auf , wie viel % der Trainingszeit pro Woche soll man den Technik trainieren? (klar hängt vom Niveau ab)
Ist es im Anfangsstadium eines Klavierschulers (also Anfänger) gar besser (fast) nur Technik zu machen? (als gute Grundlage für später)
Manche sagen ja ohne gute Technik kann man dann Meisterstücke gar nicht richtig spielen.

Ich mache nebenher wenig reine spezielle Technikübungen, weil ich nur über eine bestimmte Zeit und über ein eingeschränktes Konzentrationsvermögen verfüge für‘s Klavierspielen.

Eine Ausnahme bilden die Übungen von Prof. Feuchtwanger, die ich in kürzeren Abständen(Wochen) durchführe.
Hier nochmal die Quick-Release- Übung:

http://www.peter-feuchtwanger.de/downloads/uebung1.pdf

Ansonsten betrachte ich einzelne Stellen in meinen Stücken, die ich mir zur Zeit erarbeite (zusammen mit meinem Klavierlehrer) und in den Stücken, die ich bereits erlernt habe als Technikübungen. Als Beispiel nehme ich mal die Arpeggios in Beethovens Sonatine in G-Dur Teil 2 "Romanze".

Meine Lieblingsstücke spiele ich immer mal zwischendurch nur zu meiner Freude. Auf diese Weise bleiben sie präsent, lassen sich prima aus dem Gedächtnis abrufen und verbessern sich. Ich arbeite also weiter an einer Verfeinerung, ohne bewusstes Üben.

Über effektives Lernen lese und lerne ich sehr viel, nicht nur in Bezug auf das Klavierspielen.
Ich gebe zu bedenken, dass ich Anfängerin am Klavier bin und diesbezüglich meine Art zu üben nicht als zweifelsfrei zu betrachten ist.
 
Chiarina du gibt's dir super Mühe das respektiere ich sehr.

Lieber lexel,

ich musste gerade so lachen! Das erinnert mich an die Zeugnisbeurteilungen, die es manchmal so gibt: "er hat sich sehr bemüht".... . :-D:lol:

Ein empirischer Ansatz hat halt nur am Rande etwas mit Wissenschaft zu tun und stimme hasenbein völlig zu, dass "man" (kommt übrigens von Mann) dann schnell meint bereits das Optimum gefunden zu haben ...
Das ist leider kein wissenschaftlicher Ansatz und birgt die Gefahr stehen zu bleiben, weil man eben glaubt das Optimum bereits gefunden zu haben. Nur ein stetes Streben nach einer Verbesserung bringt uns der Sache näher.

Ein wissenschaftlicher Ansatz ist nicht nötig, um beim Klavierspiel etwas zu lernen und ich nehme an, darum geht es hier. Auch durch Empirie kann man das Optimum finden.

Auch wenn es beim Sport wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sind auch da Art und Umfang des Trainings vollkommen individuell und muss - so ist es leider - auch erst mal ausprobiert werden! Ob eine Vorbereitung gut war, zeigt sich leider erst beim Wettkampf, auf den man zielgerichtet trainiert hat. Was für den einen Sportler gut ist, ist für den anderen nicht gut. Was für einen gut ist, muss man ausprobieren.

Und auch hier kann ich mich jetzt Fragen, erlerne ich die Technik auch mit Stücken vor zu, oder muss man separat speziell üben? Aus dem Sport Sektor wäre die Antwort einfach, nämlich dass man auch speziell trainieren muss. Für mich erscheint daher ein spezielles Techniktraining sinnvoll und ich mache das auch.
Und nun taucht die nächste Frage auf , wie viel % der Trainingszeit pro Woche soll man den Technik trainieren? (klar hängt vom Niveau ab)
Ist es im Anfangsstadium eines Klavierschulers (also Anfänger) gar besser (fast) nur Technik zu machen? (als gute Grundlage für später)
Manche sagen ja ohne gute Technik kann man dann Meisterstücke gar nicht richtig spielen.

Wenn du also einen Übeplan machen möchtest, der auf dich zugeschnitten ist, ist die allererste Frage:

1. Was sind deine Wünsche und Bedürfnisse?

Denn danach richtet sich deine Vorgehensweise. Die Motivation spielt eine große Rolle und es bringt nichts, an deinen Wünschen vorbei zu üben. Willst du z.B. deine allgemeinen musikalischen Fähigkeiten erweitern? Interessierst du dich für Harmonielehre? Hast du Lust, zu improvisieren, vielleicht ein bisschen zu komponieren? Möchtest du dir ein Repertoire aufbauen. Willst du besser vom Blatt spielen können? Willst du Kammermusik machen? Möchtest du auch mal Stücke vorspielen? Willst du sie auswendig können ? etc. etc.

