@jauchzerle,
Du stellst Dir das Spielen nach einer inneren Klangvorstellung (wie es @Musikanna beschrieben hat) zu "idealisiert" vor, was Dich anscheinend demotiviert. Es ist nicht so, dass ein Stück einfach anhand der Noten sofort und ganz von alleine vor Deinem inneren Ohr erscheint. Das ist ein jahrelanger Prozess (Dirigenten können das wohl am besten ...) und je komplexer die Stücke werden, desto schwieriger ist es, beim Aufbau einer Klangvorstellung völlig auf das Instrument zu verzichten. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass selbst Komponisten ihre Werke am Instrument auf die reale Klanglichkeit hin überprüfen. (Es scheinen wohl nicht alle so "gut" zu sein wie der taube Beethoven oder Richard Strauss, der sagte, er könne alles (Frühstück im Freien, Wasser auf den Felsen, etc.) als Musik komponieren.)
Du entwickelst die Klangvorstellung beim Spielen aus den Noten heraus. Es ist also ein Wechselspiel aus Noten lesen, Spielen, Zuhören, Klangvorstellung entwickeln, Verbesserung des Spielens aus dem Vergleich mit der Vorstellung heraus, Zuhören, Verbesserung der Klangvorstellung durch Ideen, die beim Zuhören entstehen. Es ist wie ein Rückkopplungskreis. Je fortgeschrittener Du wirst, desto schneller, feiner und reifer werden sich Deine Vorstellungen entwickeln.
Deine Beschreibung klingt, als würdest Du beim Üben sofort alles richtig machen wollen: Fingersätze, Phrasierung, Ausdruck, Artikulation etc..
Kannst Du komplett !vergessen!, solange sich das jeweilige Stück nicht mehrere Niveaus unter Deinem aktuellen Niveau bewegt.
Daher musst Du vor allem mit Dir geduldig sein, denn Du kannst unmöglich alle Probleme gleichzeitig lösen.
Bezüglich des Problems, dass Du immer wieder andere Fingersätze "erwischst":
Vielleicht "schleifst" Du sie zu wenig oder falsch ein?
Du kannst versuchen, Dich selber zu beobachten, um Dir die Frage zu beantworten, wie sich ein Fingersatz bei Dir am besten einbrennt. Deine Beschreibungen sprechen dafür, dass Du schneller spielst, als Dein Gehirn "vorausschauend" planen kann und/oder zu wenig auf die gleiche Weise wiederholst. Kannst ja mal spaßeshalber Deine Wiederholungen einer bestimmten problematischen Stelle an drei aufeinander folgenden Tagen zählen. Kannst Du daraus irgendwelche Schlüsse für Dich ziehen?
Kann ja mal vergleichshalber sagen, was ich an mir so beobachtet habe:
- das Tempo, in dem ich schleifen muss ist umso niedriger, je komplexer die Stelle ist und reicht bis ultralangsam, wenn sie mich an die Grenzen meiner Möglichkeiten führt.
- die Wiederholungszahl, die ich in gleicher Weise !Bewegungsausführung korrekt?! akkumulieren muss ist umso höher, je komplexer die Stelle ist und reicht bis exorbitant, wenn die Stelle mich an die Grenzen meiner Möglichkeiten führt.
Binsenweisheiten? Jepp ...
Aber das konsequent durchzuziehen, ist gar nicht leicht.