Comptine d'un autre été: L'après midi

Wie findet ihr Comptine d'un autre été: L'après midi?

  • Ich find's göttergleich!

    Stimmen: 38 48,1%
  • Ich kann es nichtmehr erhören!

    Stimmen: 41 51,9%

  • Umfrageteilnehmer
    79
Das hat mir gefallen, Erda

Trotzdem:

Allein die Verwendung von "Gefühlsduselei" ist ja eine Herabsetzung, die die Angesprochenen auch wahrnehmen.
 
das ist nicht richtig, was Du da schreibst: ich habe Deinen von obskuren übermächtigen Geheimbünden raunenden Beiträgen lediglich einen Titel verpasst, nämlich "Verdummungs-Verschwörungen" - - und ich habe alles, was mit dieser Verschwörung (an der Du offenbar zäh festhältst, s.o.) zu tun hatte, sehr gern gelesen, weil es sehr amüsant war.

warum Du das aber erneut aufwärmst und mit einem Seitenhieb versiehst, das verstehe ich nicht - es sei denn, Du möchtest gerne erneut über Verdummungsverschwörungen diskutieren...

Ich weiss ja, dass du dich gerne amüsierst.

Wie wäre es mal mit Stellung zu beziehen.

Ich sagte ja im Klartext, dass ich die Bildungsferne der Massen für politisch gewollt halte und dass diese Taktik auch durchgesetzt wird.

Bist du da völlig anderre Meinung. Aus deiner Kritik kann ich das nicht erkennen. Und von obskuren Geheimbünden erzählte ich nicht, sondern von Kirche und Staat, Banken und Verbänden usw.
 
hallo Gomez,

herrlicher Zitatrahmen - pass auf, dass Dein Beitrag nicht in den Opernfaden verschoben wird :)

herzliche Grüße, Rolf
 
gehört eigentlich in einen anderen Faden...

Ich sagte ja im Klartext, dass ich die Bildungsferne der Massen für politisch gewollt halte und dass diese Taktik auch durchgesetzt wird.

Bist du da völlig anderre Meinung. Aus deiner Kritik kann ich das nicht erkennen. Und von obskuren Geheimbünden erzählte ich nicht, sondern von Kirche und Staat, Banken und Verbänden usw.

sobald massenhaft Schulen geschlossen, alle Massen in die Kirchen getrieben und dort wieder auf Latein die Messe gelesen wird - sobald das eintrifft, werde ich Dir zustimmen.

ansonsten hattest Du, zur Untermauerung der von Dir orakelten Verdummungstaktik, interessante Vermutungen geäußert, dass hinter den strohmannartig agierenden Leuten wie Ackermann & Co. noch ganz andere säßen (und selbigen Direktiven erteilen), deren Namen Dir allerdings nicht geläufig seien - - so ganz und gar grundlos fand ich das Abschweifen in Richtung Verdummungsverschwörungen nicht erheiternd... ;)
 
Meinetwegen hätte man sie nicht löschen müssen, denn falls sie persönliche Beleidigungen enthielt, wüßte ich mich selber zu wehren.

Doch - ausschließlich deinetwegen:

.marcus. hat Dir einen großen, unbezahlbar billigen Gefallen
getan - meine Replik enthielt nicht bloß keine persönlichen
Beleidigungen (das ginge gar nicht), sie verletzte auch keine
Regel dieses Forums, sondern hielt sich schlicht an die Tatsachen.
Und das ist, folgt man eben diesen Regeln, eine der allerhöchsten
Tugenden hier vor Ort.

Die Begründung für die sofortige Löschung darf mit Fug und
Recht als inspiriert betrachtet werden:

hier wird kein User an den Pranger gestellt.

Denn das war .marcus. augenblicklich klar:

Gegen diesen, meinen Beitrag würdest Du Dich nicht mehr
wehren können - definitiv unmöglich, aus die Maus.

Aber .marcus. hat mir ebenfalls einen Gefallen getan:

Er hat mir viel Zeit gespart, weswegen ich nicht lediglich
auf dem Wiederabdruck nicht mehr bestehen, sondern
im Falle dieses die Löschung selbst vollstrecken werde.

Ich gestatte mir allerdings ein Zitat:




Für Stephan, ein Musiker
der wie kaum ein anderer
meine Kompositionen versteht,
mit den allerherzlichsten Wünschen,

Peter Feuchtwanger
London 11.6.2010



Diese Widmung ist Teil eines Geschenkes, das er
mir gestern machte.


Und weil Du, Kernbeisser, ja nun ganz offensichtlich
gut mit Zahlen umgehen kannst (jedenfalls beinah besser
als ich), kannst Du Dir an allen elf Fingern die Differenz
ausrechnen, die besteht in der Haltung Peter Feuchtwangers
und der Deinen meine Person betreffend.


Mit tadellosem Gruß

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mir ist suspekt, wie mit Musik als einem angeblich reinen Gefühlsreservoir umgegangen wird.
Natürlich hat Musik einen mächtigen Einfluß auf die Seele -.......

Aber Musik spricht auch den Verstand an, dem es ein Vergnügen ist, ihren Verästelungen zu folgen,
ihre Logik nachzuvollziehen, zumal musikalische Logik ihre eigenen Wege beschreitet:
...........

Bei guter Musik hat man den Eindruck, daß sie eine präzise Antwort gibt -
man weiß nur nicht, auf welche Frage.
Auf jeden Fall ist die Beschäftigung
mit Musik eine Form der Erkenntnis
- nur Unverständige lachen über diesen Satz.

Hallo Gomez,

wie wunderschön formuliert!!!

