Bewegungen der Hände/Arme

(...): Dass nicht das Armgewicht rückhaltlos in die Tasten gegeben, sondern der Arm vom Schultergelenk "frei getragen" werden muss, so dass die Finger in höchster Weise unabhängig sein sollen.
Wer hat jetzt was propagiert?

Jedenfalls scheint mir, das rückhaltlose in die Tasten Geben, unabhängig von der gegebenen Spielsituation (oder verstehe ich das falsch?), kann doch wohl nicht ernsthaft von IRGENDWEM befürwortet worden sein.
Hört sich für mich nach einer böswilligen Fehlinterpretation eines eigentlich sehr viel gemäßigteren Standpunkts an, ganz gleich von wem der nun vertreten wurde ... :o

Ist doch logisch, dass eine differenzierte Spielweise auch den differenzierten Einsatz, ein "Dosieren" des Armgewichts erfordert. Wobei es für mein Gefühl, bei meinem bescheidenen Können, tatsächlich so ist, dass mit zunehmender Belastung der Finger durch mehr oder weniger kontinuierlich auflastendes Gewicht die "Agilität" der Finger etwas eingeschränkt ist -- kann's überhaupt anders sein?


Grüße

Bernd
 
Die Feststellung, daß der Arm vom Schultergelenk "getragen" wird, hat ja schon was Komödiantisches an sich :p

Das ist grad so, als würde man sagen, ein Hausdach wird vom Haus getragen. Wer hätte das gedacht :p

Der Arm hängt nun mal an der Schulter, da bleibt ihm garnichts anderes übrig, als hängen zu bleiben - außer er fällt ab, was wieder weniger wünschenswert wäre.

Allerdings wird der Unterarm von den Oberarmmuskeln in der Waagrechte gehalten. Hier kann man wirklich von tragen im Sinne von "etwas festhalten" reden.

Haydnspaß
 
Habe ich mich da etwas umständlich ausgedrückt? Breithaupt & Co. sollen das wohl so darstellen im Unterschied zur ursprünglichen Lehre Deppes.

Zitat von Haydnspaß:
Die Feststellung, daß der Arm vom Schultergelenk "getragen" wird, hat ja schon was Komödiantisches an sich :razz:
So selbstverständlich ist das nach Meinung der Autorinnen auch, aber es scheint in den angegriffenen Werken eben anders behauptet worden zu sein.

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Der Arm hängt nun mal an der Schulter, da bleibt ihm garnichts anderes übrig, als hängen zu bleiben - außer er fällt ab, was wieder weniger wünschenswert wäre.
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Hier machst du dir's mit deinem Hang zum Komödiantischen allerdings doch etwas einfach: Es ist schon ein Unterschied, ob man vorschreibt, sämtliche Schultermuskulatur zu entspannen und der Arm nur noch von den passiven Gelenksanteilen bzw. der Tastatur aufgefangen wird oder ob man den Arm durch die entsprechenden aktiven Anteile (und nicht nur die für den UA) in einer leichten Schwebe hält.
 
Ja, aber das nach Deppe angestrebte "Tragen der Arme von Schultergürtel" aus (...)
Also ich muss zugeben, immer noch nicht 100%ig sicher zu sein, wer nun genau was befürwortet hat.

Am eindeutigsten klingt für mich die oben zitierte Stelle. Demnach meinen Deppe/Caland, der Arm solle grundsätzlich "frei" "getragen" werden (?). Und wie kommt dann irgendeine Form des Gewichtsspiels zum Einsatz, ohne dass dies Tragen proportional zum wirksam werdenden Gewicht vermindert wird? Wenn es wirklich so gemeint ist -- Gewichtsspiel OHNE diese Verringerung --, kann ich es mir nicht vorstellen.

Umgekehrt ergibt für mich auch die Aussage, das Armgewicht solle permanent "rückhaltlos" auf die Tasten gegeben werden, keinen großen Sinn, da nach meinem (derzeitigen) Verständnis damit keine differenzierte, nuancierte Spielweise möglich wäre.

Deshalb neige ich zu der Vermutung, eigentlich gehe es bei beiden Lehrmeinungen doch "nur" darum, welcher Aspekt der Technik der "Leitgedanke" ist und bei der Ausführung im Vordergrund zu stehen hat.

