Bach & seine Orgelwelt

Ich erinnere mich an ein Zugabe von Käte van Tricht ca. 1978 auf einer derartigen Orgel:
die 'epidemische' Toccata und Fuge von Bach, gekonnt registriert mit der Walze.:super::-D


Ah, das ist natürlich eine ganz andere Nummer. Käte van Tricht war eine unglaubliche Spielerin. Ihre Bach-Aufnahme nach der Straube Ausgabe ist hinreißend. Das ist ja ganz bewusst als Dokument einer untergegangenen Epoche gedacht und noch mal völlig anders als Richter, der konsequent alle musikwissenschaftlichen Erkenntnisse ignorierte.

Schöne Grüße
Axel
 
Nur hab ich wieder Probleme mit der Artikulation... viel zu abgehackt, wie ein Auto, dass ständig über Holpersteine fährt. Und mir fehlt ein wenig die Registeränderung, diese Version ist mir ein wenig zu flach.

Den Teil ab: 7:14 finde ich allerdings hervorragend!

Darf ich fragen, wieso Bach kein legato wünschte?

Natürlich. Ich denke, das ist kein persönlicher Wunsch von Bach, sondern eine Spielkonvention dieser Zeit. Es geht eben nicht wie in der Romantik um die große melodische Linie, das ist eine andere Ästhetik. Es gilt das Prinzip des Akzentstufentaktes. Wenn eine Note im nonlegato aus der Zeit besteht, in der sie klingt und aus der Zeit in der quasi eine Pause entsteht, kann ich durch das Verhältnis von Klang und Pause der Note ein Gewicht beimessen, der 1 im Takt immer mehr als den anderen. Da würde ich jetzt hoffen, dass Dein Lehrer das erklärt und vorgemacht hat. Die Akzentuierung schwerer und leichter Taktzeiten macht den "Swing" barocker Musik aus. Da sind sich fast alle Quellen aus dieser Zeit einig. Abgesehen davon lassen histotrische Fingersätze kein durchgängiges legato zu. Die Mode änderte sich in der Klassik. Beethoven schreibt über Mozart, er habe ein feines, aber zerhacktes Klavierspiel gehabt.

Schönes Grüße
Axel
 
Danke für den Link, hab mir die PDF-Version runtergeladen und werd sie mir in den kommenden Tagen zur Gemüte ziehen - sind ja doch ein paar Seiten.

Ich bin einiges bereit zu lernen, versteh mich da bitte nicht falsch! Aber ich möchte mir auch nicht vorschreiben lassen, was ich als schön und nicht schön zu empfinden habe. Weißte wie ich meine? :-)

Dann wirst du wahrscheinlich auch mit "modernen Theateraufführungen" nicht all zu viel anfangen können, oder?



Liebe Grüße,



Nö, solange die moderne Theateraufführung nicht deutlich gegen das Stück geht, ist das ok.

Ja, ich verstehe schon, was Du meinst. Du hängst halt an einer Ästhetik der 60er Jahre mit Richter, Walcha, Karajan & Co. Das ist heute aus guten Gründen nicht mehr state of art. Das kann Dir natürlich keiner ausreden. Und es waren zu ihrer Zeit sicher wegweisende Interpreten. Du hast gefragt, ob das der falsche Geschmack ist. Das ist immer schwer, wenn man über Geschmack streitet. Ich würde aus meiner Perspektive tatsächlich sagen, ja, falscher Geschmack. Ich weiß, das ist jetzt eine harte Aussage.

Natürlich wissen wir nicht, wie es bei Bach geklungen hat, aber gewisse Resultate kann man ausschließen.

Schöne Grüße
Axel
 
Natürlich wissen wir nicht, wie es bei Bach geklungen hat, aber gewisse Resultate kann man ausschließen.
Schon allein das Umregistrieren im Stück war zu seiner Zeit nicht angesagt, da wurde eher durchgespielt. Geht auch gar nicht, bei den grobschlächtigen Springladen aus der Zeit, da fliegt dir der Kram um die Ohren, wenn du schnell umregistrieren willst..lach..
 