Ich meinte es auf gar keinen Fall so, dass Musik eine reine Gefühlssache ist. Ich selbst habe mal am Anfang meines Studiums Schubert in einem Klavierabend mit Brendel gehört. Ich war vollkommen überwältigt, spürte aber sehr genau, dass ich nicht wirklich verstand, was ich gerade gehört hatte. Ich wusste auch nicht genau, warum ich es so toll fand. Mittlerweile weiß ich, dass ich damals noch nicht die vielen verschiedenen Klangschichten so klar hören konnte. Mein Hören hat sich dermaßen in den letzten 25 Jahren gewandelt - es ist wunderbar und verändert sich noch. Mit allen Fasern (oder fast allen) eine Komposition zu erfassen, durchzuhören - erweitert auch das Gefühlsempfinden enorm! Deshalb kann ich auch nur bei deiner nächsten Aussage zustimmen:



Leider hat sich heute aber ein ganz triviales Musikverständnis durchgesetzt -
Musik als reiner Hort der Gefühle.


Das ist sicher oft so. Musik wird ja auch in Supermärkten etc. als Mittel der Beeinflussung gebraucht. Und schon in der NS-Zeit wurde Musik entsprechend eingesetzt. Ich weiß nur nicht, ob das früher anders war. Was ich aber interessant finde, sind Bestrebungen auch gerade von Jugendlichen, dem Mainstream zu entgehen. Ich war mal bei einem kleinen Rockkonzert von regionalen Bands und ich fand es total erstaunlich, was die sich da haben einfallen lassen. Also glaube ich an die Kreativität der Menschen, auch gegen den Mainstream zu arbeiten/hören.



Was ich nicht verstehe: warum Du, liebe Chiarina, Dich zur Verteidigerin solcher Gefühlsduselei aufschwingst -
um's mal unhöflich zu formulieren -, aber ich verhelfe damit sogar einem Gefühl zum Durchbruch:
meinem Unmut darüber, daß Du es tust - und zwar, wie ich glaube, wider besseres Wissen.


Ich finde es gar nicht unhöflich, dass du deinen Unmut ausdrückst. Ich glaube vielmehr, dass du es sogar noch sehr höflich ausdrückst ;) . Ich bin mir nämlich ganz sicher, dass dir meine Haltung absolut unverständlich erscheint - und dann bin ich auch noch ein Profi :D !

Ich bin halt Klavierlehrerin und es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen, meinen Schülern auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen sehr wertschätzend gegenüberzutreten. Diese Haltung versuche ich auch im übrigen Leben einzunehmen. Ich bin sehr an Menschen interessiert, an Gründen für ihr Handeln, an den verschiedenen Wegen, die sie gehen, an den verschiedenen Lebensweisen .... . Mich interessiert immer das Warum, das Woher. Ich glaube, dass Menschen manchmal seltsame Dinge tun, die für sie aber wichtig sind, um den für sie richtigen Weg zu erkennen und zu finden. Ein Umweg ist oft kein Umweg. Alles birgt auch Chancen.

Deshalb glaube ich, dass das Hören der Comptine für diesen Menschen einen Sinn hat, der für andere vielleicht im Verborgenen liegt. Selbst wenn der Sinn nur darin besteht, eine für einen selbst gerade wichtige Stimmung entstehen zu lassen bzw. eine schon vorhandene Stimmung in Musik ausgedrückt zu hören, dann ist das für mich in Ordnung. Vielleicht ist es für denjenigen wichtig, den Verstand auch mal auszuschalten. Nur hoffentlich nicht zu oft ;) !Vielleicht sollte man auch nicht vergessen, wieviel "Arbeit" es für manche Hörer ist, klassische Musik anzuhören mit ihrer komplexen Struktur ..... . Da muss man intensiv zuhören! Geübte Hörer haben es da leichter.


Es geht nämlich noch einen Schritt weiter. Viele sogenannte Musikliebhaber
weigern sich nicht nur, Musik als eine Form des Denkens zu begreifen,
und bringen sich damit um einen Großteil des Vergnügens, das sie haben könnten,
sondern verwechseln die von der Musik in ihnen ausgelösten Gefühle mit der Musik selbst.
Das macht es auch so schwer, mit ihnen z.B. über die "Comptine" zu reden -
negative Kritik an der Musik empfinden sie als Herabwürdigung ihrer beim Anhören
oder Spielen der Musik entstandenen Gefühle. Da kann man wohl nix machen.


Ja, das wäre natürlich blöd. Aber ich hatte den Eindruck, dass hier durchaus Konsens besteht in der musikalischen Qualität der Comptine.



Aber müssen wir in einem Forum, das dem Gedankenaustausch dient -
zwischen Laienmusikern (die dadurch schon garkeine richtigen Laien mehr sind),
Musikinteressierten und Semi- bis Vollprofis -, dieses Spiel mitmachen
und Gefühlsanbetung betreiben?

Es ist keine rhetorische Frage, die ich stelle, und polemisch ist sie schon gleich gar nicht.
Für eine Antwort wäre ich Dir sehr dankbar.


Nein, das sollten wir nicht. Aber ich finde es normal, dass ein solches Forum wie dieses eben alle Aspekte von Musik zur Sprache bringt, auch die sentimentalen etc.. Über Heumann wurde ja auch schon seitenweise geschrieben. Das soll aber kein Plädoyer für solche Stücke sein, sondern eher für eine Auseinandersetzung mit ihnen. Uns kann doch der Grund für den Erfolg (kommerziell) solcher Stücke auch interessieren. Ich würde auch nicht sagen, dass es Gefühlsanbetung gleichkommt, wenn man versteht/respektiert, dass es Hörer gibt, die die Comptine lieben. Im Moment des Hörens dieses Stücks steht zwar offensichtlich das Gefühl im Vordergrund, aber das sollte keinesfalls grundsätzlich für das Hören von Musik gelten.

Für mich ist auch die Comptine einfach keine klassische Musik, vielleicht sehe ich das deshalb relaxter, während du dich ja über diese Verbindung zum lyrischen Klavierstück ärgerst.

