Bach & seine Orgelwelt

Das kann ich widerum absolut verstehen, dass du nur das lehren kannst, von dem du auch überzeugt bist. Ich glaube, das geht jedem Lehrer erstmal so. Und als Schüler freut man sich ja auch, wenn man Lehrer trifft, die eine klare Linie haben. Sowas gibt Sicherheit und Struktur - und das widerum hilft beim Erlernen der Werke.

Nur möchte ich keinem Werk dienen und schon gar nicht einem Komponisten, den ich nicht mal persönlich gekannt habe. Ich liebe Bachs Musik, aber ich möchte in meiner Art zu spielen dann doch auch unabhängig bleiben.

Oder ich bin zu "dumm" und kapiers einfach nur nicht ;-)



Dann also lieber etwas spielen, was mir nicht gefällt, mich nicht berrührt, dafür aber eine gute Note bringt, als andersrum? Puh, da bin ich aber froh, dass ich diese Entscheidung (noch) nicht treffen muss... und ich hoffe, dass ich auch nie in so ein Dilemma kommen werde...


Hmm, jetzt sei mir nicht böse. Aber ich finde, die Einstellung, dass Musik zu meiner Selbstverwirklichung da sein soll nicht ganz angemessen. Diese Einstellung findet man häufig bei Anfängern (ich bitte das nicht abwertend zu verstehen). Die wollen dann "ihr" Ding machen, noch bevor die technischen und gesatlterischen Fähigkeiten da sind. Ich würde behaupten, Profis sind da etwas demütiger und suchen vielleicht auch mehr.

Vielleicht das als Idee: Mein Cembaloprof. hat mal auf meine Frage, wie eine Stelle zu spielen sei geantwortet: "Keine Ahnung, aber lass uns mal zusammen suchen."

Du hast im Rahmen der historischen Aufführungspraxis soviele Möglichkeiten hoch expressiv zu spielen, vielleicht macht es Sinn, das mal wirklich zu versuchen und auch zu beherrschen, bevor Du es ablehnst.

Um was genau ging es denn bei der Debatte mit deinem Lehrer? Das ist mir nicht ganz klar geworden.
 
Was rätst du mir? Hab ich jetzt einen "falschen Geschmack", muss ich mich ändern, oder verbiegen, was soll ich machen? :-)
Da gibt es sicher einen Mittelweg. Aus eigener Erfahrung:
Als ich mein Kirchenmusikstudium begann war ich sehr unglücklich mit meinem Orgelprofessor, der in meiner Wahrnehmung nur die 'Nonlegato-Spielweise' forderte.
Ich hatte zuvor Unterricht bei einer Konzertorganistin, die in der Tradition Dupre/Flor Peeters stand und dessen dreibändige Schule ich weitgehend durchgearbeitet hatte. (Die @Axel glaube ich furchtbar findet...)
Nach einem Wechsel zu einem Professor, der bei Nowakowsky studiert hatte, ging es mir dann wieder besser. Natürlich wurden die historisch Informierten Spielweisen auch praktiziert, aber doch nicht ausschließlich und sakrosankt.
Toni
 
Falscher Geschmack....puh...ja....das ist immer schwer.

Ich finde, es kommt auf den Versuch an, mal zu probieren, welche wunderbare Freiheiten Du mit historischer Aufführungspraxis hast. Das ist eine ganze andere Nummer als dieser steife dogmatische Richter-Stil, den er mit nicht gerade sympathischer Autorität vertreten hat, wiewohl er auch kein netter Mensch war.

Gefällt das nicht?
 
Da gibt es sicher einen Mittelweg. Aus eigener Erfahrung:
Als ich mein Kirchenmusikstudium begann war ich sehr unglücklich mit meinem Orgelprofessor, der in meiner Wahrnehmung nur die 'Nonlegato-Spielweise' forderte.
Ich hatte zuvor Unterricht bei einer Konzertorganistin , die in der Tradition Dupre/Flor Peeters stand und dessen dreibändige Schule ich weitgehend durchgearbeitet hatte. (Die @Axel glaube ich furchtbar findet...)
Nach einem Wechsel des Professors (der bei Nowakowsky studiert hatte) ging es mir dann wieder besser. Natürlich wurden die historisch Informierten Spielweisen auch praktiziert, aber doch nicht ausschließlich und sacrosanct.
Toni


Jep, richtig vermutet. Peeters würde ich nicht mehr verwenden. Aber er hatte deutlich mehr Horizont als Richter, menschlich wie fachlich und pädagogisch.
 