Hatte Bach so viele Springladen in der Nähe? Ich würde die eher in Westfalen verorten.
Grüße Axel
 
Also ich bin in den 60-er Jahren in meiner Kindheit auch mit Platten von Richter, Karajan & Co berieselt worden. Man sollte denken, dass man diese Art der Interpretation, wie man sie in den prägenden Kinderjahren erlebt hat, für das ganze Leben mag. Ist bei mir aber anders.
Im Vergleich finde ich Richters Orgelspielweise von Bachwerken eher "pomadig". Man sitzt am besten dazu auf einem roten tiefgepolsterten Plüschsofa im Warmen. Bei Koopmans dorischer Version stelle ich mir eher einen Holzschemel vor, der in der Frühlingssonne im Freien steht. Und da sitze ich eben lieber. :-)
Davon abgesehen, das Tempo können beide nicht richtig halten (schwanken im Tempo ohne musikalische Begründung, auch Richter bei der dorischen). Insbesondere Koopman hat meiner Meinung nach ein ernstes Tempoproblem, nicht nur beim Orgelspiel, sondern auch beim Kantatendirigieren. Bei der Gesamtaufnahme von Bachs Orgelwerken finde ich aber z.B. seine Interpretationen der Triosonaten einsame Spitze.
Die Geschmäcker sind halt unterschiedlich. Für mich passt der "grindige" oder "erdige" Sound von barocken Streichinstrumenten einfach besser zur Barockmusik als der von Stahlsaiten, ebenso wie schlanke Orchester und am besten alles im Stehen (außer Tastenspieler).
Des weiteren entsteht durch die Artikulation auf die Taktschwerpunkte leicht ein tänzerischer Charakter. Bei geeigneten Stücken kann es "grooven wie Sau", und das passt für mich viel besser, als stattdessen opulent elegisch durch die Stücke "durchzuvibratieren". Koopman hat mal gesagt, egal wie man Bach spielt, man sollte es auf jeden Fall immer mit Freude tun. Die Einspielung der dorischen von Koopman drückt für mich Freude pur aus, und das tut der Musik gut, in meinen Augen.

Devasya, ich finde, man sollte jedem seinen eigenen Geschmack zubilligen und respektieren. Wenn du Richter magst, finde ich da nix verwerfliches dran. Ging mir ja früher auch so. Was ich allerdings empfehlen würde, wäre dass du dich wengistens schlau machst bzgl. historisch informierter Aufführungspraxis. Ablehnen kannst du das ja dann immer noch. Aber die Chancen stehen gut, dass man näher an den Klang und Ausdruck herankommt, der den Komponisten vorschwebte. Und damit steigen auch die Chancen, dass man der Musik selber näher kommt, finde ich jedenfalls. Ein mittlerweile zum Standardwerk avanciertes Buch ist von Jon Laukvik "Orgelschule zur historischen Aufführungspraxis". Band 1 bedient Barock und Klassik, ist leider nicht ganz billig, aber sein Geld wert, finde ich. Bach hat (natürlich) ein eigenes Kapitel bekommen.

Ich bin übrigens überzeugt, dass man auch z.B. Mozart irgendwann nicht mehr im pedaltretenden Dauerlegato auf dem Konzertflügel spielt, sondern dass es selbstverständlich wird, ihn ebenfalls non-legato zu spielen - um nur mal andere Komponisten als Beispiel zu nehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist immer schwer, wenn man über Geschmack streitet. Ich würde aus meiner Perspektive tatsächlich sagen, ja, falscher Geschmack. Ich weiß, das ist jetzt eine harte Aussage.

Ja, diese Aussage ist hart und ich verstehe sie ehrlich gesagt auch nicht. Schönheit ist für mich ein Zustand, den jeder Mensch sehr subjektiv erlebt. Ich sage ja nicht, dass Bach nicht historisch aufgeführt werden darf. Wenn Musiker für sich den Anspruch haben, sich Bach möglichst authentisch zu nähern, dann sollen sie das tun. Nur mag ich persönlich Einseitigkeit nicht. Für mich ist die Musik von Bach (und auch anderen Komponisten) nicht nur ein Handwerk, dass man „einfach nachspielen“, sondern auch eine Kunstform, an der man sich als Mensch ausprobieren kann. Man lernt dadurch nicht nur Bach, oder das Instrument, auf dem man gerade spielt, besser kennen - sondern auch sich selbst.

