Und bitte erklär mir mal, was eine "verminderte Quarte" sein soll.
Ich kenne diesen Begriff zwar (und weiß auch, was damit gemeint ist) aber es ist mMn ein rein "schreibtechnischer" Begriff.
Lieber Olf,
ich glaube, an dem Begriff "schreibtechnisch" hängt sich vor allem die Diskussion auf. Denn der Unterschied zwischen einer verminderten Quarte und großer Terz ist vor allem musikalisch, vor allem HÖREND ein gewaltiger, den auch jeder Laie im musikalischen Kontext deutlich wahrnimmt.
Dir scheint es vor allem hierum zu gehen:
Die Frequenzen von einem e' und einem fes' sind exakt gleich ... zumindest im gleichschwebend temperierten Tonsystem.
Auf der Klaviatur sind das keine unterschiedlichen Tasten.
Ja, aber musikalisch ist es ein riesiger Unterschied! Das unterschiedliche Hören, die unterschiedliche Wahrnehmung dieser beiden Intervalle bestimmt, wie wir diese Klänge und Intervalle und das musikalische "Drumherum" spielen. Eine große Terz ist für sich genommen eine Konsonanz, eine verminderte Quarte nehmen wir im musikalischen Kontext als Dissonanz wahr. Bei Konsonanzen fühlen wir uns anders als bei Dissonanzen. Dissonanzen (Spannung) wollen sich im Dur-moll-tonalen Raum auflösen (wohin?), Konsonanzen (Entspannung) nicht. Sie geben der musikalischen Struktur und dem Klanggeschehen eine völlig andere Wendung und Wirkung.
Und nur darum geht es. Es geht nicht um Frequenzen( Physik) oder um gleiche Tasten (Orientierung auf der Klaviatur), sondern es geht um die Wirkung und Aussage eines dieser Intervalle im musikalischen Kontext. Warum steht da eine verminderte Quarte und keine große Terz? Was passiert dort und was will der Komponist damit ausdrücken? Wie hören wir dies, wie nehmen wir es wahr?
Ein anderes häufig gebrauchtes Beispiel ist das der übermäßigen Sekunde, z.B. as-h. Anfänger sind oft verblüfft, weil sie denken, dass das eine kleine Terz sei und verstehen den Unterschied nicht. Wenn man ihnen dann aber eine harmonische c-moll-Tonleiter vorspielt ( = as-h - wie klingt dieses Intervall dort - aha, orientalisch, ungewöhnlich, fremd ....) und dann in as-moll ein paar Dreiklänge oder kleine Improvisationen (=as-ces - wie klingt dieses Intervall trotz gleicher Tasten jetzt - aha, ganz normal, keine Spannung ....), wird klar, dass es auf den Kontext ankommt und die gleichen Tasten in verschiedenem Kontext ganz anders klingen und eine ganz andere Wirkung haben. Das immer differenzierter hören zu lernen, Ohr, musikalisches Verständnis und Wissen immer weiter zu entwickeln, ist wichtig fürs Musizieren.
Liebe Grüße
chiarina