Anscheinend müsste man die betreffenden Bücher doch erst (alle!) selbst lesen, um halbwegs nachvollziehen zu können, was gemeint ist.
Bloß wäre dadurch immer noch nicht geklärt, wer nun "im Recht" ist ... :rolleyes:


Grüße

Bernd
 
Die Bücher zu lesen wäre natürlich schon sehr nett von dir, damit ich nicht mehr der einzige Spinner bin, der ständig darauf rumreitet; aber letztendlich wirst du wohl auch in etwa so ratlos zurückbleiben wie ich.

Deshalb soll Keyla ja in Halle anfangen ;): Dort (und in Hamburg) hat die Roth gewirkt, und der Institutsdirektor, Prof. Dr. Marco Antonio Marco de Almeida, (Pianist, Mediziner und Mitglied der "Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikmedizin") hat eine Einführung dazu geschrieben. Man müsste das Ganze mal am eigenen Leibe erfahren oder zumindest Antworten aus berufenerem Munde zu hören bekommen.
 
Hier machst du dir's mit deinem Hang zum Komödiantischen allerdings doch etwas einfach: Es ist schon ein Unterschied, ob man vorschreibt, sämtliche Schultermuskulatur zu entspannen und der Arm nur noch von den passiven Gelenksanteilen bzw. der Tastatur aufgefangen wird oder ob man den Arm durch die entsprechenden aktiven Anteile (und nicht nur die für den UA) in einer leichten Schwebe hält.


Auch wenn ich mich manchmal etwas flapsig ausdrücke - ich meine es todernst.

Der Arm hängt an der Schulter - ob das nun in irgendeine Theorie paßt oder nicht. Man kann die Schulter natürlich anspannen - also hochziehen - aber das wirkt sich nur auf die Beweglichkeit des Arms aus (die wird nämlich blockiert), nicht auf das Gewicht. Wenn man das Gewicht von den Tasten wegnehmen will sind dafür die Muskeln des Oberarms zuständig, die können nämlich den Winkel des UA zum OA verändern und dadurch den Unterarm hochheben und somit das Gewicht des UA, um das geht es hier, verringern.

Alles andere ist Esoterik. Die Gesetze der Physik, hier insbesondere der Schwerkraft und der Trägheitskraft, sind nun mal so.

Sorry für den ernsten Ton, ich hätt's auch viel lieber lustig erklärt, aber dann nimmt man mich ja anscheinend nicht ernst ;)

Haydnspaß
 
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Der Arm hängt an der Schulter ...
Wenn man das Gewicht von den Tasten wegnehmen will sind dafür die Muskeln des Oberarms zuständig, die können nämlich den Winkel des UA zum OA verändern und dadurch den Unterarm hochheben und somit das Gewicht des UA, um das geht es hier, verringern....

Es ist mir zunehmend unangenehm, mich in eine Verteidigerrolle für etwas gedrängt zu sehen, dem ich selbst zwar neugierig, aber neutral bis skeptisch gegenüberstehe. Deshalb nur noch soviel: In den modernen Bewegungslehren wird schon längst nicht mehr nur die am bewegten Gelenk direkt angreifende Muskulatur betrachtet, sondern immer ganze Muskelketten, die durchaus diagonal den ganzen Körper weitab vom Wirkort überstrecken können. Außerdem wird jenseits schlichter Muskel-Knochen-Mechanik eine weitaus höhere Komplexität betrachtet, die durch "passive" Bindegewebe und neurale Strukturen in diesen Bewegungen zum Zuge kommt.

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Alles andere ist Esoterik. Die Gesetze der Physik, hier insbesondere der Schwerkraft und der Trägheitskraft, sind nun mal so.
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Sorry für den ernsten Ton, ich hätt's auch viel lieber lustig erklärt ...

Schon ok, war doch lustig genug. Aus der Sicht eines Newtonianers mag auch die Quantenphysik esoterisch anmuten. Aber was bitte ist "Trägheitskraft"?
 
Schon ok, war doch lustig genug. Aus der Sicht eines Newtonianers mag auch die Quantenphysik esoterisch anmuten. Aber was bitte ist "Trägheitskraft"?

http://de.wikipedia.org/wiki/Trägheitskraft

Zur Quantenphysik: wie der Name schon sagt bezieht sich diese auf das physikalische Verhalten von winzigsten Teilen von Atomen, aber nicht auf Dinge, die man in Gramm oder Kilogramm wiegen kann.