Hmm, jetzt sei mir nicht böse. Aber ich finde, die Einstellung, dass Musik zu meiner Selbstverwirklichung da sein soll nicht ganz angemessen.

Das eine schließt das andere meiner Meinung nach nicht aus. Man kann sich selbst verwirklichen und Bach dabei gerecht werden.

Diese Einstellung findet man häufig bei Anfängern (ich bitte das nicht abwertend zu verstehen). Die wollen dann "ihr" Ding machen, noch bevor die technischen und gesatlterischen Fähigkeiten da sind. Ich würde behaupten, Profis sind da etwas demütiger und suchen vielleicht auch mehr.

Keine Sorge, ich habs schon richtig verstanden, das passt schon :-)

Du hast im Rahmen der historischen Aufführungspraxis soviele Möglichkeiten hoch expressiv zu spielen, vielleicht macht es Sinn, das mal wirklich zu versuchen und auch zu beherrschen, bevor Du es ablehnst.

Aber das mach ich doch gar nicht. Ich lehne die historische Aufführungspraxis zwar "klanglich" ab, weil sie mir absolut nicht gefällt, aber ich bin trotzdem bereit, "sie" zu lernen. Das hab ich auch meinem Lehrer gesagt. Er kann mir historisch all das beibringen, was wichtig ist und ich werde versuchen, es bestmöglich umzusetzen. Aber ich würde mir halt auch wünschen, so ein bisschen beigebracht zu bekommen, wie Richter es gemacht hat, bzw. wie es mir gefallen würde.

Um was genau ging es denn bei der Debatte mit deinem Lehrer? Das ist mir nicht ganz klar geworden.

Da gings primär gar nicht um die historische Aufführungspraxis. Angefangen hat unsere Diskussion ganz anders.

Ich musste Übungen vom Orgelbuch spielen (Finn Videro), nur Manual, und hab das zu Hause so gemacht, wie ich dachte, es könnte richtig sein. Dabei bin ich von "meinem musikalischen Empfinden" ausgegangen. Register durfte ich mir selbst aussuchen, waren einfache Flötenregister.

Ich hab dann die Übungen vorgespielt, er war einigermaßen zufrieden, meinte aber nur, ich würde "gegen die Musik" spielen und nicht mit ihr. Ich hab dann nachgefragt, wieso. Und er meinte, dass ich falsch absetzen würde. Zuviel legato, und die Absetzer seien genau dann gekommen, wenn sie nicht hätten kommen sollen. Ich hab mir dann seine Korrigierungen ins Buch geschrieben und es genauso nachgespielt.

...und über diese Übungen sind wir dann irgendwann aufs Orgelspiel generell gekommen, auch zu Richter. Er erklärt mir im übrigen in der nächsten Stunde am Mittwoch was bei Richter's Passacaglia alles falsch ist ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber er hatte deutlich mehr Horizont als Richter, menschlich wie fachlich und pädagogisch.

Das Richter ein eigenes Persönchen war, kann ich mir gut vorstellen. Pädagogisch hätte ich mit ihm wahrscheinlich auch nicht können. Musikalisch schätze ich ihn aber sehr. Im übrigen auch Helmuth Walcha. Oder, um andere Dirigenten zu nennen: Klemperer und Karajan.
 
Falscher Geschmack....puh...ja....das ist immer schwer.

Ich finde, es kommt auf den Versuch an, mal zu probieren, welche wunderbare Freiheiten Du mit historischer Aufführungspraxis hast. Das ist eine ganze andere Nummer als dieser steife dogmatische Richter-Stil, den er mit nicht gerade sympathischer Autorität vertreten hat, wiewohl er auch kein netter Mensch war.

Gefällt das nicht?