Es geht doch letztenendes um die Frage, ob Bach auch anders sein darf?

Ich glaube, dass wir einfach von zwei unterschiedlichen Standpunkten ausgehen: dir ist ein authentischer Bach wichtig, mir nicht. Zudem muss mir der Stil einer Epoche auch persönlich zusagen.

Dann sage ich als Konsequenz: Bach war ein hervorragender Komponist, aber die Art und Weise, wie damals im Barock musiziert wurde, gefällt mir nicht.

Natürlich wissen wir nicht, wie es bei Bach geklungen hat, aber gewisse Resultate kann man ausschließen.

Nein, wir wissen nicht, wie Bach wirklich geklungen hat. Aber so manche Historiker tun gerade so, als wüssten sie es. Was ja nicht mal schlimm ist. Ich finde es ja selbst interessant und spannend zugleich, sich Bach möglichst authentisch zu nähern, würde dann aber auch gerne die Freiheit haben dürfen, selbst zu entscheiden, obs mir gefällt oder nicht.

Und wie gesagt: ich teile einfach die Meinung nicht, dass man einem Komponisten dienen muss und dass der einzige Zweck eines Musikers (Orgelspielers) darin besteht, die Musik von Bach genauso widerzugeben, wie er’s damals „angeblich“ gewollt hat.
 

Davon abgesehen, das Tempo können beide nicht richtig halten (schwanken im Tempo ohne musikalische Begründung, auch Richter bei der dorischen). Insbesondere Koopman hat meiner Meinung nach ein ernstes Tempoproblem, nicht nur beim Orgelspiel, sondern auch beim Kantatendirigieren.

Tempo: was ich nicht weiter schlimm finde. Ich mag Temposchwankungen eigentlich ganz gerne, weil sie ein Stück plastischer und authentischer werden lassen.

Die Geschmäcker sind halt unterschiedlich. Für mich passt der "grindige" oder "erdige" Sound von barocken Streichinstrumenten einfach besser zur Barockmusik als der von Stahlsaiten, ebenso wie schlanke Orchester und am besten alles im Stehen (außer Tastenspieler).
Des weiteren entsteht durch die Artikulation auf die Taktschwerpunkte leicht ein tänzerischer Charakter. Bei geeigneten Stücken kann es "grooven wie Sau", und das passt für mich viel besser, als stattdessen opulent elegisch durch die Stücke "durchzuvibratieren".

Siehst du, mir gehts da genau andersrum. Ich kann mit dem Klang vieler Barockinstrumente nicht immer was anfangen. Die Streicher haben einen für mich „verklebten“ Sound, nicht rein und voll schwingend. Durfte wie gesagt selbst mal auf einer Barockvioline spielen und mich dahingehend ein wenig ausprobieren. Es war damals schon nicht mein Ding.

Auch die Art und Weise der Artikulation mit dem Bogen… für mich unsauber, bisschen schlampig und verwaschen… nicht, dass ich auf „super-vibrato-violinen“ stehe, absolut nicht. Nur der Klang… der sollte sauber-schwingend sein, man sollte mit dem Bogen am Ton dran bleiben dürfen… und nicht auf der Seite „rumsäuseln“, so „wischi-waschi“ mäßig.

Nur um nicht missverstanden zu werden: ich sag nicht, dass es FALSCH ist, Bach auf historischen Instrumenten zu spielen. Man kann, muss aber nicht. Und letztenendes bleibt es eine Frage des Geschmackes: der eine mag es so und der andere eben anders. Deswegen ist aber weder der eine noch der andere etwas besseres, oder gar schlechter, dümmer, oder was weiß ich. Jeder ist eben so, wie er ist.

Koopman hat mal gesagt, egal wie man Bach spielt, man sollte es auf jeden Fall immer mit Freude tun.

Da hat er absolut Recht, der Koopman :-)

Was ich allerdings empfehlen würde, wäre dass du dich wengistens schlau machst bzgl. historisch informierter Aufführungspraxis. Ablehnen kannst du das ja dann immer noch. Aber die Chancen stehen gut, dass man näher an den Klang und Ausdruck herankommt, der den Komponisten vorschwebte. Und damit steigen auch die Chancen, dass man der Musik selber näher kommt, finde ich jedenfalls. Ein mittlerweile zum Standardwerk avanciertes Buch ist von Jon Laukvik "Orgelschule zur historischen Aufführungspraxis". Band 1 bedient Barock und Klassik, ist leider nicht ganz billig, aber sein Geld wert, finde ich. Bach hat (natürlich) ein eigenes Kapitel bekommen.