Viele Grüße

chiarina
 
Selbst innerhalb dieses ganz allgemein gesagt "emotionalen" Bereichs ist Musik zudem - wie Gomez es erklärt - auch eine Form der Erkenntnis: indem sie z.B. noch nicht gekannte Stimmungsnuancen wahrnehmbar werden lässt.

als Beispiel:
der abstrakte Begriff "Nostalgie" ist recht weit gefasst, man kann ganz allgemein beim Anblick verwitternder historischer Gebäude diese "nostalgisch" bzw. ihren Anblick nostalgisch finden.
eine sehr subjektive Nuance dessen wäre die Vorstellung von einem alt gewordenen a la Mode Kavalier um 1750. Sein Herrenhaus und Park, vor einer Generation noch glänzender Treffpunkt, verfällt allmählich, der Park ist nicht mehr so gepflegt wie früher, er selber trägt zwar noch seine alte Kleidung, aber die wie auch er selber ist aus der Mode gekommen. Der alte Mann sitzt in seinem allmählich verwildernden Park, das Herrenhaus ist ganz mit Efeu und Wein überzogen, und er denkt zurück an die glanzvollen Jagdgesellschaften, an das pralle turbulente Leben, an die vielen Gäste - vor seinem geistigen Auge die Jagdhunde, die Jägerkostüme, Jagdhörner schallen und er vergisst für einen Moment, dass er selber wie sein Haus und Park schon alt geworden und verwittert ist; und man muss ihn mögen, den alten Mann, der da im Park Kaffee trinkt und sich zurück träumt: er klagt nicht an, er jammert nicht, er akzeptiert, dass das Leben weiter geht und er seinen Teil davon hatte: ein bißchen traurig, ein bißchen fröhlich, ein bißchen wehmütig und liebevoll, verständnisvoll ist sein Träumen - - - Domenico Scarlatti, Sonata E-Dur Longo 23: viel feiner, verständnisvoller, nuancierter als das viel zu konkrete sprachliche Bild lässt diese Sonata eine solche Stimmung entstehen, sie lässt uns eine eigene und feine Nuance von Nostalgie kennen lernen und damit erkennen
(und hierfür genügt die Andeutung von Jagdquinten und die Andeutung einer festlich-barocken Tafelmusik mit Trompeten - das findet sich in den Noten)


Hallo Rolf,

ganz ehrlich, wenn du mal einen Zweitberuf bräuchtest, solltest du Romane o.ä. schreiben - das ist sooo schön geschrieben!!!



Nicht die Gefühle oder Stimmungen, die man von außen mit einem Musikstück verbinden will, sondern diejenigen, die man aus dem Musikstück erhält (wenn man es versteht!), sind relevant. Die Erkenntnis, welche Musik bringt, ist eine non verbale - aber keine beliebige und auch keine zufällige.



So sehr ich hier deiner Meinung bin, so frage ich mich auch, wie es denn dann sein kann, dass klassische Musik oft so verschieden interpretiert wird. Das bedeutet doch, dass eine musikalische Aussage oder Komposition sehr vielfältig wahrgenommen wird, jeder Interpret hat eine andere, eigene Form der Erkenntnis. Sicher hat es auch mit Prioritäten zu tun, die jeder verschieden setzt: der eine hebt bestimmte Details hervor, dem anderen geht es vorrangig um die Herausarbeitung polyphoner Strukturen oder Entwicklungen, der eine empfindet und interpretiert ein Stück dramatisch, während ein anderer das gleiche Stück eher melancholisch spielt.

Die Erkenntnis kann keine beliebige sein, da die sog. Werktreue wichtig ist - sie kann aber im klanglichen Ergebnis trotzdem sehr verschieden sein. Bei deinen Jagdquinten und der Tafelmusik ist die Erkenntnis vermutlich bei allen Interpretationen gleich - da aber ja noch andere musikalische Parameter vorhanden sind und diese sich gegenseitig beeinflussen, sind eben doch bei verschiedenen Pianisten verschiedene klangliche Ergebnisse und Stimmungen möglich.

Ich bin auch absolut der Meinung, dass die Gefühle (mit diesem Wort meine ich übrigens auch Emotionen, Stimmungen, Assoziationan) aus der Musik entstehen. Aber meinst du denn, dass wäre bei der Comptine nicht so?

Ich glaube, dass die vermutete Stimmung der Comptine von Sehnsucht, Melancholie genau aus den verwendeten klanglichen Mitteln resultiert, woher auch sonst. Spätestens nachdem aber der Klangraum klar ist, also schon ziemlich am Anfang, beginnen geübte Hörer nach meiner Theorie (keine Ahnung, ob sie stimmt) sich mindestens zu langweilen, weil sie gewohnt sind, der Musik zuzuhören, Entwicklungen zu lauschen etc. Da es bei der Comptine aber ziemlich gleichförmig zugeht, empfinden sie beim gewohnten intensiven Zuhören Ekel etc. Ich kann das absolut nachvollziehen. Aber wie unterschiedlich Empfindungen beim Hören sind, kann man an marcus' und meiner Reaktion auf den Schluss der Comptine sehen: ich persönlich finde die oktavierte Wiederholung ganz schrecklich, während marcus z.B. gerade diese Stelle schön findet. Nur - was kann man daraus schließen - gar nichts, finde ich.

Der die Comptine schön findende Hörer nun wird nach meiner Theorie (Leute, beschwert euch, wenn ihr euch falsch wiedergegeben fühlt!) durch den Klangraum zu Anfang so gefangengenommen, dass ihm eine Entwicklung der klanglichen Mittel, die auch den Verstand befriedigen würde, herzlich egal ist. Die Priorität des Hörens liegt nur auf dem immer wiederkehrenden Klang. Intensives Zuhören ist nicht erforderlich, also könnte die Comptine dazu dienen, eigenen Gedanken nachzuhängen, die wahrscheinlich viel mit der Stimmung der Comptine zu tun haben.

Vielleicht gibt es zumindest meines Wissens auch keine Klavierabende mit Werken von Tiersen ( :D ), weil man dieser Musik auf Dauer nicht intensiv zuhören kann. Vielleicht ist das aber auch eine Beleidigung, wenn ich das so sage - ich kenne auch von ihm keine anderen Stücke. Vielleicht wird diese Musik einfach gerne gehört, um sich selbst in eine bestimmte Stimmung zu versetzen und nicht, um sich mit einem Werk auseinanderzusetzen.

