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Lieber @phil.lx ,
Nun auf einer längeren Zugfahrt (verspätet, überfüllt, den Rest erspare ich euch :D) habe ich mal Zeit, etwas ausführlicher zu antworten. Ich habe mich, wie du, hier im Forum als 17-jähriger "Grünschnabel" angemeldet. Damals war ich in einer ähnlichen Situation wie du: Klavierspielen fand ich toll, hatte den besten Musikschullehrer der Provinzmusikschule, fragte mich, ob ich wohl gut genug für Schulmusik sei. Ich hatte im Prinzip überhaupt keine Ahnung von gar nichts, mein ganzes Musizieren geschah ziemlich intuitiv, ich hatte aber sehr gute musikalische Anlagen (die sicher auch darauf gründeten, dass ich schon mein Leben lang Musik gemacht und gesungen habe).
Jetzt ist die Frage, wohin du abbiegen wirst, und dafür sind die nächsten Monate entscheidend. Für Schulmusik werden Universalisten gebraucht. Das heißt, du musst gut in Theorie sein, in Ensembleleitung, im Haupt- und Nebenfach. Es schadet allerdings nicht, sich im Hauptfach bestmöglich vorzubereiten, und dazu würde ich dir auch dringend raten. Wenn ihr im Klavierunterricht nur 20 Minuten an irgendwelcher Technik herumwerkelt, ist das höchstwahrscheinlich nicht ausreichend für die nötige Professionalisierung. Es gibt da Tiefen und Erkenntnisse, die du dir im Moment noch gar nicht vorstellen kannst, die aber wunderschön und auch gerade für mathematisch denkende Menschen faszinierend sind! Auch ich habe in deinem Alter einen guten Teil meines Taschengeldes für hochkarätigen Unterricht ausgegeben, und diese Ausgaben zählen zu den sinnvollsten und besten, die ich je getätigt habe.
So ging es bei mir weiter: Meine prognostizierten Chancen wanderten binnen Zweijahresfrist von Schulmusik über künstlerisch-pädagogisch zu einem künstlerischen Studium. Knapp anderthalb Jahrzehnte später stehe ich auf der anderen Seite und unterrichte selbst junge "Stilblüten", eine Entwicklung, die maßgeblich auf meinen gescheiten Unterricht zurückzuführen ist. (Ich möchte meine vorherigen Lehrer in keinster Weise degradieren - die haben gute Grundlagen gelegt. Aber jeder Kompetenzbereich endet irgendwo, und dann ist es Zeit, den Ort zu wechseln.)
Was deine Überlegungen zum Spielen auf "diesem" oder auf "anderem" Wege angeht: Das, was die musikalisch ungebildeten Leute in deinem Spiel schätzen, können eigentlich nur drei Dinge sein: 1) Sie mögen dich und deshalb auch dein Spiel 2) Ihnen gefällt das Stück 3) Sie nehmen deine natürliche Musikalität wahr, auch wenn die noch entwicklungsfähig ist.
Laienmusizieren hat in der Tat einen eigenen Reiz, wie ich zuletzt bei einem Clavio-Konzert mit gemischter Besetzung erleben durfte: Profis nutzen musikalische Werkzeuge routinierter und haben Strategien für Konzertsituationen entwickelt, hinter der sie ihre verletzliche Seite etwas besser verbergen können. Bei Amateuren kommt oft ungefiltert sehr viel Information beim Hörer an, die auch vom Menschen erzählt, und das schätze und mag ich sehr. Es ist ein bisschen so, wie wenn man Kinder auf die Bühne stellt: Ungefiltert, individuell, überraschend, manchmal unkontrollierbar.