Die Dorische Toccata von Koopman kenne ich bereits, habs sie mir schon mehrmals angehört. Ich muss zugeben, dass ich diese Version gar nicht mal sooo schlecht finde... die Toccata finde ich okay, wenn man das Tempo außer Acht lässt, mir isses so einfach zu schnell... allerdings komme ich mit der Fuge nicht zurecht... die ist mir ein wenig zu "flach" gespielt, obwohl ich die Registratur an und für sich, ganz okay finde. Bei Koopman verliert sich die Fuge ein wenig, für mich zumindest. Grade das Ende ist bei Richter fantastisch, im Pedal, der Vorhalt, das Register, die Dramatik... und dann dieser fantastische Triller... du hast am Anfang der Fuge was sehr leises, fragiles und melancholisches, was düsteres, dann wird es mittig plötzlich heller, kurz vor Ende beginnt der Sturm, die Dramatik, aber letztenendes kommt dann doch das Licht, das dich auffängt. Ganz schnell und kurz zusammengefasst. Bei Richter höre ich diese melodischen Strukturen und Schwerpunkte am besten raus... der Teil von 6:47 - bis Ende.. göttlich :herz:



Ich hab mir mal eine Version der Toccata d-moll von Koopman angehört, die fand ich sogar richtig gut! Das muss ich zugeben. Muss mal schauen, ob ich die auf youtube finde...

Das Richter kein einfacher Mensch war, hab ich auch schon gehört. Trotzdem wissen wir nicht, was er in seiner Vergangenheit erlebt hat, dass ihn so werden ließ, wie er nach außen hin auf andere gewirkt hat.
 
Version gefunden :-)



Da war ich damals leicht beeindruckt (und bin es noch heute), als ich mir diese Interpretation angehört habe. Da sind teils ganz tolle Sachen mit bei.

Ab und an wurschtelt er mir allerdings zu sehr rum und seine Absetzer kommen teils zu oft und zu lange (bei 1:12 oder 1:32), das unterbricht ein wenig den Fluss der Melodie, was ich sehr schade finde. Dafür ist der Teil von 1:35 bis 1:51 wunderbar :herz:

Tempo is mir etwas zu schnell und er ändert mir zu wenig die Register (Richter arbeitet ja glaube ich mit Terassendynamik, so nennt man das glaube ich, oder? Ich brauch sowas ander Orgel einfach).
Auch schön: 3:33 bis 3:45 und 6:15 bis 6:28 :herz:

Wär das jetzt eine typisch historische Aufnahme, mit, innerhalb bestimmer Grenzen natürlich, eingesetzer kreativer Eigeninterpretation?
 
Ton ist wie immer flott unterwegs, nicht immer zum Vorteil, in der Tat. In der Dorischen ist es aber für mich ein himmelweiter Unterschied von Richters flachem legato zu Tons Artikulation, die plastisch wie ein Relief ist. Bei Ton ist die erste Stelle auf dem Positiv ca. 0:42 wunderbar elegant. Da höre ich eine Solovioline, die elegant über einer Continuogruppe schwebt. Dagegen ist Richter kalt und steril.

Mit Walcha habe ich übrigens ähnliche Probleme. Der hatte eine Sternstunde mit der alten Mono-Aufnahme aus Cappel, die wirklich hörenswert ist. Alle späteren Bach-Aufnahmen von ihm fallen für mich deutlich ab.

In 565 spielt Ton natürlich Stylus phantasticus. Das Stück ist ja recht untypisch für Bach, so untypisch, dass die Echtheit oft in Zweifel gezogen wurde. Ich weiß nicht, ob es da um Melodie geht? Es ist eher barockes Theater. Der Schauspieler ruft etwas, womit keiner rechnet, wartet einen Moment die Wirkung auf das erstaunte Publikum ab und macht dann weiter. Das generiert natürlich Pausen und Absätze. Da nimmt er sich viel Freiheit, aber durchaus zu recht.

Ich ahne, was Dein Lehrer meinte. In barocker Musik ist es verpönt in die 1 eines Taktes hinein zu binden. Vielleicht war es das. Grund ist, dass ein im non-legato mehr gekürzter Ton unbetonter wirkt als einer, der fast komplett ausgehalten wurde. Vor einer 1 wird man also so gut wie immer stark kürzen. Der Trick beim non-legato ist ja nicht, nicht zu binden. Dann kann ich gleich legato spielen. Der Punkt ist ja, dass ich dann das Maß der Kürzung differenzieren kann.