Mich interessiert wie gesagt an der Comptine, warum sie und andere ähnlich konzipierte Musik solch eine Wirkung haben.

Viele Grüße

chiarina

P.S.: Und jetzt kann ich nicht mehr - bei so viel anstrengender Verstandestätigkeit schwirrt mir ja der Kopf. Wo ist die Comptine??? :D :D :D
 
Oder - um ein anderes Zitat zu bemühen, dessen Urheber mir nicht einfällt:
Bei guter Musik hat man den Eindruck, daß sie eine präzise Antwort gibt -
man weiß nur nicht, auf welche Frage. Auf jeden Fall ist die Beschäftigung
mit Musik eine Form der Erkenntnis
- nur Unverständige lachen über diesen Satz.

Hallo Gomez,
wie wunderschön formuliert!!!


Das ist weiter kein Wunder - ist ja schließlich auch von mir.

gruß

stephan
 
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Auf jeden Fall ist die Beschäftigung
mit Musik eine Form der Erkenntnis - nur Unverständige lachen über diesen Satz.

Es soll Leute geben, die nicht an Qualia glauben und trotzdem nicht unverständig sind... Oder welcher Art soll diese Erkenntnis etwa sonst sein?
 
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Das ist weiter kein Wunder - ist ja schließlich auch von mir.

Hai, pppetc,

ich würd's Dir ja gönnen - könnte meinetwegen auch von Dir sein,
stammt aber von Gustav Mahler.

Vielleicht gibt es dieses Gedankenbild sogar in verschiedenen,
unabhängig voneinander entstandenen Varianten.
Ich hatte es auch nur noch sehr ungenau in Erinnerung. Im Original heißt es:

Wenn ich Musik höre - auch während des Dirigierens -,
höre ich oft ganz bestimmte Antworten auf all meine Fragen
und bin vollständig klar und sicher.
Oder eigentlich, ich empfinde ganz deutlich, daß es gar keine Fragen sind.

wobei mir die Idee der präzisen Antwort auf eine unbekannte Frage besser gefällt -
manchmal spielt uns das Gedächtnis auf produktive Weise einen Streich.

Bis nachher am Telephon?

Herzliche Grüße,

Gomez
 
So sehr ich hier deiner Meinung bin, so frage ich mich auch, wie es denn dann sein kann, dass klassische Musik oft so verschieden interpretiert wird. Das bedeutet doch, dass eine musikalische Aussage oder Komposition sehr vielfältig wahrgenommen wird, jeder Interpret hat eine andere, eigene Form der Erkenntnis. Sicher hat es auch mit Prioritäten zu tun, die jeder verschieden setzt: der eine hebt bestimmte Details hervor, dem anderen geht es vorrangig um die Herausarbeitung polyphoner Strukturen oder Entwicklungen, der eine empfindet und interpretiert ein Stück dramatisch, während ein anderer das gleiche Stück eher melancholisch spielt.

liebe Chiarina,

mich wundert sehr, was Du hier schreibst - schließlich sind das ja die Zeilen eines Profis, die ich da zitiere.

Die von Dir angesprochene Vielfalt ist beileibe keine total beliebige: Chopins Traumermarsch klingt bei Gilels anders als bei Horowitz - aber keiner von beiden verzerrt den Trauermarsch: er bleibt Trauermarsch, wenn auch in hörbaren Nuancen verschieden.

Jene Musik, zu der Sancta Comptina nun mal nicht zählt, vermag nicht nur ein relativ eindeutiges Stimmungsbild zu evozieren, sondern sie bietet in diesem eine immens große Nuancen- und damit Erkenntnisvielfalt - deswegen klingt der Trauermarsch auch immer nach Trauermarsch, und das mit feinen und vertiefenden individuellen Nuancen.

Nicht anders ist es um das passionierte düstere Finale der Appassionate bestellt: sie stellt nämlich einen bestimmten Rahmen her, aber die Beleuchtungsmöglichkeiten dieses Bildes bieten interpretatorische Freiheiten - ohne diesen Rahmen zu verzerren (Verzerrungen wie radikal falsche Tempi etc. hört man sofort).

Mithin kann man nicht von einer total beliebigen Stimmungsvielfalt ausgehen, und wenn irgendwer z.B. sagen würde "also im letzten Satz von der Appassionata, da denk ich immer an eine sommerliche Blumenwiese mit ganz doll lieben Wildpferden in der Camargue", dann wird wohl nur ein Wechsel des Gesprächsgegenstands helfen... ;) :D

Genau das, was eine Appassionata oder ein Trauermarsch auf der emotionalen Ebene leisten, leistet die Schutzheilige des Belanglosen leider nicht: sie bewirkt keine in sich differenzierende melancholische oder nostalgische Stimmung, die zum ausloten ihrer immananten Nuancen (das tun Interpreten mit ihrer subjektiven Vorgenehmsweise) einlädt, sie verfügt auch über keinerlei melodische/thematische Subjektivität (da sie nur aus Floskeln, aus Klischees besteht). Auf kompositorischer Ebene sieht es nicht minder ungünstig für die Heilige des Seichten aus, was hier ja schon oft genug wiederholt nachgewiesen wurde.

