Das "Bubbles"-Experiment - Was ist Zeitgenössische Musik wert?

  • Ersteller des Themas River Flowing
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Nur wenn der Hörer sich einer Musik mit Vorurteilen oder ihr unangemessenen Maßstäben nähert. Man geht doch auch nicht ins französische Restaurant und beschwert sich dort über das Fehlen von Celtic Rock, Dart-Wurfscheiben und Guinness-Bier.
Na zumindest will der Koch den Gast nicht durch planmäßig angereicherte Rezepte überfordern.
Manche Vergleiche sind einfach zu schön. :-D

Frage: Was wäre ein angemessener Maßstab, um sich "Hurz & Co" zu nähern, also einer Musik, die den Hörer gewollt überfordert, die von ihm ganz bewusst nicht nachvollziehbar sein soll? Das soll keine oberflächliche Stichelei sein; es interessiert mich wirklich! Aus der Antwort erschließt sich mir evtl. auch der Sinn dahinter.
 
Wenn der Großteil der Struktur jedoch nicht wahrnehmbar ist, so handelt es sich - aus Sicht des Hörers - um unstrukturierte Musik: Eben Beliebigkeit.

Das gibt es doch auch schon bei Bach. Welcher Hörer kann denn einen augmentierten Kanon durch eine ganze Variation "wahrnehmen", z. B. hier die rotmarkierte Tonfolge, die sich einige Takte später in der Baßstimme in doppelten Notenwerten wiederholt?
Der "Großteil der Struktur" erschließt sich nur beim Lesen.

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Bei einigen Stücken ist es auch gar nicht nötig oder auch nicht ohne immensem Aufwand möglich, sie aufzuführen oder se zu hören. Da geht es halt um die Idee. So wie bei Cage 4'33: Eine neue Definition der Stille. Mittlerweile wurde es allerdings doch uraufgeführt. Man muss nicht unbedingt alles hören.
Gab es da nicht etwas von Bach, wo vermerkt ist, dass es für Liebhaber sei. Der Autor der Quelle (keine Ahnung, wer das war) schloss daraus, dass das Stück eigentlich nicht zum Spielen komponiert worden sei.
Wo immer hier ein Postulat in einer Absolutheit präsentiert wird, folgt irgendein Gegenbeispiel, das die Absolutheit widerlegt. Ein Vorgang, der sich endlos in vielen Foren wiederholt. Hat etwas Philosophisches. ;-)
 
Das gibt es doch auch schon bei Bach. Welcher Hörer kann denn einen augmentierten Kanon durch eine ganze Variation "wahrnehmen", z. B. hier die rotmarkierte Tonfolge, die sich einige Takte später in der Baßstimme in doppelten Notenwerten wiederholt?
Der "Großteil der Struktur" erschließt sich nur beim Lesen.
Eben nicht. Ich habe das am Anfang des von dir zitierten Beitrags näher erklärt. Zwar in Bezug auf Josquin, aber ich finde, es gilt für Bach gleichermaßen:

Ich kenne Josquin nicht sonderlich gut, trotzdem merke ich schon beim ersten Hören einer Motette jede Menge Struktur: Diatonische Modi, eine bewusst Terzen-/Dreiklangsbasierte Harmonik, eine vorwiegend auf Sekundschritten basierende Melodik, Imitationen zwischen den Stimmen, Wiederverwendung melodischer Motive, Kadenzen bei denen die Musik auf dem Grundton zu Ruhe kommt, etc...

Jetzt mag es dahinter auch noch Strukturen geben, die selbst bei näherem Hinhören nicht wahrnehmbar sind und lediglich der Inspiration des Komponisten dienen. Das ist in Ordnung, denn neben diesen unhörbaren Strukturen gibt es ja noch viele hörbare (die oben Genannten), wodurch die Musik auf den Hörer trotzdem strukturiert wirkt.
 
Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß Du den Kanon in der Augmentation beim Hören erkennen würdest? Das ist doch das Kernstück der Struktur!

Bachs Musik ist durchkonstruiert, die Tüfteleien bleiben dem Hörer verborgen, die Musik wirkt unnatürlich, unverständlich, unharmonisch, verworren und dunkel. Das hat man ihm zu Lebzeiten vorgeworfen:

Dieser grosse Mann würde die Bewunderung ganzer Nationen seyn, wenn er mehr Annehmlichkeit hätte, und wenn er nicht seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch allzugrosse Kunst verdunkelte. Weil er nach seinen Fingern urtheilt, so sind seine Stücke überaus schwer zu spielen; denn er verlangt die Sänger und Instrumentalisten sollen durch ihre Kehle und Instrumente eben das machen, was er auf dem Claviere spielen kan. Dieses aber ist unmöglich. Alle Manieren, alle kleine Auszierungen, und alles, was man unter der Methode zu spielen versteht, druckt er mit eigentlichen Noten aus, und das entzieht seinen Stücken nicht nur die Schönheit der Harmonie, sondern macht auch den Gesang durchaus unvernehmlich. Alle Stimmen sollen mit einander, und mit gleicher Schwierigkeit arbeiten, und man erkennet darunter keine Hauptstimme. Kurz: Er ist in der Music dasjenige, was ehemals der Herr von Lohenstein in der Poesie war. Die Schwülstigkeit hat beyde von dem natürlichen auf das künstliche, und von dem erhabenen auf das Dunkle geführet; und man bewundert an beyden die beschwerliche Arbeit und eine ausnehmende Mühe, die doch vergebens angewendet ist, weil sie wider die Natur streitet.
 
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man bewundert an beyden die beschwerliche Arbeit und eine ausnehmende Mühe, die doch vergebens angewendet ist, weil sie wider die Natur streitet
Sehr passendes Zitat, danke! Wie witzig, dass heute der zeitgenössischen Musik Ähnliches vorgeworfen wird, während sich die meisten, die der klassicher Musik nicht kategorisch aus dem Weg gehen, auf Bach einigen können.
 

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