Während die Krise sich verschärft, wird teilweise unüberlegt gelockert.
Tja, erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Die ansteigenden Fallzahlen führten auch bei meinen Chören zur Entscheidung, seit dieser Woche die Probentätigkeit erneut bis auf weiteres einzustellen, obwohl alle Bestimmungen und Vorgaben stets eingehalten wurden und in unseren Reihen keine Infektionen aufgetreten sind. Alle bemühen sich krampfhaft, das Wort "Lockdown" nicht in den Mund zu nehmen, obwohl es über Nacht wieder ein solcher geworden ist.
Um den Monatswechsel herum steht die Produktion einer Weihnachts-CD mit meinem Shantychor an. Warum diese wohl zustande kommen wird? Weil dort die Instrumentalgruppe, die Solisten und die Chorsänger in mehreren Durchgängen aufgenommen werden und zu keiner Zeit mit Großbesetzung musiziert werden muss.
Heiterkeit kommt bei mir jedenfalls keine auf: an diesem Samstag und dann nochmals vierzehn Tage später hätte ich meine beiden letzten Hochzeiten in 2020 orgeln sollen - nun wurde auch der zweite Termin abgesagt. Damit nähern wir uns aus Berufsmusikersicht wieder den Verhältnissen, die wir aus der zweiten Märzhälfte kennen.
Unüberlegtes Lockern kann man den hier tätigen Kulturschaffenden mit Sicherheit nicht vorwerfen. Die mit viel Erfindungsreichtum irgendwie bei äußerster Vorsicht möglich gemachten Proben und Auftritte haben keinerlei Schäden ausgelöst und niemanden gefährdet. Vielmehr wären die Behörden gut beraten gewesen, bei türkischen und arabischen Großhochzeiten ohne Sicherheitsvorkehrungen mit hunderten von Teilnehmern und den zahlreichen Party-Exzessen mit ähnlichem Publikum mal genauer hinzuschauen, zu kontrollieren und natürlich auch nötigenfalls zu bestrafen. Diese Mischung rächt sich nun offensichtlich: die Vernünftigen werden gegängelt und ohne Ende unter Druck gesetzt und bei den Unvernünftigen wird konsequent weggeschaut - alles wird toleriert und nichts hat Konsequenzen, so als ob es dort kein Corona gäbe. Aber sämtliche Hotspots entstanden nur bei letzteren - und die ersteren werden ein weiteres Mal bestraft, indem die Kulturprojekte trotz gewährleisteter Abstände und Hygienebestimmungen wieder gekippt werden.
LG von Rheinkultur