Eine fade Imitation von "stimmungsvollen Charakterstücken", zusammengestückelt aus den einfachsten und harmlosesten Floskeln - lediglich das leistet die Heilige. Wer sich davon angesprochen fühlt, wer seine eigenen Gefühle und Stimmungen darin wiedergespiegelt sieht, ja vertärkt sieht - dem sei das gerne gegönnt. Und wer sich scheut, das bissle Aufwand zu betreiben, das zu ein wenig Verständnis der "Klangrede Musik" und ihrer Strukturen führt, der mag das auch gerne bleiben lassen. Nur sehe ich nicht ein, warum sich jeder, dem das genannte bissle Aufwand was gebracht hat, plötzlich auf eine vermeintlich edle und pädagogische Augenhöhe begeben sollte und obendrein das Spielchen "aber die Comptine macht Gefühle und ist soooo schön" mitspielen soll... ... Ganz im Gegenteil sollte bzgl. Musik eine der Aufgaben der Musikpädagogen sein, bei ihren Eleven Schutzmechanismen gegen das Trviale, Banale und letztlich plump Kommerzielle anzuleiern...

herzliche Grüße, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Die Erkenntnis kann keine beliebige sein, da die sog. Werktreue wichtig ist - sie kann aber im klanglichen Ergebnis trotzdem sehr verschieden sein. Bei deinen Jagdquinten und der Tafelmusik ist die Erkenntnis vermutlich bei allen Interpretationen gleich - da aber ja noch andere musikalische Parameter vorhanden sind und diese sich gegenseitig beeinflussen, sind eben doch bei verschiedenen Pianisten verschiedene klangliche Ergebnisse und Stimmungen möglich.


Hallo Rolf,

ich gebe zu, ich bin etwas erschüttert. Habe ich mich denn so missverständlich ausgedrückt?

Auf gar keinen Fall kann man von einer total beliebigen Stimmungsvielfalt sprechen - das habe ich gar nicht gemeint! Ich hatte den Ausdruck "Erkenntnis" auch nicht so verstanden. Wenn ich schreibe, dass m.M. nach jeder Interpret eine andere, eigene Form der Erkenntnis habe, ist das keinesfalls mit Beliebigkeit gleichzusetzen!

Deine gewählten Beispiele sind natürlich sehr eindeutig in ihrem musikalischen Verständnis. Aus einem Trauermarsch kann man keine Polka machen. Wenn ich aber Interpretationen Bachscher Werke vergleiche, können die durchaus sehr verschieden sein. Auch z.B. das erste Thema der g-moll- Ballade habe ich im Stimmungsgehalt schon sehr unterschiedlich gehört.

Ich verbinde den Ausdruck "Erkenntnis" mit einem musikalischen Werk, wenn dessen Interpretation neue Blickwinkel eröffnet. Natürlich muss alles im Rahmen dessen sein, was der Komponist vorgibt - das ist doch selbstverständlich!

Für mich ist z.B. die letzte Interpretation der 111 von Rudolf Serkin so eine Erkenntnis - für mich geht es da nicht mehr um Nuancen, sondern das Stück ist und klingt für mich anders und unfassbar besonders.

Was mich als Klavierlehrerin oder Musikpädagogin betrifft (beziehst du dich da auf meine Antwort zu Gomez' Post?), so hat meine Wertschätzung für meine Schüler überhaupt nichts mit einer Haltung gemein, die besagt, "die Comptine macht Gefühle und ist sooo schön". Wertschätzung hat doch nichts mit "Laissez-faire" zu tun, sondern genau im Gegenteil!!! Wenn Schüler außerdem eine intensive musikalische Arbeit gewohnt sind, erübrigt sich jeder Kampf gegen Trivialität von selbst.

Ich nehme an, ich bin selbst für das Missverständnis verantwortlich! Aber ich hoffe sehr, das jetzt aufgeklärt zu haben.

Viele Grüße

chiarina
 
ich gebe zu, ich bin etwas erschüttert. Habe ich mich denn so missverständlich ausgedrückt?

Auf gar keinen Fall kann man von einer total beliebigen Stimmungsvielfalt sprechen - das habe ich gar nicht gemeint!

hallo Chiarina,

da sind wir doch völlig einig, und so bedarf es keiner Erschütterungen.

Uneinig sind wir uns darüber, ob und welche Emotionen Comptine weckt.

Ich misstraue einem Klang-Gebräu, welches sich nur aus längst abgeleierten Floskeln und Klischees zusammensetzt, und dazu nicht mehr leistet, als den ganzen Krempel oktavversetzt zu wiederholen - ich misstraue solchen Imitationen, wenn man ihnen nachsagt, sie leisten dasselbe wie die Originale: denn dann bräuchte man die Originale nicht mehr... ;) :D

Denn im Unterschied zu den "Originalen" leisten die Imitationen eben nicht die von mir beschriebene Fülle der Nuancen im ziemlich eindeutigen Rahmen.

Darum misstraue ich auch den Gefühlen, die sich an derart durchschaubare und fade Imitationen anhängen.

herzliche Grüße, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
hallo Chiarina,


Uneinig sind wir uns darüber, ob und welche Emotionen Comptine weckt.

Ich misstraue einem Klang-Gebräu, welches sich nur aus längst abgeleierten Floskeln und Klischees zusammensetzt, und dazu nicht mehr leistet, als den ganzen Krempel oktavversetzt zu wiederholen - ich misstraue solchen Imitationen, wenn man ihnen nachsagt, sie leisten dasselbe wie die Originale: denn dann bräuchte man die Originale nicht mehr... ;) :D

Denn im Unterschied zu den "Originalen" leisten die Imitationen eben nicht die von mir beschriebene Fülle der Nuancen im ziemlich eindeutigen Rahmen.

Darum misstraue ich auch den Gefühlen, die sich an derart durchschaubare und fade Imitationen anhängen.

herzliche Grüße, Rolf

was soll Chiarina eigentlich noch alles schreiben, bis du mal verstehst was sie meint.

Bei der Beurteilung der Sancta sind wir uns doch im Wesentlichen einig.

Da wird weder bei Chiarina, noch bei dir oder bei mir grosser Unterschied sein.

aber du schreibst, dass du den Konsumenten ihre Gefühle nicht abnimmst.

Genau hier ist der Knackpunkt. Diese Gefühle, wo her auch immer und durch was sie ausgelöst werden, sind bei den Betreffenden eine Realität , die wir erstmal zur Kenntnis nehmen müssen. Ansonsten könnten wir unseren Beruf auch gleich aufgeben.

Es wird gerne auch von pppetc und Gomez darauf verwiesen, dass auf ihre Gefühle des Ekels und Abscheus auch niemand Rücksicht nähme.