Schlau gemacht hab ich mich bereits, zumindest „akustisch“. In meinem persönlichen Bekanntenkreis finden sich musikalisch nur Historiker wider. Seit ich sozusagen auf der Welt bin, bin ich mit diesem Klang großgeworden - sämtliche Bachkonzerte (oder generell barocke Konzerte), die ich jemals besucht habe, fanden „historisch richtig“ statt. Meine Familie hat nur barocke (historisch richtige) Aufnahmen bei sich im CD-Regal. Ich hab auch mal als Kind in einem Amateuerorchester (nur zum Spass, als Hobby, war jetzt nix besonderes oder so) gespielt, die Dirigentin spielte (und tut es noch heute) bei Harnoncourt im Orchester. Zwei Mitglieder, die damals mit mir in diesem Kinder- & Jugendorchester spielten, sind heute Berufsmusiker und geben auch immer wieder barocke Konzerte. Dh. ich weiß so in etwa, wie sich ein historischer Bach anhört, ich bin mit ihm groß geworden, habe aber trotzdem mit der ein oder anderen stilistischen Wiedergabe meine Probleme.

Ja, ich lese mich mittlerweile durch diverse Bücher (oder die Arbeit, die Axel mir verlinkt hat), auch lese ich wieder vermehrt Bach’s Biographien, hab da neulich an der UNI-Bücherei eine ganz tolle entdeckt und versuche mir theoretisch alles wichtige über die historische Aufführungspraxis anzueigenen. Ich hab auch zu meinem Lehrer gesagt, dass er mir dahingehend all das beibringen kann, was wichtig ist und ich versuchen werde, es dann im Unterricht (und in den Prüfungen) so gut als möglich umzusetzen. Allerdings weiß ich jetzt schon, dass es mir nicht gefallen wird. Und da möchte ich mich auch nicht schlecht fühlen (oder mir DUMM vorkommen) müssen, nur weil ich mit Richter und Co besser zurecht komme. Oder nicht mal mit Richter.. es geht mir nicht mal so sehr um ihn .. ich würde lieber die Bezeichungen "romantisch" verwenden. Ich liebe und brauche dynamische Schwerpunkte in der Musik von Bach (nein, generell, nicht nur bei Bach), die zurzeit der Romantik verwendet wurden. Ich mag langsame Tempi, ich bevorzuge breite Flächen, auf denen musiziert wird, schöne crescendi, viele ritardandi, ein tolles forte, und sehr sehr leises piano, satte Bässe, Melodien, die eher im legato aufgebaut werden, artikulativ... und ich mag viel Farbe und viel Schattierung - nicht nur an der Orgel...

Stimmt es eigentlich, dass man bei Bachs Werken nur dezent mit "ritardando" arbeiten darf?
 
Da hat er absolut Recht, der Koopman :-)

Stimmt es eigentlich, dass man bei Bachs Werken nur dezent mit "ritardando" arbeiten darf?

Nö, hat er nicht, der Koopmann. Der spielt viel zu schnell auf zu perfekten Instrumenten. Obendrein dachte ich mal, man macht Musik, um Andere zu erfreuen ?
Wenn Bach ein rit. gewollt hätte, so hätte er es vorgeschrieben.
 
Ich mag Temposchwankungen eigentlich ganz gerne, weil sie ein Stück plastischer und authentischer werden lassen.

Und ich mag sie dann nicht, wenn sie nicht musikalisch begründet sind, wie es zumindest bei der CD-Aufnahme der dorischen von Richter der Fall ist (nicht sehr schlimm) oder bei Koopman wirklich öfter vorkommt.

Auch die Art und Weise der Artikulation mit dem Bogen… für mich unsauber, bisschen schlampig und verwaschen…

Schlampige Artikulation mag ich auch nicht, unabhängig ob historisch oder nicht.