Schöne Grüße
Axel
 
In der Dorischen ist es aber für mich ein himmelweiter Unterschied von Richters flachem legato zu Tons Artikulation, die plastisch wie ein Relief ist. Bei Ton ist die erste Stelle auf dem Positiv ca. 0:42 wunderbar elegant. Da höre ich eine Solovioline, die elegant über einer Continuogruppe schwebt. Dagegen ist Richter kalt und steril.

Siehst du, ich erlebe es genau andersrum. Ich mag Richters Tempo, ich mag die Wahl seiner Registratur und ich mag vor allem das legato. In meinen Augen verleiht er dadurch der Toccata anhand dieser Dinge etwas sehr sinnliches und majestätisches - mit ein klein wenig Melancholie beigemischt.

Was ich zB. auch sehr mag, ist, das Richter sehr oft bei gewissen Durchführungen auf schwächere Manuale zurückgreift.

Was man hier zB. sehr gut erkennen kann, auch wenn jetzt sicher wieder 99% von euch die Hände über den Kopf zusammenschlagen werden ;-)



Ich brauche diese Art von Praxis, dass man musikalische Themen, die in einem Werk stattfinden, anhand unterschiedlicher Register aufgreift und zusammenfasst.

Meine absoluten Lieblingsstellen in dieser Version:

2:44 - 3:02
4:44 - 5:16 (Gänsehaut... fast wie kleine Wassertropfen, so zart und sanft)
5:48 - 6:06 (ich liebe den letzten "hohen" Triller)
7:21 - 7:36 (eine meiner Lieblingsstellen im Stück)

--> nur das Ende gefällt mir hier in dieser Version von Richter nicht so gut, und zwar genau bei 9:30. Da geht er mir zu schnell weiter.

Oder auch hier, die Fantasie, von Bach, wenngleich auch die Aufnahmequalität nicht so besonders ist:



Oder, ein weiteres Lieblingslied: Präludium und Fuge in aminor :herz:



Mir gefällt an dieser Version ganz besonders, wie Richter die Melodie artikulativ aufbaut, wo er den "Punkt" setzt, auch wenn ich die Orgel nicht so besonders schön finde.

Vor allen Dingen die Stelle von 1:20 bis 1:28, was er da im Pedal macht, finde ich persönlich großartig.

Aber letztenendes ist es doch so: das Geschmäcker verschieden sind, ist ja klar. Und ich will hier auch niemanden davon überzeugen, dass mein Geschmack der richtige ist. Absolut nicht. Von Richter (oder Walcha) kann auch jeder denken, wie er mag.

Jeder Musiker muss für sich selbst herausfinden, was ihm/ihr wichtig ist und welche Ziele er/sie sich setzt.

Das Stück ist ja recht untypisch für Bach, so untypisch, dass die Echtheit oft in Zweifel gezogen wurde. Ich weiß nicht, ob es da um Melodie geht? Es ist eher barockes Theater. Der Schauspieler ruft etwas, womit keiner rechnet, wartet einen Moment die Wirkung auf das erstaunte Publikum ab und macht dann weiter. Das generiert natürlich Pausen und Absätze. Da nimmt er sich viel Freiheit, aber durchaus zu recht.

Ja, ich hab auch schon davon gehört, dass das Stück nicht von Bach sein soll. Wobei ich es nicht mal so "bachuntypisch" finde, aber ich bin auch keine Musikgelehrte, oder derartiges. Die können das sicher besser beurteilen und hinterfragen ;-)

Ich bin auch nicht prinzipiell gegen Pausen und Absätze, eigentlich mag ich sowas sogar sehr gerne, nur kommt es auf das Werk und die jeweilige musikalische Situation an. Was aber wieder eine Geschmacksfrage ist. Koopman ist ein hervorragender Musiker, der es exzellent versteht, Bach aufzugreifen. Nur halt eben meinen "kleinen, bescheidenen" Geschmack nicht trifft.

Im Endeffekt sehe ich es so: du hast eine Partitur, du hast Noten, die darin stehen und du hast ein fantastisches Instrument... also mach was damit. Das Skelett wird nicht verändert (Noten), nur das äußere Erscheinungsbild. Manche mögen einen "großen und intensiven" Bach, andere bevorzugen es schlanker und authentischer und andere gehen sogar soweit, dass sie Bach auf elektronischen Instrumenten vertonen. Man kann das gut oder schlecht finden, aber mir persönlich zeigt das auch, dass wir künstlerisch frei sind. Was nicht immer so war.