Und erzähl jetzt bitte nichts über Homöopathie oder Schmetterlinge, die von Europa aus das Wetter in Asien beeinflussen... ;)
 
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Sehr interessant, aber wann spiele ich schon mal im Nicht-Inertialsystem Klavier. Ob sich die Quantenphysik mit winzigen Atomen oder herabhängenden Schultern beschäftigt, spielt eigentlich keine Rolle. Es ging nur um eine Analogie zu überholten Wissenssystemen. Denen kannst du meinetwegen auch Pseudowissenschaften wie Homoöpathie und Modetheorien wie die um den Chaos-Schmetterling gerne zuschlagen.
 
Irgendeine Polarisierung zwischen einer Schule, die das reine Fingerspiel proklamiert, und einer, die das reine Armspiel proklamiert, wäre immer nur Ausdruck des Mißverständnisses. Die Frage ist doch nicht, ob man NUR mit Armbewegegungen oder NUR mit Fingertechnik spielen sollte; die Frage ist auch nicht, ob man dauernd mit Armgewicht oder nie mit Armgewicht spielen sollte; die Frage ist lediglich, wann sich zu dem unverzichtbaren Fingerspiel Armbewegungen hinzugesellen sollen, manches vielleicht auch nur aus dem Arm gespielt werden kann, manches mit wenig bis gar keinem, manches vornehmlich mit Armgewicht.
Beispielsweise ist es offensichtlich, daß man einen vier-, fünfstimmigen Akkord in einer Hand nicht mit reinen Fingerbewegungen anschlagen kann -- das Ergebnis wäre einigermaßen kläglich. Ebenso offensichtlich aber ist, daß man in schnellen Läufen aus Einzeltönen nicht jeden mit einer Armbewegung hervorbringen kann, weswegen nicht selten die allmähliche Temposteigerung beim Üben solcher Stellen scheitert, denn nicht selten übt jemand schnelle Stellen in langsamen Tempo falsch, indem sich in jeden einzelnen Anschlag viel zu viel Armgewicht mischt, um je ein angemessenes Tempo erreichen zu können -- er übt im langsamen Tempo etwas anderes, als er im schnellen braucht. Das Üben von Geläufigkeit unter Ausschaltung jeglichen Armgewichts ist darum durchaus sinnvoll und unabdingbar, und das Üben des Fingerspiels hat deswegen zwingend mehr Zeit in Anspruch zu nehmen als das Üben von Armbewegungen.
Eines von beiden aber grundsätzlich ausschließen zu wollen, ist dogmatischer Unsinn. Es gibt keine "verbotenen" Bewegungen, es gibt nur zweckmäßige und unzweckmäßige, und was an einer Stelle zweckmäßig ist, kann an anderer höchst unzweckmäßig sein. Um das detailliert zu erläutern, müßte man allerdings eine ziemlich lange Abhandlung schreiben, aber das wäre überflüssig, da es darüber bereits Bücher gibt. Zwei der besten scheinen mir Josef Gats "Die Technik des Klavierspiels" und Ceslaw Mareks "Lehre des Klavierspiels" zu sein. Bei erstem darf man sich von manchmal etwas gewöhnungsbedürftiger Terminologie nicht abschrecken lassen ("direkter Anschlagsschwung" für das Armspiel, "indirekter" für das Fingerspiel), bei zweitem nicht von dem drögen, erbsenzählerischen Stil und der alles in Gesetze fassender und alles skalierender Systematisierung. In beiden ist SOWOHL ALS AUCH von Finger- wie von Armspiel ausgiebig die Rede und das überaus lehrreich, auch wenn man hin und wieder auf Details stößt, mit denen man vielleicht nicht einverstanden ist.
Im übrigen verschweigt jede "Methode" einen wesentlichen Aspekt: Daß das Geheimnis sehr guten Spiels nicht in irgendeiner Art von einstudierter Bewegung liegt, sondern in musikalischer Auffassungsgabe, deren Mangel durch Bewegungslehre nicht zu kompensieren ist.