Oder nicht mal mit Richter.. es geht mir nicht mal so sehr um ihn .. ich würde lieber die Bezeichungen "romantisch" verwenden. Ich liebe und brauche dynamische Schwerpunkte in der Musik von Bach (nein, generell, nicht nur bei Bach), die zurzeit der Romantik verwendet wurden. Ich mag langsame Tempi, ich bevorzuge breite Flächen, auf denen musiziert wird, schöne crescendi, viele ritardandi, ein tolles forte, und sehr sehr leises piano, satte Bässe, Melodien, die eher im legato aufgebaut werden, artikulativ... und ich mag viel Farbe und viel Schattierung - nicht nur an der Orgel...

Also wenn du das so siehst, dann ist in der Tat Richter nur eine Kompromisslösung. Da habe ich was, was dir gefallen wird:
Du solltest dir die Straube-Ausgabe der Bach-Werke besorgen, Ende 19. Jhdt.
Ich habe antiquarisch eine Ausgabe mir besorgt, weil es sehr schön zeigt, wie man um diese Zeit Bach interpretiert hat. Und mir die Arbeit gemacht, mal exemplarisch davon eine Seite zu scannen, hier ist der Link:
https://dl.dropboxusercontent.com/u/56259949/BWV542_Straube.pdf
Man sieht sehr schön, wie munter in die Taktschwerpunkte hineingebunden wird, rubatiert wird, tolles forte, alles was du willst.
So wie diese Anfangsnoten sehen praktisch alle aus.
Dazu dann am besten ein paar CD-Aufnahmen, z.B. von der erwähnten Käte van Tricht. Selbst Schweitzer ist ein Kompromiss - er bindet zwar auch in die Taktschwerpunkte rein, hat aber auch schon nicht mehr die totale lupenreine Verromantisierung. Also, devasya, am besten Straube-Noten besorgen und Bach romantisieren, bis der Arzt kommt! :dizzy:

Stimmt es eigentlich, dass man bei Bachs Werken nur dezent mit "ritardando" arbeiten darf?

Mich wundert sowieso, dass du immer von "dürfen" und "verboten" schreibst. Meines Wissens ist es nicht gesetzlich verboten, Bach der totalen Romantisierung auszusetzen. Der Mann ist schon lange tot, kann sich nicht selber wehren, also tu es doch einfach. :super:

Was Geschmack angeht, schließe ich mich der Meinung von Axel an. Aber - schlechter Geschmack ist ja auch nicht verboten, und man darf ihn haben. ;-)
 
Mich wundert sowieso, dass du immer von "dürfen" und "verboten" schreibst. Meines Wissens ist es nicht gesetzlich verboten, Bach der totalen Romantisierung auszusetzen. Der Mann ist schon lange tot, kann sich nicht selber wehren, also tu es doch einfach. :super:

Mach ich ja auch, wer schreibt denn was anderes?

Ich habe diesen Thread erstellt, weil mich generell die Frage interessiert hat, ob man innerhalb des Orgelunterrichtes dem Schüler auch noch Spielraum für andere Interpretationen (in Hinblick auf Bach zB.) lassen sollte oder nicht. Diese Frage wurde hier für mich mit einem klaren "nein" beantwortet.

Was Geschmack angeht, schließe ich mich der Meinung von Axel an. Aber - schlechter Geschmack ist ja auch nicht verboten, und man darf ihn haben. ;-)

Sehe ich genauso ;-)
 
Ich habe diesen Thread erstellt, weil mich generell die Frage interessiert hat, ob man innerhalb des Orgelunterrichtes dem Schüler auch noch Spielraum für andere Interpretationen (in Hinblick auf Bach zB.) lassen sollte oder nicht. Diese Frage wurde hier für mich mit einem klaren "nein" beantwortet.

Stell dir vor, du schickst dein Kind zu einem Privatlehrer, damit es schreiben lernt. Das Kind kommt nach Hause und schreibt Sütterlin. Ist ja auch eine deutsche Schreibschrift. :-D

So wie ein Lehrer heute den Grundschülern nicht Sütterlin als normale Schreibschrift beibringt, wird er auch nicht Bach in Straube-Manier unterrichten. Ansonsten wird ein guter Lehrer immer Spielraum lassen für Interpretationsideen des Schülers, soweit er es verantworten kann. Solange der Schüler vielleicht nicht gerade anfängt. z.B.

ind ieT aktschwerp unkteh ineinzub indenw iee sSt raubet ut. :coolguy:
 
Wie vielleicht einige von euch wissen, versuche ich derzeit mich der historisch „korrekten“ barocken Spielweise mit vorsichtigen Schritten anzunähern und mich theoretisch mit dessen „Regeln“ auseinanderzusetzen.