Ich ahne, was Dein Lehrer meinte. In barocker Musik ist es verpönt in die 1 eines Taktes hinein zu binden. Vielleicht war es das. Grund ist, dass ein im non-legato mehr gekürzter Ton unbetonter wirkt als einer, der fast komplett ausgehalten wurde. Vor einer 1 wird man also so gut wie immer stark kürzen. Der Trick beim non-legato ist ja nicht, nicht zu binden. Dann kann ich gleich legato spielen. Der Punkt ist ja, dass ich dann das Maß der Kürzung differenzieren kann.

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, genau DAS war der Inhalt unseres Gespräches. Ich hab anfangs meinen Übungsteil vorgespielt und er hat mir im Anschluss zu erklären versucht, warum ich dort absetzen muss und an andrer Stelle widerum nicht. Ich saß neben ihm auf der Orgelbank, irgendwie versucht, diese ganzen Informationen in mein Orgelbüchlein zu schreiben. Es hatte teilweise auch was lustiges :girl:

Er: Hier musst du absetzen.
Ich: Wieso?
Er: weil man hier absetzen muss (ich glaub, er sprach von Synkopen, muss mir das noch mal alles durchlesen)
Ich: okay. (mache es nach)
Er: genau richtig.
Ich: aber anders isses schöner. (abgesetzt, und dann legato)
Er: aber falsch.
Ich: obwohls schöner ist?
Er: ja.
Ich: wieso?
Er: weils falsch ist.

...und ich glaube darin liegt auch mein, unser Konflikt: für meinen Lehrer muss Musik richtig sein (& berühren) und mich muss Musik nur berühren (mit der Gefahr inklusive, die Werke dann nicht immer ganz getreu ihrer Epoche wiederzugeben).

Ich werd versuchen einen Mittelweg zu finden :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Da befürchte ich fast, es kann schwierig mit einem Mittelweg werden. Hier gibt es eher ein entweder oder. Du kannst legato spielen oder eben nicht. Ein bißchen legato geht nicht.

Vermutlich überrascht es Dich nicht, dass ich bei Richters a-moll schon auf der ersten Seite an diesen drehorgelartigen Schlangen fast ersticke. Ich finde bei einem Blasinstrument diese Endlosphrasen völlig unnatürlich. Die Orgel finde ich sehr 60er, aber klasse. Vermutlich Marcussen.

Ich biete mal diese Alternative an:


Hier atmet der Anfang Freiheit und Musikantentum.

Ich teile einfach die Meinung bzgl. des Skeletts nicht. Stell Dir vor, Du komponierst ein Stück und versuchst es so genau wie möglich zu notieren. Dann spielt jemand die Uraufführung. Der nimmst zwar Deine Töne, spielt aber da laut, wo Du piano notiert hast, staccato wo Du Bögen geschrieben hast usw. Wärst Du glücklich?

Ich befürchte auch, dass Du Deinen Lehrer in den Wahnsinn treibst...Ich würde zugegebenermaßen vermutlich recht leicht angefressen sein. Ich meine, warum sucht man sich einen Lehrer? Weil ich denke, das ist ein toller charismatischer Musiker, der mich überzeugt. Und dann möchte ich doch, dass er mir das zeigt, was er über die Musik weiß und versuche es ähnlich gut zu machen.

Schöne Grüße
Axel
 

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j...RD9p3rQKUEx_qjI9zxn0qTw&bvm=bv.84349003,d.d2s


Ich verlinke hier mal eine Masterarbeit zur barocken Artikulation. Hoffentlich klappt es mit dem endlosen Link. Vielleicht zeigt die ein wenig, dass es hier um höchst seriöse Recherche und Genauigkeit geht. Bachs Artikulation beruht auf damaligen Konventionen, die jeder kannte und anwenden konnte. Wir müssen uns das heute wieder erarbeiten. Es dürfte wohl nicht zutreffen, dass er da eine Beliebigkeit vorgesehen hat, nur weil es keine romantischen Artikulationszeichen gibt (oder nur sehr wenige). Vor diesem Hintergrund kann ich für mich nicht mehr sagen, och, ich mache das anders, weil ich Lust dazu habe.