Sich darüber klar zu werden und seine Wünsche und Bedürfnisse aufzuschreiben, zeigt den Weg.

2. Wieviel Zeit hast du?

Dieser Punkt ist sehr wichtig, denn du hast bei geringer Übezeit natürlich weniger Zeit, um die o.g. Wünsche zu erfüllen und musst ggf. Prioritäten setzen.

3. Variabel und vielfältig zu üben und Musik von vielen verschiedenen Seiten kennen zu lernen, ist am besten.

Durch viele verschiedene Perspektiven auf Musik und das Klavierspiel verankerst du Lerninhalte nachhaltig (das ist wissenschaftlich erwiesen! :-D). Wenn dein Üben also aus Repertoirepflege, Harmonielehre, Gehörbildung, Erarbeitung von Stücken aus verschiedenen Epochen, technischen Übungen, Blattspiel, Improvisation, Komposition, Kammermusik, Blick in andere Stilistiken, Transponieren, Rhythmusschulung etc. besteht, ist das sehr vorteilhaft.

Allerdings haben manche gar nicht die Zeit und auch nicht die Lust zu so einem Üben und setzen lieber individuelle Schwerpunkte. Und da siehst du schon, was für ein Quatsch standardisierte "Trainingsprogramme sind wie auch beim Sport, wo doch jeder seinen Personal Trainer hat. :heilig::-D

4. Was sind deine Stärken und was deine Schwächen?

Eine genaue Bestandsaufnahme ist unbedingt notwendig, um aus den genannten Dingen das auszuwählen, was dich am meisten voranbringt. Dazu ist in der Regel ein Lehrer unabdingbar.

Hast du ein gutes Gehör? Kannst du Intervalle und Akkorde hören, hörst du. wohin sich Strebetöne wie Leitton/Septime etc. auflösen, empfindest du Spannungen, Entspannungen, Klangräume, Konsonanzen, Dissonanzen, Klangfarben in deinen Stücken und beim Hören von Musik?

Wenn nicht, solltest du unbedingt regelmäßig Zeit für Harmonielehre und Gehörbildung aufwenden (sollte man sowieso immer machen, aber es kann ja sein, dass wie bei vielen berufstätigen Menschen Prioritäten gesetzt werden müssen).

Wie sind deine technischen Fähigkeiten? Damit meine ich nicht die Schnelligkeit von Läufen, sondern deine Fähigkeit, Klänge differenziert zu gestalten und insgesamt eine gute Körperwahrnehmung zu besitzen. Also unnötige Anspannungen im Körper wahrzunehmen, einen Energiefluss aufzubauen und Impulse auf das Klavier zu übertragen.

Das, was du unter Technik verstehst, unterscheidet sich vermutlich sehr von dem, was ich unter Technik verstehe. Du denkst vielleicht, du müsstest Geläufigkeit o.ä. trainieren, ich erkenne möglicherweise, dass du ein ganz anderes Techniktraining brauchst, was erst einmal darauf abzielt, den Zusammenhang zwischen Klangvorstellung und Klangerzeugung zu verstehen und überflüssige Spannungen im Körper abzubauen. Das ist die Basis, auf der dann weiter aufgebaut werden kann. Du kannst 1 Stunde Tonleitern üben, wenn du willst: wenn du sie verkrampfst und eckig spielst, werden alte und ungünstige Gewohnheiten etabliert und die Stunde schadet mehr als sie nützt.

Es gibt also jede Menge Übemethoden (z.B. rhythmisieren, staccato spielen...) für Tonleitern, die sehr nützlich sind, aber DIR nützen sie nichts, wenn nicht deine Atmung, deine Armführung, dein Sitz am Klavier etc. stimmt. Und das können wir hier nicht beurteilen.

Verstehst du jetzt, dass es unmöglich ist, per Ferndiagnose dir zu sagen, wie du üben sollst? Die Wissenschaft hilft dir da auch nicht weiter.

Liebe Grüße

Personal Trainer chiarina - die 200€ sind bis zum 10. des Monats zu überweisen - :lol:
 
Vielen Dank, es hat sich jetzt zu einem sehr spannenden Diskussionsthema entwickelt.
Auch @Stilblüte danke für deine Mühe für die fast schon kleine Diplomarbeit.:blume:

Muss das jetzt alles in Ruhe reflektieren und in der Zwischenzeit sage ich euch wo ich stehe:
Spiele seit 8 Jahren Klavier, davon nun die letzten 4 Jahre in einer Musikschule. Habe leider erst spät, mit über 35Jahren angefangen und vorher kein Instrument gespielt. Habe ein sehr gutes Gehör, höre sofort wenn eine Taste auch nur ein wenig verstimmt ist und denke auch musikalisches Talent.
Die Lehrerwechsel kamen eigentlich historisch zustande, durch eben den Start des Unterrichts an der Musikschule. Vorher habe ich privat Unterricht bekommen bei zwei KL. Nur den ersten Kl habe ich von mir aus gewechselt, der Rest des Wechsels ist quasi von selber entstanden. Der zweite Privatlehrer Wechsel ist eben durch Wechsel in Musikschule passiert.

