Sorry dass das jetzt so lang geworden ist - muss auch niemand lesen
Oder die Leute, die in jungen Jahren anfangen Klavier spielen, können nicht mehr Musik so hoch schätzen wie jene, die erst später angefangen haben, weil sie sich zu sehr an Musik und ans Üben gewöhnt haben?
Das kann ich persönlich widerlegen.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum hier so ein Wirbel über den frühen Beginn gemacht wird im negativen Sinne. Es ist doch klar, dass es da auf zwei Dinge ankommt - zum einen das Kind selbst und zum anderen Lehrer bzw. Unterrichtsform.
Es gibt Kinder, die sicher schon im Alter von 3 oder 5 Jahren geeignet sind, Instrumentalunterricht zu nehmen, denn wenn sie daran interessiert sind, steht dem überhaupt nichts im Wege. Warum sollte es komplizierter sein, einen Malstift zu halten, als am Klavier zu sitzen und Tasten zu drücken?
Andere sind vielleicht nicht geeignet, still herumzusitzen und lernen lieber Fahrradfahren und Schwimmen, das ist genauso in Ordnung.
-- Außerdem ist Klavierunterricht nicht gleich Klavierunterricht. Es ist doch ein himmelweiter Unterschied, ob man (siehe chiarina) musikalische Früherziehung, sprich Spiel und Erkundung am Klavier "unterrichtet" oder tatsächlich einen konventionellen Klavierunterricht macht. Es muss einfach zum Kind passen.
Generell ist bei einem frühen Beginn sicher gut, entweder ein Jahr vor oder nach der Einschulung zu beginnen, damit nicht der Stress des Schulbeginns, Hausaufgaben usw. zusammenfällt mit dem neuen häuslichen Üben.
Ich finde es nicht sinnvoll zu sagen, man sollte erst als Jugendlicher oder Erwachsener mit dem Klavierspielen anfngen, weil man erst dann physisch und psychisch dazu in der Lage ist.
Ein Sportler fängt ja auch nicht erst mit 16 an, Sport zu machen, weil er erst dann körperlich in der Lage ist, mit den Besten mitzuhalten.
Solange man jünger ist, tut man eben das, was man kann, denn um besser zu werden, braucht es viele viele Grundlagen und Fundamente, und auch im noch so jungen Alter kann man viele davon bereits schaffen und legen.
Ich denke, ein Vorteil beim Beginn in jungen Jahren ist der, dass das Kind in der Regel überhaupt nicht weiß, was Klavierspielen bedeutet, was auf es zukommt in jeglicher Hinsicht.
Es ist glücklich mit "Summ summ summ, Bienchen summ herum" im Fünftonraum und schielt nicht dauernd zu Kissins Campanella, ihm ist zumindest auf der "psychisch-belastenden" Ebene erstmal egal, ob es Fehler macht, Fehler sind einfach etwas, was behoben werden soll, damit es richtig wird. Der eigene Anspruch wächst mit dem eigenen Können und der Erweiterung des Klaiver-Horizonts. Es herrscht also weniger Druck, der Spaß geht nicht verloren.
Man kann das natürlich auch herumdrehen - wenn man als älterer Mensch (älter als ein Kind) schon weiß, was man will, ist man zielstrebiger, um seinen Wunsch realisieren zu können!
Ansonsten ist es mMn so, dass es in der Regel sehr viel Zeit braucht, um ein wirklich tiefes, sehr feines musikalisches Verständnis und Gespür zu bekommen. Natürlich kann man mit 20 Jahren anfangen und bei guter Begabung mit 22 Chopinetüden spielen, aber die werden mit Sicherheit nicht klingen wie von jemandem, der mit 10 angefangen hat und mit 22 Chopinetüden spielt.
Vielen Zuhörern fällt der Unterschied sicher nicht auf, sie finden beides schön, hören gerne zu, sind zufrieden. Wenn man aber geschult ist, genau zuzuhören, fällt einem dennoch auf, dass bei dem Spätbeginner die Musik etwas "gröber verarbeitet" klingt. Ich versuch das zu erklären:
Der "Frühbeginner" kann aus seinem musikalischen Leben auf mehr gespielte Stücke zurückgreifen, er hatte ähnliche Motive und Wendungen bereits vorher, weiß, was sie im allgemeinen Bedeuten, kann durch viele andere Interpretationen aus seinem Erfahrungsschatz heraus überlegen und abwägen, wie nun die konkrete Musik zu spielen wäre.
Die Detailarbeit ist genauer - wie wird eine fallende Terz gespielt, wie klingt der letzte Ton in einem aufsteigenden Arpeggio, wie klingt ein Vorhalt, in welchem Verhältnis stehen die Töne eines Vierklangs, wie klingen Basston und Nachschläge, wo sind Verbindungen, Übergänge, Phrasen, Verhältnisse, Linien, untergeordnete Melodien, ......?
Der Spätbeginner hört, wie das Stück klingt, hat ein Gespür für piano und crescendo, ritardando und accellerando, Melodien, Basslinien, Haupt- und Nebenstimmen usw., aber das sind alles offensichtliche Dinge.
Ich weiß jetzt nicht, ob ich das verständlich erklärt habe, das soll auch keinesfalls wertend sein. Ich sags mal deutlich - diese Beschreibung hat nichts mit der musikalischen Begabung der beiden beschriebenen zu tun!!!
Es ist vielmehr so, dass der Frühbeginnende ein größeres, angeeignetes musikalisches Wissen und daraus resultierende pianistische Fertigkeiten hat. Er weiß genauer, auf was zu achten ist, wo er hinhören muss.
Natürlich kann man das auch als 20-jähriger noch lernen, aber es wird deshalb nicht schneller gehen.