Schöne Grüße
Axel
 
Als Kind habe ich den Karl Richter auch auf Schallplatte gehört und bewundert, soweit ich mich erinnere, spielte der damals aber doch auf ganz andern Instrumenten : 4 Manuale, 87 Register aufwärts, 3 freie Kombinationen und elektrische Traktur. Heutzutage schlägt sich sogar ein Technik-Fanatiker wie Lionell Rogg mit asthmatischen Silbermann-Instrumenten mit klapprigen Trakturen in irgendwelchen elsässischen Dorfkirchen herum, und siehe da: hier riecht's nach Kuhstall und klingt's nach Bach. Ein Lehrer wird heutzutage den Stand der Zeit vermitteln, und das ist nun mal die historische Spielweise, ganz streng genommen dann noch mit historischen Fingersätzen und ohne Absatz zu spielen. Wer eine romantische Herzschmerz-Version mit Tränenrührstelle und Emo-Core-Addict zu interpretieren weiß, ein passendes Instrument zur Verfügung hat und ein Publikum findet, dem das gefällt: bitte schön, das sei erlaubt. Nur neu ist das halt nicht.
http://www.pfeifenorgelforum.net
 
Vermutlich überrascht es Dich nicht, dass ich bei Richters a-moll schon auf der ersten Seite an diesen drehorgelartigen Schlangen fast ersticke. Ich finde bei einem Blasinstrument diese Endlosphrasen völlig unnatürlich. Die Orgel finde ich sehr 60er, aber klasse. Vermutlich Marcussen.

Ich dachte schon, dass dir diese Version nicht gefallen wird ;-) Ich finde die Interpretation wunderbar, grade auch den Teil, an dem du fast "zu ersticken" drohst. So unterschiedlich können Geschmäcker sind.



Die kenne ich auch schon. Die Orgel ist wunderbar, ich mag die Registratur, auch das Tempo. Die Orgel ist bei weitem schöner, als die, auf der Richter in meiner Version spielt.

Nur hab ich wieder Probleme mit der Artikulation... viel zu abgehackt, wie ein Auto, dass ständig über Holpersteine fährt. Und mir fehlt ein wenig die Registeränderung, diese Version ist mir ein wenig zu flach.

Den Teil ab: 7:14 finde ich allerdings hervorragend!

Darf ich fragen, wieso Bach kein legato wünschte?

Ich teile einfach die Meinung bzgl. des Skeletts nicht.

Musst du ja auch nicht. Das ist ja grad das schöne dran, dass wir alle eine eigene Meinung haben dürfen.

Stell Dir vor, Du komponierst ein Stück und versuchst es so genau wie möglich zu notieren. Dann spielt jemand die Uraufführung. Der nimmst zwar Deine Töne, spielt aber da laut, wo Du piano notiert hast, staccato wo Du Bögen geschrieben hast usw. Wärst Du glücklich?

Ist mir selbst schon mal so ergangen. Damals in der Schule, lange ist es her. Ich möchte meine kleinen, bescheidenen "Komponierversuche" nicht mit den Werken von Bach vergleichen (um ja nicht missverstanden zu werden!), aber ich hatte dort auch die Aufgabe, eine dreistimmige Melodie zu komponieren. Ich hab mich dann so ein wenig ausprobiert. Die Klasse wurde dann in Gruppen aufgeteilt, jede dieser Gruppen bekam meinen Zettel (das zog sich logisch mehrere Wochen hin, ich fasses hier nur kurz zusammen) und musste dieses Stück dann vorspielen.

Ich hab dynamisch natürlich Vorgaben gegeben, hab mich aber auch in der ein oder anderen Sache zurückgehalten. Manche haben sich an diese Vorgaben gehalten, andere widerum nicht. Manche haben sogar das Instrument ausgetauscht. Oder haben eine Stimme gesungen und nicht gespielt. Und ich fands überhaupt nicht schlimm, eher das Gegenteil war der Fall: mir hat es gefallen.

Ich befürchte auch, dass Du Deinen Lehrer in den Wahnsinn treibst...Ich würde zugegebenermaßen vermutlich recht leicht angefressen sein.