Oh, heilige Einfalt! Da verlangt ihr etwas Unmögliches. Da könntet ihr ja auch mehr Respekt vor einem Kleinkind verlangen, wenn es euch aus Schabernack mit Spinat bewirft.

Der eindeutig Stärkere hat sich hier milde zu verhalten, denn nur er kennt ja die Zusammenhänge oder sollte sie kennen, warum so viele Menschen diesen Gefühlen nachgeben.

Rolf möchte ja erst handeln, wenn massenhaft Schulen geschlossen werden und dergleichen.

Das ist schade, denn ein immer wieder gutes Sprichwort sagt:"Wehret den Anfängen"-
Wenn es so weit gekommen ist wird wahrscheinlich der Handlungspsielraum für das Individuum sehr eingeschränkt sein. Nein- man muss das Unheil bekämpfen, solange es noch schläft.
 
Liebe Chiarina!

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort,
die mir tatsächlich hilft, Dich besser zu verstehen.

Ich bin halt Klavierlehrerin und es ist mir ein ganz wichtiges Anliegen,
meinen Schülern auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen sehr wertschätzend gegenüberzutreten.
Diese Haltung versuche ich auch im übrigen Leben einzunehmen. Ich bin sehr an Menschen interessiert,
an Gründen für ihr Handeln, an den verschiedenen Wegen, die sie gehen, an den verschiedenen Lebensweisen...
Mich interessiert immer das Warum, das Woher. Ich glaube, dass Menschen manchmal seltsame Dinge tun,
die für sie aber wichtig sind, um den für sie richtigen Weg zu erkennen und zu finden.

Was Du sagst, hört sich seelsorgerlich an. Das meine ich ganz unironisch.
Deine Haltung anderen Menschen gegenüber ist mir sympathisch.
Du wirst vielleicht lachen - ich halte es genauso.

Deine Formulierungen erinnern an den Apostel Paulus, der von sich schreibt,
er sei den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche und den Römern ein Römer.
Begegnung auf Augenhöhe, Wertschätzung, Verständnisbereitschaft für die Motive
meines Gegenübers verlangen aber nicht, daß ich den Tiersen-Fans ein Tiersen-Fan sein muß.
Ich kann aus Rücksichtnahme meine Überzeugung unausgesprochen bleiben lassen,
aber niemand darf von mir verlangen, sie über Bord zu werfen und mich zu verleugnen.

Außerdem sind Nächstenliebe und Toleranz nicht dasselbe. Bei aller Verständnisbereitschaft
für die Motive Deines Gegenübers gibt es Situationen, in denen es sträflich wäre,
wenn Du Menschen ungehindert "seltsame Dinge tun läßt, die für sie aber wichtig sind,
um den für sie richtigen Weg zu erkennen und zu finden".
Für randalierende Hooligans und herumpöbelnde Neo-Nazis gilt das so wenig
wie für Kinder, die bei Rot über den Zebrastreifen rennen möchten.
Jeder von uns hat seine individuelle Schmerzgrenze, ab deren Überschreitung
er sich zum Eingreifen verpflichtet fühlt.

Würdest Du mal ein Experiment wagen? Wenn die Situation es erlaubt,
sprichst Du mit einem Deiner Klavierschüler - über die "Comptine".
Das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind. Du spielst ihm etwas vor,
eines der "Lyrischen Stücke" von Grieg, Ravels "Pavane pour une infante défunte"
oder das zweite der "Mouvements perpétuels" von Poulenc - wird ihm bestimmt gefallen.
Laß ihn den Unterschied zur "Comptine" in Worte fassen. Er wird - egal in welcher Formulierung -
feststellen, daß die anderen Stücke vielgestaltiger sind, und auf die Idee kommen,
daß Vielgestaltigkeit und Ausdrucksreichtum zusammenhängen.

Statt ihm mit Empathie und Toleranz einen Lernprozeß vorzuenthalten,
könntest Du ihn dazu bringen, daß er etwas erkennt und daß Erkenntnis
Glücksgefühle beschert. Das wäre praktizierte Nächstenliebe.
Natürlich ist das unpopulär. Ich kann mir schon das Gezeter vorstellen,
das gleich wieder einsetzt: "Erziehungsdiktatur... Geschmacksfaschismus...
Laß ihn doch, wenn er nich will..." So argumentiert geistige Bequemlichkeit,
Trägheit - als Fürsorglichkeit getarnt.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
was soll Chiarina eigentlich noch alles schreiben, bis du mal verstehst was sie meint.

Bei der Beurteilung der Sancta sind wir uns doch im Wesentlichen einig.

Da wird weder bei Chiarina, noch bei dir oder bei mir grosser Unterschied sein.

aber du schreibst, dass du den Konsumenten ihre Gefühle nicht abnimmst.

Genau hier ist der Knackpunkt.

nö,

da sehe ich einen anderen Knackpunkt, nämlich dass ich nirgends geschrieben habe, dass ich den Komsumenten ihre Gefühle nicht abnehme, siehe:
Zitat von rolf:
Eine fade Imitation von "stimmungsvollen Charakterstücken", zusammengestückelt aus den einfachsten und harmlosesten Floskeln - lediglich das leistet die Heilige. Wer sich davon angesprochen fühlt, wer seine eigenen Gefühle und Stimmungen darin wiedergespiegelt sieht, ja vertärkt sieht - dem sei das gerne gegönnt. Und wer sich scheut, das bissle Aufwand zu betreiben, das zu ein wenig Verständnis der "Klangrede Musik" und ihrer Strukturen führt, der mag das auch gerne bleiben lassen. Nur sehe ich nicht ein, warum sich jeder, dem das genannte bissle Aufwand was gebracht hat, plötzlich auf eine vermeintlich edle und pädagogische Augenhöhe begeben sollte und obendrein das Spielchen "aber die Comptine macht Gefühle und ist soooo schön" mitspielen soll... ... Ganz im Gegenteil sollte bzgl. Musik eine der Aufgaben der Musikpädagogen sein, bei ihren Eleven Schutzmechanismen gegen das Trviale, Banale und letztlich plump Kommerzielle anzuleiern...
und
Zitat von rolf:
Uneinig sind wir uns darüber, ob und welche Emotionen Comptine weckt.

