Auf Vorrat üben

Hallo, lieber alter Tastendrücker,
was du schreibst, zeugt von großer Erfahrung, von Überlegungen, wie man viel (anspruchsvolles!) Repertoire für EINE Konzertsaison ohne Zeitdruck präparieren kann, kurz: von klugem Zeitmanagement (wie von dir nicht anders zu erwarten).
Ich selber habe das so nie gemacht (obwohl es mir bestimmt gut getan hätte...!), weil ich irgendwann einmal bemerkt habe, dass das so weitverbreitete "Fingergedächtnis" bei mir vergleichsweise nur schwach entwickelt ist. Ich versuche daher - automatisch - , mir alle melodischen (also intervallischen) sowie harmonischen (also kadenziellen) Vorgänge IMMER, das heißt an wirklich allen Stellen (und besonders an den schweren Stellen) BEWUSST zu machen. Und da die Musik - zumindest bis zur Auflösung der Tonalität - aus den IMMER UND IMMER WIEDER gleichen Bausteinen besteht (6 harmonische Stufen, diese auf maximal 4 verschiedenen Basstönen, sowie 12 Intervalle, und die paar Vorhalte und Durchgangsnoten, die es gibt, sind auch stets die gleichen), ist das erwähnte Bewusstmachen eine denkbar einfache Angelegenheit und funktioniert demzufolge nach kurzer Zeit ganz von allein.
Der Vorteil: ich muss nicht so viel am Instrument üben, ich muss mir "nur" klar darüber sein, was ich zu tun habe.
Zugegeben: bei extrem schwierigen Stellen/Stücken reicht die Bewusstheit freilich nicht, aber gerade da ist meiner Erfahrung nach ein möglichst glasklares Wissen über die richtigen Bewegungen/Handhaltung/ vorausschauende Optik etc. etc. etc. oft das A und O.
Übrigens hat das harmonische und melodische Bewusstsein den lustigen (wenn auch völlig wertlosen) Nebeneffekt, dass man sein Repertoire in jeder beliebigen Tonart spielen kann. (Wertvoll höchstens für Liedbegleiter). Gewiss: schnelle Pasdagen holpern in einer anderen Tonart bisweilen fürchterlich, da in anderer Tonart ein anderer Fingersatz wertvoll wäre. (Hier kann das Fingergedächtnis nun eine sehr störende Rolle spielen!). Und natürlich versagt diese auf dem Harmonik-Bewusstsein basierende Technik des Transponierens bei freitonaler Musik komplett.
Ich erwähne all das hier nur als Ergänzung zum Thema "Im Voraus üben", weil man sein Repertoire auf diese Weise auch ganz genüsslich beim Spazierengehen oder im Strandkorb ERHALTEN kann. (Auch neues Repertoire ließe sich mit dieser Bewusstseinstechnik erarbeiten - ich habe das mal ausprobiert, es war aber sooo anstrengend, dass ich nach 20 Minuten das Gefühl hatte, komplett urlaubsreif zu sein. Nie wieder....!!).
 
Toller Einblick,vielen Dank.

Ich persönlich denke stark motivisch.

Ich nehme mir vor, die harmonischen Progressionen deutlicher wahrzunehmen.

Auch wenn's peinlich sein mag, aber "Klick!" gibt es oft an unerwarteten banalen Gelegenheiten...
Meine nachdenkliche Wahrnehmung erst vor wenigen Wochen(!) war beim simplen Achttakter in der Finalnummer von Carnaval, der zur Coda-Stretta (synkopierte rH) führt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch neues Repertoire ließe sich mit dieser Bewusstseinstechnik erarbeiten - ich habe das mal ausprobiert, es war aber sooo anstrengend, dass ich nach 20 Minuten das Gefühl hatte, komplett urlaubsreif zu sein. Nie wieder....!!).
Das Erarbeiten neuer Werke nach Leimer-Gieseking habe ich auch immer mal wieder - durchaus mit Erfolg - gemacht, aber auch mit Kopfschmerzen und extremer geistiger Müdigkeit bezahlt.
Ich brauche durchaus auch das taktile Empfinden um Stücke befriedigend zu erarbeiten.
Gerade bei musikalisch eher übersichtlichen, aber technisch sehr schweren Stücken (Mazeppa!) kann man dieses Gefühl der Hände auf den Tasten als Übemittel abseits einer Klaviatur sehr gut nutzen. Man muss dafür, wenn die nötige Erfahrung erworben ist die Hände übrigens durchaus nicht bewegen.
Als Lehrender ist es sehr nützlich mit dieser taktilen Erfahrung im Hintergrund Fingersätze auch ohne eigenes Herumprobieren am Instrument zu finden und an den Schüler anzupassen.
 

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