Dass man einen KL braucht um Klavier zu lernen, steht für mich außer Zweifel und ich bedaure dass dies nicht rübergekommen ist.
Auch wie ich schon geschrieben habe, habe ich von jedem Lehrer etwas dazu gelernt.
Und ein guter Lehrer ist etwas sehr wertvolles. Allgemein gesprochen.

Und dann noch kurz was derzeit am Programm steht: Musikschule , jede Woche Stunde:
meist 2 Stücke, dazu Technik: Hanon:-)und derzeit machen wir alle Molltonleitern inklusive natürlich, melodisch und harmonischen durch. Und mir selbst bringt der Hanon mehr als die Czerny Etüden die ich die letzten drei Jahre an der Musikschule, mit einer anderen KL gemacht habe (zusätzlich zu Stücken).

Hoffe @Stilblüte deine Frage ausreichend beantwortet zu haben das war ich dir, nach deiner kleinen Diplomarbeit, nun doch irgendwie schuldig.;-)

Vermutlich ist der größte Übefehler keinen Klavierlehrer zu haben.
 
Es freut mich, dass ihr damit etwas anfangen könnt, und @chiarina und ich ergänzen uns mit unseren Beiträgen wunderbar.

Falls du @lexel die oberstrenge Stilblüte mal kennenlernen willst, könntest du das (achtung, Werbung) hier https://www.clavio.de/threads/bach-kurs-in-wuerzburg-mit-inge-rosar.24651/ oder hier https://www.clavio.de/threads/workshop-mit-anne-in-griechenland-2019.24653/ tun.
Bin ich eigentlich streng? Ich glaube, ich bin ein ganz braves Häschen. :lol: Sagen wir eher, ich bin konsequent, jedenfalls meistens.

Den Hanon blind und taub durchzuexerzieren ist die vertane Zeit nicht wert. Ich hoffe, du bekommst eine gute Anleitung, wie du den spielst, dann kann man daran durchaus einiges lernen.
 

Wenn du Fehler übst, merkt sie sich das Gehirn, versuche sie darum zu vermeiden. Aber 1) wenn man zu krampfhaft versucht, Fehler zu vermeiden, kann man stark verkrampfen, das ist nicht Sinn der Sache 2) Fehler sind nicht nur falsche Töne, sondern auch falsche Rhythmen (vor allem!), falsche Fingersätze, falsche Dynamik, Artikulation, Pedal etc.
Alles natürlich richtig.

Ich würde es noch etwas anders formulieren:

Übe immer so, dass Du die selbstgestellte Aufgabe LOCKER und FEHLERFREI hinkriegst. Und zwar nicht erst nach x fehlerhaften Anläufen, sondern beim 1. Versuch!

Dies ist der einzige wirklich zweckmäßige Ansatz.

Wie man das Stück oder den Ausschnitt aus dem Stück modifizieren muss, um das hinzukriegen, variiert je nach Stück und Könnensstand.
Das kann also z.B. sein: (sehr) langsam spielen; bestimmte Parameter, wie z.B. Rhythmus, erstmal bewusst außer Acht lassen; Hände bzw. Stimmen einzeln; Spielfiguren in abgewandelter und dadurch einfacherer Form üben und erst später die im Stück vorkommende "Originalform" spielen; nur kurzen Abschnitt nehmen etc.pp.

Hier kommt halt die Intelligenz ins Spiel. Man muss überlegen, welche Abwandlung sinnvoll ist, um daraus einen Übeschritt zu machen. Der Lehrer ist natürlich dazu da, einem im Unterricht und bei der "Hausaufgabenstellung" zu zeigen, wie so etwas aussehen kann/sollte, und exemplarisch im Unterricht auf diese Weise zu üben, damit man merkt: "Ah, fuck, das funktioniert ja tatsächlich!" und motiviert ist, es auch so zu Hause zu machen. (Spoiler Alert: Leider machen es die meisten Schüler zu Hause dann nicht so, sondern dudeln wieder "irgendwie so" mit 1000 Fehlern...)

Absoluter Grundsatz: Such dir kurze Abschnitte zum Üben. Wie kurz die sind, ist individuell. Bei dir vermutlich: Ein bis höchstens zwei Takte. Kann auch mal ein halber Takt sein.
Hier wird sehr viel falsch gemacht, auch von Lehrern!

KEINESWEGS sollte man "Takte" (also von Taktstrich bis Taktstrich) als Übeeinheiten nehmen!!!

Sondern IMMER SINNEINHEITEN!