Ich misstraue einem Klang-Gebräu, welches sich nur aus längst abgeleierten Floskeln und Klischees zusammensetzt, und dazu nicht mehr leistet, als den ganzen Krempel oktavversetzt zu wiederholen - ich misstraue solchen Imitationen, wenn man ihnen nachsagt, sie leisten dasselbe wie die Originale: denn dann bräuchte man die Originale nicht mehr...

Denn im Unterschied zu den "Originalen" leisten die Imitationen eben nicht die von mir beschriebene Fülle der Nuancen im ziemlich eindeutigen Rahmen.

Darum misstraue ich auch den Gefühlen, die sich an derart durchschaubare und fade Imitationen anhängen.

...du fragst mich, wann ich endlich die Beiträge anderer Teilnehmer - in diesem Fall einer Teilnehmerin - begreife? ist ja rührend...

lieber klavigen:
wenn Du mich schon mit der Macht Deiner Worte beharken möchtest - wäre es zu viel verlangt, das ein wenig geschickter zu versuchen?

und ja, erst wenn bei gesetzlich vorgegebener Schulpflicht alle Schulen interessanterweise geschlossen werden und zugleich die nun analphabetischen Massen zur wieder lateinischen Messe getrieben werden, erst wenn sich Deine Verdummungsverschwörung real manifestiert hat - - - erst dann erhebe ich mich aus dem Lotterpfuhl des Amüsements und rufe pathetisch: folget dem Messias - dir! :D :D :D

herzliche Grüße, Rolf
 
Würdest Du mal ein Experiment wagen? Wenn die Situation es erlaubt,
sprichst Du mit einem Deiner Klavierschüler - über die "Comptine".
Das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind. Du spielst ihm etwas vor,
eines der "Lyrischen Stücke" von Grieg, Ravels "Pavane pour une infante défunte"
oder das zweite der "Mouvements perpétuels" von Poulenc - wird ihm bestimmt gefallen.
Laß ihn den Unterschied zur "Comptine" in Worte fassen. Er wird - egal in welcher Formulierung -
feststellen, daß die anderen Stücke vielgestaltiger sind, und auf die Idee kommen,
daß Vielgestaltigkeit und Ausdrucksreichtum zusammenhängen.

Statt ihm mit Empathie und Toleranz einen Lernprozeß vorzuenthalten,
könntest Du ihn dazu bringen, daß er etwas erkennt und daß Erkenntnis
Glücksgefühle beschert. Das wäre praktizierte Nächstenliebe
.
Natürlich ist das unpopulär. Ich kann mir schon das Gezeter vorstellen,
das gleich wieder einsetzt: "Erziehungsdiktatur... Geschmacksfaschismus...
Laß ihn doch, wenn er nich will..." So argumentiert geistige Bequemlichkeit,
Trägheit - als Fürsorglichkeit getarnt.
Zitat von rolf:
Ganz im Gegenteil sollte bzgl. Musik eine der Aufgaben der Musikpädagogen sein, bei ihren Eleven Schutzmechanismen gegen das Trviale, Banale und letztlich plump Kommerzielle anzuleiern...

herzliche Grüße, Rolf
 
da sind wir doch völlig einig, und so bedarf es keiner Erschütterungen.

Uneinig sind wir uns darüber, ob und welche Emotionen Comptine weckt.


Hallo Rolf,

ach sooo ....! Na, da bin ich aber erleichtert :D .


ich misstraue solchen Imitationen, wenn man ihnen nachsagt, sie leisten dasselbe wie die Originale: denn dann bräuchte man die Originale nicht mehr... ;) :D

Denn im Unterschied zu den "Originalen" leisten die Imitationen eben nicht die von mir beschriebene Fülle der Nuancen im ziemlich eindeutigen Rahmen.

Darum misstraue ich auch den Gefühlen, die sich an derart durchschaubare und fade Imitationen anhängen.


Ich kann dein Misstrauen absolut verstehen. Ich habe auch gar nichts dagegen. Nur teile ich es eben nicht und ich befürchte, da lässt sich gar nichts machen :p .

Meine Mutter hat sich immer zu meinem völligen Unverständnis im Fernsehen diese Rosamunde-Pilcher-Filme oder Traumschiff-Episoden angesehen. Ich habe ihre Vorliebe nicht geteilt, aber warum sollte ich nicht ihren Gefühlen trauen, die sie beim Ansehen dieser Filme hatte. Wegen dieser m.M.n. absolut authentischen Gefühle schaut sie die Filme doch!

Niemand hat hier meines Wissens behauptet, dass Stücke wie die Comptine dasselbe wie die Originale leisten. Nuancen hat sie nicht, das ist doch wohl klar, oder nicht? Aber gerade das Fehlen dieser Nuancen polarisiert anscheinend - die einen finden es unerträglich und öde, die anderen können sich (nur eine Vermutung!) vielleicht gerade durch das Fehlen der Nuancen etc. von einer Stimmung einfangen lassen, die nur diese Stimmung zum Zweck hat und sonst nichts.

Leuten, die gerade mit Genuss in einen Burger beißen, spreche ich ja auch nicht ihre momentane Sinnesfreude oder ihre Genuss- und Geschmacksfähigkeiten ab. Nur wenn solch ein Essverhalten die Regel ist, könnte es Probleme geben .... .

Ich misstraue also Gefühlen nicht, die durch solche Stücke u.ä. hervorgerufen werden. Es wäre aber sehr schön, wenn man den Menschen und gerade auch denjenigen, die keinen Zugang zu klassischer Musik haben. zeigen könnte, was musikalisch so alles möglich ist.

Viele Grüße

chiarina
 
Liebe Chiarina!

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort,
die mir tatsächlich hilft, Dich besser zu verstehen.



Was Du sagst, hört sich seelsorgerlich an. Das meine ich ganz unironisch.
Deine Haltung anderen Menschen gegenüber ist mir sympathisch.
Du wirst vielleicht lachen - ich halte es genauso.