Die Aufgabe der Profis (und eigentlich auch der Laien) ist es, Musik verständlich zu machen. "Diese" oder "jene" Interpretation ist genau das: Eine Interpretation des Notentextes an dem Punkt, wo die objektive Information endet. So wie verschiedene Schauspieler derselben Rolle mit demselben Text dennoch eine etwas andere Note verleihen. Je weniger weit man auf seinem Instrument ist, desto uninformierter, ungenauer, lückenhafter wird die Wiedergabe. Das bedeutet nicht, dass sie weniger wertvoll ist oder als weniger schön empfunden werden muss. Aber das Gerede von "Pianist A" und "Pianist B" ist auf dieser Verständnisgrundlage ein bisschen Blödsinn
Nun auf einer längeren Zugfahrt (verspätet, überfüllt, den Rest erspare ich euch :D) habe ich mal Zeit, etwas ausführlicher zu antworten. Ich habe mich, wie du, hier im Forum als 17-jähriger "Grünschnabel" angemeldet. Damals war ich in einer ähnlichen Situation wie du: Klavierspielen fand ich toll, hatte den besten Musikschullehrer der Provinzmusikschule, fragte mich, ob ich wohl gut genug für Schulmusik sei. Ich hatte im Prinzip überhaupt keine Ahnung von gar nichts, mein ganzes Musizieren geschah ziemlich intuitiv, ich hatte aber sehr gute musikalische Anlagen (die sicher auch darauf gründeten, dass ich schon mein Leben lang Musik gemacht und gesungen habe).
Jetzt ist die Frage, wohin du abbiegen wirst, und dafür sind die nächsten Monate entscheidend. Für Schulmusik werden Universalisten gebraucht. Das heißt, du musst gut in Theorie sein, in Ensembleleitung, im Haupt- und Nebenfach. Es schadet allerdings nicht, sich im Hauptfach bestmöglich vorzubereiten, und dazu würde ich dir auch dringend raten. Wenn ihr im Klavierunterricht nur 20 Minuten an irgendwelcher Technik herumwerkelt, ist das höchstwahrscheinlich nicht ausreichend für die nötige Professionalisierung. Es gibt da Tiefen und Erkenntnisse, die du dir im Moment noch gar nicht vorstellen kannst, die aber wunderschön und auch gerade für mathematisch denkende Menschen faszinierend sind! Auch ich habe in deinem Alter einen guten Teil meines Taschengeldes für hochkarätigen Unterricht ausgegeben, und diese Ausgaben zählen zu den sinnvollsten und besten, die ich je getätigt habe.
So ging es bei mir weiter: Meine prognostizierten Chancen wanderten binnen Zweijahresfrist von Schulmusik über künstlerisch-pädagogisch zu einem künstlerischen Studium. Knapp anderthalb Jahrzehnte später stehe ich auf der anderen Seite und unterrichte selbst junge "Stilblüten", eine Entwicklung, die maßgeblich auf meinen gescheiten Unterricht zurückzuführen ist. (Ich möchte meine vorherigen Lehrer in keinster Weise degradieren - die haben gute Grundlagen gelegt. Aber jeder Kompetenzbereich endet irgendwo, und dann ist es Zeit, den Ort zu wechseln.)
Was deine Überlegungen zum Spielen auf "diesem" oder auf "anderem" Wege angeht: Das, was die musikalisch ungebildeten Leute in deinem Spiel schätzen, können eigentlich nur drei Dinge sein: 1) Sie mögen dich und deshalb auch dein Spiel 2) Ihnen gefällt das Stück 3) Sie nehmen deine natürliche Musikalität wahr, auch wenn die noch entwicklungsfähig ist.
Laienmusizieren hat in der Tat einen eigenen Reiz, wie ich zuletzt bei einem Clavio-Konzert mit gemischter Besetzung erleben durfte: Profis nutzen musikalische Werkzeuge routinierter und haben Strategien für Konzertsituationen entwickelt, hinter der sie ihre verletzliche Seite etwas besser verbergen können. Bei Amateuren kommt oft ungefiltert sehr viel Information beim Hörer an, die auch vom Menschen erzählt, und das schätze und mag ich sehr. Es ist ein bisschen so, wie wenn man Kinder auf die Bühne stellt: Ungefiltert, individuell, überraschend, manchmal unkontrollierbar.
Die Aufgabe der Profis (und eigentlich auch der Laien) ist es, Musik verständlich zu machen. "Diese" oder "jene" Interpretation ist genau das: Eine Interpretation des Notentextes an dem Punkt, wo die objektive Information endet. So wie verschiedene Schauspieler derselben Rolle mit demselben Text dennoch eine etwas andere Note verleihen. Je weniger weit man auf seinem Instrument ist, desto uninformierter, ungenauer, lückenhafter wird die Wiedergabe. Das bedeutet nicht, dass sie weniger wertvoll ist oder als weniger schön empfunden werden muss. Aber das Gerede von "Pianist A" und "Pianist B" ist auf dieser Verständnisgrundlage ein bisschen Blödsinn