Ich habe mir jetzt erstmal oberflächlich einen Überblick beider Epochen verschafft (Barock/Romantik) und die wichtigsten dynamischen Schwerpunkte davon aufgelistet.

Einen Punkt davon habe ich allerdings nicht ganz verstanden und da ich nicht extra einen neuen Thread erstellen möchte und es auch in diesen hier ganz gut rein passt, (ansonsten möge man es mir sagen), dachte ich, meine Frage hier rein zu setzen.

Folgendes (immer auf die Orgel bezogen):

Ich hab neulich nachgelesen, dass es im Barock wohl üblich war, „wenig“ zu registrieren, soll heißen, mit möglichst einer Klangfarbe auszukommen, um das Wesentliche im Stück hervorzuheben und die Gleichwertigkeit der Stimmen darzustellen.

Kann man also allgemein sagen, dass man im Barock, wenn es darum ging, den Charakter (bzw. das Klangbild) eines Stückes zu unterstützen, eher versucht war, dies durch die entsprechende Artikulation und Phrasierung zu tun, als durch einen Registerwechsel, zB?

Bei Karl Richter ist es ja so, dass er weniger artikulativ gearbeitet hat (viel legato zB.), aber dann entsprechende musikalische Abschnitte (Höhepunkte, führende Stimme, spannungsauflösende Momente usw) mit der passenden Registrierung noch zusätzlich hervorgehoben hat. Wäre das demnach aus barocker Sichtweise eine eher ungünstige Herangehensweise?

…und heißt das in letzter Konsequenz:

Alle Dynamik passiert im Barock hauptsächlich über die Artikulation (also auf welche Weise ich anschlage und betone und wie ich einzelne Töne zueinander in Zusammenhang bringe, bzw. miteinander verbinde, oder eben trenne), während man bei einer romantischen Interpretation (immer auf Bach bezogen) diese, also die Artikulation, nicht ganz so im Detail aus“spielt“, dafür aber Klangbilder (spannungsreiche, oder sich auflösende Momente, Töne, die zu "Gruppen" zusammengefasst oder voneinander abgegrenzt werden usw.usf.) über Register- und Tempowechsel noch zusätzlich unterstützt/hervorhebt oder eben in den Hintergrund rückt.

Es soll jetzt nicht um eine Wertung der jeweiligen Interpretationsmöglichkeiten gehen, da hat ja jeder bereits seinen Standpunkt, was auch absolut okay ist. Ich wollte nur mal bei euch nachfragen, ob ich’s inhaltlich richtig verstanden habe, da ich ja versucht bin, irgendwann beides zu können ;-)

...ich dachte nämlich immer, oder nein, mir persönlich ist das sehr wichtig, bei Bach eben nicht (!) alle Stimmen gleichwertig zu führen. Also äußerlich schon, von der Artikulation her. Aber innerlich nicht... und dafür brauche ich die passende Registrierung, wenn ich zB. bei irgendeinem Stück die Pedalstimme von Takt x bis Takt y hervorgehoben haben will. Ich dachte immer, dass es genau darum geht: zwar äußerlich alle Stimmen gleichwertig zu führen, von der technisch-artikulativen Komponente her, aber innerlich (!) immer eine Stimme führend zu betonen, bzw. sich alle drei Stimmen anzuschauen, und den Schwerpunkt immer auf diejenige Stimme zu setzen (das kann man mit nem Register- oder Tempowechsel erreichen zB.), die grade führend, also "leitend" ist.

Wäre diese, meine Sichtweise, aus "barockem" Gesichtspunkt heraus, demnach falsch und würde eher in die Ecke der "romantischen Interpretation" ihren Platz finden?

Vielen Dank schon’mal im Voraus für jede Hilfe,
Lg, eine interessierte Deva, die stundenlang über sowas reden könnte ;-)
 

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