Daß der Arm grundsätzlich an der Schulter "hänge", wie Haydnspaß meint, halte ich für falsch. Erstens kompensiert man das Armgewicht nicht nur durch Heben, Halten des Unterarms und der Veränderung des Winkels zwischen Ober- und Unterarm, sondern genauso gut durch Änderung des Winkels zwischen Oberarm und Schulter, bzw. Oberarm und Rumpf. Und zweitens bedeutet "Gewichtsspiel" keineswegs nur den Einsatz des Unterarmgewichts, sondern des Gewichts des ganzen Arms, schließlich "hängt" der Oberarm nicht lotrecht, denn dann würden die Ellbogen ziemlich nachteilig an den Rippen kleben. Der Oberarm wird tatsächlich aus der Schulter getragen, was schon deswegen völlig einsichtig ist, weil man den Ellbogen nach vorn wie zur Seite bewegen können muß, jedenfalls kann man den Oberarm nicht hängen lassen und gleichzeitig die Randlagen, also rechts den höchsten Diskant, links den tiefsten Baß erreichen. Und der Anschlagsschwung aus dem Arm ist in den meisten Fällen eine Bewegung aus der Schulter, also des ganzen Arms, an der die nachfolgenden Gelenke beteiligt sind, indem sie das plumpe Fallenlassen des Arms abfedern: Der Ellbogen federt nach dem Rückstoß des Anschlags ein wenig auswärts (der Oberarm hängt eben nicht mehr, sondern wird durch Muskelkraft getragen), das Handgelenk federt nach kurzer Abwärtsbewegung leicht nach oben (der Unterarm wird aus dem Ellbogen getragen), und das Ganze geschieht gleichzeitig in einer einzigen Bewegung des ganzen Arms, die etwas von einem Rotations-Ellipsoid hat. Das nennt Marek einen "Tiefschwung". Möglich ist auch der "Hochschwung", der eine plötzliche Streckbewegung des ganzen Armes bedeutet, so als wollte man gegen den Klavierdeckel boxen; auch daran ist natürlich der Oberarm beteiligt, denn man kann wohl schlecht nur den Unterarm strecken. Ebenfalls möglich aber ist natürlich, mit reinem Unterarmgewicht und reiner Unterarmbewegung anzuschlagen, was meist aber nur bei Forte-Oktaven zu gebrauchen ist.
Der Witz des Armspiels liegt darin, daß man den ganzen Arm einsetzt, ohne daß die Finger zwischen den Anschlägen den Tastenkontakt verlieren; vor allem aber darin, daß immer nur für die kurze Dauer der Tastenbeschleunigung tatsächlich Armgewicht auf den Tasten lastet und dieses durch eine zweckmäßige Bewegung aller Gelenke sofort wieder kompensiert wird (oder während einer Gruppe nachfolgender Töne allmählich kompensiert wird); beides geht nicht ohne Bewegungen aus der Schulter und ohne "Tragen" des Arms aus der Schulter, mit reinem Hängenlassen ist das nicht zu machen.

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Es ist mir zunehmend unangenehm, mich in eine Verteidigerrolle für etwas gedrängt zu sehen, dem ich selbst zwar neugierig, aber neutral bis skeptisch gegenüberstehe.
Zur Klarstellung: meinerseits ist das völlig klar, dass Du hier lediglich als Vermittler der zur Diskussion stehenden Standpunkte Deppes/Calands (bzw. Roths) fungierst, nicht aber deren Partei ergriffen hast. Was ich dazu gesagt habe, bezieht sich also allein auf den Sachverhalt und nicht auf Deine Person, auch wenn es mitunter anders scheinen mag -- es ist bei solchen Gelegenheiten oft schwer, solche Unterscheidungen stets deutlich zu halten ...

Was die gerade diskutierte Frage nach der Rolle von Schulter/Arm betrifft, teile ich die Kritik an Haydnspaßes Aussagen.
Oder ein wenig anders formuliert: Mir persönlich erscheinen die detaillierten Betrachtungen, wie sie in den angesprochenen Büchern/Schriften ausgebreitet sind, auch ziemlich interessant. Selbst wenn derzeit nicht ganz klar ist, wo überhaupt im Einzelnen die Differenzen zwischen "gegensätzlichen" Denkschulen liegen, verhilft mir das Nachdenken darüber zu neuen Ansätzen, wie ich Stücke/Passagen zu üben versuchen kann.

Allerdings habe ich zunehmend den Eindruck, dass eben längst nicht alle Klavierlehrer mit dieser theoretisch-analytischen Herangehensweise etwas anfangen können.
Das ist auch vollkommen in Ordnung, solange der Großteil der Schüler mit einer Kombination aus "ungefähr richtigen" Andeutungen und praktischer Vorführung gut vorangebracht werden können.

Vom Rest, der so nicht besonders gut vorankommt, gilt dann aber möglicherweise ein Teil zu Unrecht als "unbegabt" ... :rolleyes:

PS.: Die Zurückhaltung mancher Kenner und Könner in Foren kann natürlich auch ohne weiteres damit zu tun haben, dass sich die oftmals komplizierten Bewegungsabläufe, um die es hier geht, nur unzureichend rein sprachlich behandeln lassen.


Grüße

Bernd
 

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