Das heißt: normalerweise eine PHRASE. Und das heißt wiederum: meist spielt man bis zum Anfang des nächsten Taktes weiter, weil erst da die Phrase zu Ende ist!

Manchmal kann man auch "Schwung-Einheiten" als Übeabschnitte verwenden. Beispiel: Auf der letzten Zählzeit des Taktes kommen 4 Sechzehntel, die dann auf eine Viertelnote auf der nächsten "1" hinlaufen. Diese Figur fasst man beispielsweise mit einer Armbewegung zusammen, die in sich "abgeschlossen" und als "Bewegungs-Legobaustein" verwendbar ist, und kann für sich geübt werden, auch wenn sie vielleicht nur Unterabschnitt einer Phrase ist.

Hier ist also auch wieder Musikverständnis und Intelligenz gefragt; der Lehrer ist wieder zuständig dafür, dieses Verhalten im Schüler zu etablieren und einzufordern.

Zitat Lexel:
nd dann noch kurz was derzeit am Programm steht: Musikschule , jede Woche Stunde:
meist 2 Stücke, dazu Technik: Hanon:-)und derzeit machen wir alle Molltonleitern inklusive natürlich, melodisch und harmonischen durch. Und mir selbst bringt der Hanon mehr als die Czerny Etüden die ich die letzten drei Jahre an der Musikschule, mit einer anderen KL gemacht habe (zusätzlich zu Stücken).
Bitte stelle Dich einfach langsam mal der Tatsache, dass Du lauter nicht gute KL hattest, inkl. des gegenwärtigen. Es wurde Dir nun von Chiarina, Mick, Stilblüte und mir hinreichend dargelegt, was Merkmale vernünftigen Unterrichts sind, Du siehst, wir sind uns bis auf Nuancen (die oft auch nur deswegen sind, weil jemand etwas nicht ZU haarklein differenziert erläutern wollte) einig. Vergleiche es mit Deinem Unterricht, und Du siehst, der ist nix.

Das ist kein "ungewöhnlicher Zufall" bei Dir, sondern liegt schlicht an der Tatsache, dass die meisten KL nicht gut sind.

Ich habe übrigens - Thema Hanon... - schon einzelne Schüler deshalb verloren, weil sie es kritisierten, dass ich denen keine "Fingerübungen" aufgebe. Bei denen war der Glaubenssatz "Fingerübungen sind erforderlich, um die 'Technik' bzw. 'Geläufigkeit' zu trainieren" so fest drin und selbst durch offensichtliche Erfolge mit "meiner" Vorgehensweise nicht kaputtzukriegen, dass Hopfen und Malz verloren war.
 
ach was, das T-Shirt war früher mal schneeweiß.
Das, was man jetzt sieht, ist der manifest gewordene Angstschweiß :angst: Deiner Schüler, der sich im Laufe der Zeit akkumuliert hat...
:lol:
 
Wie kommt fremder Schweiß auf das T-Shirt?
Hast sicher gleich 'ne Erklärung parat...
 
Stichwort "Kondensation"
Du kennst doch den Effekt, wenn sich beim Betreten von warmen Räumen Luftfeuchtigkeit auf kalten Brillengläsern absetzt.
Das gleiche passiert, wenn hasi mit eiskalter Mine die mit Angstschweiß übersättigten Übungsräume betritt...
Er wird zum Kristallisationspunkt für die Ängste derer, die zuhause ohne seine ausdrückliche Erlaubnis das ("schaurige Orgelmusik setzt ein":) :angst:Metronoooom!!!:angst: benutzen
:-D
 
Da ist man im Sport um Längen, ja Kilometer voraus, da gibt es massig Literatur was man den üben soll um besser zu werden in der jeweiligen Sportart.
Ach so? Mir ist noch kein Lehrbuch für Bowling, Tennis oder Tischtennis über den Weg gelaufen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man ohne individuelles Training in irgend einer Sportart halbwegs vernünftige Ergebnisse* erzielen kann (von Erfolg will ich gar nicht schreiben).

*) ist natürlich auch immer eine Frage, wie man das definiert
 
Personal Trainer chiarina - die 200€ sind bis zum 10. des Monats zu überweisen - :lol:
Bitte überweise mir dann 500 Euro für den interessanten Post der auch andere weiter bringt und eine gute Werbung für jeden KL jeder Klasse darstellt.:-):drink:


Thema Hanon... - schon einzelne Schüler deshalb verloren
Das wundert mich nicht. Kann es sein du hast ihn falsch unterrichtet?? Mir bringt er tatsächlich eine viel bessere Geläufigkeit als vorher ohne Hanon. Jetzt kennst auch mal einen Schüler dem der was bringt. Bitte Scheuklappen ablegen.
Unterrichtest du dann Technik oder nicht? Wenn ja was und wie?
 
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