Deine Formulierungen erinnern an den Apostel Paulus, der von sich schreibt,
er sei den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche und den Römern ein Römer.
Begegnung auf Augenhöhe, Wertschätzung, Verständnisbereitschaft für die Motive
meines Gegenübers verlangen aber nicht, daß ich den Tiersen-Fans ein Tiersen-Fan sein muß.
Ich kann aus Rücksichtnahme meine Überzeugung unausgesprochen bleiben lassen,
aber niemand darf von mir verlangen, sie über Bord zu werfen und mich zu verleugnen.

Außerdem sind Nächstenliebe und Toleranz nicht dasselbe. Bei aller Verständnisbereitschaft
für die Motive Deines Gegenübers gibt es Situationen, in denen es sträflich wäre,
wenn Du Menschen ungehindert "seltsame Dinge tun läßt, die für sie aber wichtig sind,
um den für sie richtigen Weg zu erkennen und zu finden".
Für randalierende Hooligans und herumpöbelnde Neo-Nazis gilt das so wenig
wie für Kinder, die bei Rot über den Zebrastreifen rennen möchten.
Jeder von uns hat seine individuelle Schmerzgrenze, ab deren Überschreitung
er sich zum Eingreifen verpflichtet fühlt.

Würdest Du mal ein Experiment wagen? Wenn die Situation es erlaubt,
sprichst Du mit einem Deiner Klavierschüler - über die "Comptine".
Das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind. Du spielst ihm etwas vor,
eines der "Lyrischen Stücke" von Grieg, Ravels "Pavane pour une infante défunte"
oder das zweite der "Mouvements perpétuels" von Poulenc - wird ihm bestimmt gefallen.
Laß ihn den Unterschied zur "Comptine" in Worte fassen. Er wird - egal in welcher Formulierung -
feststellen, daß die anderen Stücke vielgestaltiger sind, und auf die Idee kommen,
daß Vielgestaltigkeit und Ausdrucksreichtum zusammenhängen.

Statt ihm mit Empathie und Toleranz einen Lernprozeß vorzuenthalten,
könntest Du ihn dazu bringen, daß er etwas erkennt und daß Erkenntnis
Glücksgefühle beschert. Das wäre praktizierte Nächstenliebe.
Natürlich ist das unpopulär. Ich kann mir schon das Gezeter vorstellen,
das gleich wieder einsetzt: "Erziehungsdiktatur... Geschmacksfaschismus...
Laß ihn doch, wenn er nich will..." So argumentiert geistige Bequemlichkeit,
Trägheit - als Fürsorglichkeit getarnt.

Herzliche Grüße,

Gomez

.




Was mich als Klavierlehrerin oder Musikpädagogin betrifft (beziehst du dich da auf meine Antwort zu Gomez' Post?), so hat meine Wertschätzung für meine Schüler überhaupt nichts mit einer Haltung gemein, die besagt, "die Comptine macht Gefühle und ist sooo schön". Wertschätzung hat doch nichts mit "Laissez-faire" zu tun, sondern genau im Gegenteil!!! Wenn Schüler außerdem eine intensive musikalische Arbeit gewohnt sind, erübrigt sich jeder Kampf gegen Trivialität von selbst.



Hallo Gomez,

vielen Dank für deine Rückmeldung!

Allerdings sehe ich das ganz anders als du :) !

Für mich hat Wertschätzung nichts, aber auch gar nichts mit einem Aufgeben der eigenen Ziele, Werte, Ideale, Meinungen, Interessen zu tun!!!

Im Gegenteil, ich schätze mich genauso wert wie den Schüler und nicht nur da. Eine gegenseitige Wertschätzung ist für mich eine absolute Grundlage für Auseinandersetzung, für didaktische und methodische Arbeit!

Selbstverständlich habe ich ein sehr großes Interesse an der gesamten Entwicklung meiner Schüler - das gilt für den musikalischen wie für den persönlichen Bereich. Übrigens ist immer wieder interessant, wie im Klavierunterricht beides zusammenfließt: in Nullkommanix ist man bei der Persönlichkeit des Schülers angelangt, wenn es um Lern-, Arbeitsverhalten, um Facettenreichtum der Interpretation geht.

Ich nehme mich also genau so wichtig wie den Schüler - wie soll denn sonst eine befriedigende Arbeit möglich sein. Wertschätzung ist keinesfalls mit Weichgespültheit zu verwechseln!!! Einfühlungsvermögen nicht mit Verhätschelung!!!

Indem ich den Schüler so annehme, wie er ist, kann ich ihm eine Menge zumuten. Er vertraut mir, weil er spürt, dass mir an ihm etwas gelegen ist. Mein Anliegen ist es, aus den Schülern so viel wie möglich herauszuhölen. Das geschieht am besten durch Selbsterfahrung. Was ich selbst erfahre und tue, ist ein ganz anderer Erkenntnisgewinn als wenn ich etwas gesagt bekomme. Das heißt aber nicht, dass ich den Schülern keine klaren Anleitungen gebe. Ich bin m.M.n. sogar sehr klar. Aber man sollte immer dem Entdeckungswillen der Schüler so viel Raum wie möglich geben.

Bzgl. der Comptine, von der ich, wie gesagt, sowieso erst vor 6 Wochen zum ersten Mal gehört habe, als eine Schülerin die Noten mit in den Unterricht brachte, heißt das für mich, erst mal machen lassen. Meine Schüler sind intensive musikalische Arbeit gewohnt - da kann man schon auf eine gewisse musikalische Vorbildung vertrauen. Und siehe da, die Schülerin ist ganz von selbst auf die Idee gekommen, dass dieses Stück nicht mit Chopin etc. mithalten kann. Deswegen glaube ich, dass die beste Vorbeugung eine gute Entwicklung des Gehörs und eine intensive musikalische Arbeit an den Nuancen, Klangschichten, Entwicklungen etc. einer Komposition sind.

Viele Grüße

chiarina
 

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