Ob ich meinen Lehrer in den Wahnsinn treibe, kann ich nicht beurteilen. Er ist ein erwachsener Mann und wenn er Probleme mit meiner Art hat, dann wird er mir das hoffentlich sagen.

Zudem verstehe ich auch nicht ganz, wieso ich ihn in den Wahnsinn treiben oder verärgern soll?

Ich meine, warum sucht man sich einen Lehrer? Weil ich denke, das ist ein toller charismatischer Musiker, der mich überzeugt. Und dann möchte ich doch, dass er mir das zeigt, was er über die Musik weiß und versuche es ähnlich gut zu machen.

Den Lehrer habe nicht ich mir ausgesucht, ich habe ihn von der Ausbildung gestellt bekommen. Allerdings möchte ich ganz sicher nicht (!) wechseln, weil ich seine geduldige und nette Art sehr mag und ich auch sonst gut mit ihm zurecht komme. Zudem ist er ein hervorragender Musiker, bei dem ich sicherlich viel lernen kann. Nur weil er Historiker ist, heißt das ja noch lange nicht, dass ich mir deswegen von ihm nix sagen lasse.

Im Moment bin ich gerade dabei, beides zu machen. Ich bereite zuerst SEINE Übungen vor, und zwar so gewissenhaft und sauber, dass er zufrieden damit ist, wie ich es mache. Aber ich probiere mich an den verschiedenen Orgeln, an denen ich üben darf, auch anderweitig aus und mache es so, wie es mir gefällt.
 
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http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCEQFjAA&url=http://www.bruckneruni.at/content/download/749/3210/file/MasterarbeitPenninger.pdf&ei=7aHEVO69Jc6S7Aa47YDoCw&usg=AFQjCNF6XyQRD9p3rQKUEx_qjI9zxn0qTw&bvm=bv.84349003,d.d2s


Ich verlinke hier mal eine Masterarbeit zur barocken Artikulation. Hoffentlich klappt es mit dem endlosen Link. Vielleicht zeigt die ein wenig, dass es hier um höchst seriöse Recherche und Genauigkeit geht. Bachs Artikulation beruht auf damaligen Konventionen, die jeder kannte und anwenden konnte. Wir müssen uns das heute wieder erarbeiten. Es dürfte wohl nicht zutreffen, dass er da eine Beliebigkeit vorgesehen hat, nur weil es keine romantischen Artikulationszeichen gibt (oder nur sehr wenige). Vor diesem Hintergrund kann ich für mich nicht mehr sagen, och, ich mache das anders, weil ich Lust dazu habe.

Schöne Grüße
Axel

Danke für den Link, hab mir die PDF-Version runtergeladen und werd sie mir in den kommenden Tagen zur Gemüte ziehen - sind ja doch ein paar Seiten.

Ich bin einiges bereit zu lernen, versteh mich da bitte nicht falsch! Aber ich möchte mir auch nicht vorschreiben lassen, was ich als schön und nicht schön zu empfinden habe. Weißte wie ich meine? :-)

Dann wirst du wahrscheinlich auch mit "modernen Theateraufführungen" nicht all zu viel anfangen können, oder?



Liebe Grüße,
 
Was ja eigentlich irrelevant ist. Wenn Du eine Ausbildung machts, musst Du am Ende zeigen, dass Du so spielen kannst, wir man es Dir beigebracht hat. Was Du später damit anfängst, ist Dein Ding.

Aber ich lerne es doch so, wie man es mir beibringt, da stell ich mich doch gar nicht dagegen!

Trotzdem ist mir Kreativität auch sehr wichtig, und ich will meine Erfahrungen machen dürfen, wenn ich ein Instrument lerne. Sowas kann man auch in einer Ausbildung lernen und in den Unterricht einbauen. Das eine schließt das andere nicht aus.

Wo ist also das Problem?

Ich setze mich ja nur mit der Frage auseinander, ob auch noch andere (!) Dinge im Unterricht ihren Platz haben dürfen. Und ich finde: ja, das dürfen sie, solange der Schüler auch die andere Schule beherrscht.

Zudem finde ich, dass man sowieso nicht immer ganz genau sagen kann, wie es Bach wirklich wollte. Kompromisse wird man so oder so immer eingehen müssen.

Welchen Platz hat für euch eigentlich die Frau bei Bach, wenns um die Besetzung geht?
 

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