Wofür oder wogegen spricht das?
Das spricht für Freiheit in der kreativen Arbeit. Da hat man sogar die Freiheit, sich mal nicht an geltende Regeln zu halten. Als Komponist hat man meiner Meinung nach sogar die Pflicht, die Grenzen dieser Regeln auszuloten UND zu erweitern.
Man kann sich technischer Hilfsmittel bedienen ... oder man lässt es ... dem Ergebnis muss man nicht unbedingt ansehen, ob da technische Hilfsmittel am Werke waren (nicht wertend gemeint).
Natürlich hängt das in hohem Grade davon ab, wie gut man die technischen Hilfsmittel in der weiteren Arbeit verschleiern kann (nicht wertend gemeint) ... oder auch nicht ... auch eine "spröde" (nicht wertend gemeint) oder "technokratische" Sprache (nicht wertend gemeint) kann ein kreatives Element sein.
Ich fühle mich missverstanden, wenn man mir vorwirft, ich würde den Komponisten der neuen Wiener Schule die Kreativität absprechen. Das sehe ich nämlich vollkommen anders und das war auch nicht meine Intention, als ich schrieb, dass die Zwölftonmethode
zur Vermeidung eines tonalen Zentrums wenig Kreativität erfordert.
Damit war nicht gesagt, dass der weitere sehr lange Weg bis zum fertigen Stück nicht harte Arbeit ist, die unglaublich viel Kreativität abverlangt. Dieser Prozess des Komponierens ist meiner Meinung nach viel zu vielschichtig und individuell, als das man ihn in unserer Sprache hinlänglich verständlich und allgemeingültig beschreiben könnte.
Ich habe einen riesigen Respekt vor nahezu allen Komponisten (und für diesen Respekt ist auch vollkommen egal, ob mir ihre Werke gefallen) ... gerade weil ich durch meine eigene Arbeit weiß, wie kräftezehrend Komposition sein kann, bis man endlich das "eingefangen" hat, was man ausdrücken wollte und dass auch dieses "geschafft"-Gefühl etwas höchst subjektives ist.
Kommen wir zum "Inhalt": kreatives komponieren kann zu allerlei führen, der Gemeinplatz "harmonisches" ist kein Alleinstellungsmerkmal kreativer musikalischer Komposition. Um das klar zu machen, genügt ein Exempel: Skrjabins 5. Sonate schließt mit einer wüsten Dissonanz, ohne dass es ihr an Kreativität mangelt.
Ich schrieb extra "etwas harmonisches" und nicht "eine Harmonie" ... denn genau an den Gegensatz von Konsonanz oder Dissonanz dachte ich bei diesem Satz nicht. Mit Kreativität hatte das schon gleich garnichts zu tun.
Eventuell sollte ich solche Sachen gleich dazu schreiben, damit es nicht zu solchen Missverständnissen kommt.
Zumindest ich neige beim Komponieren bisweilen dazu in "alte Rezepte" zu verfallen (das "alt" ist wieder nicht wertend zu verstehen), eben weil die natürlich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch beim Hörer funktionieren ... und das ist verlockend ... Künstler hin oder her ... man hat schon irgendwo auch ein Bedürfnis zu gefallen.
Sowas nenne ich "eine Harmonie" ... das ist dann z.B. ein klassisches Ende mit nach innen aufgelöstem Tritonus in der Wendung vom Dominantseptakkord zur Tonika (die Sept der Dominante nach unten in die Terz der Tonika, und die Terz der Dominante nach oben in den Grundton der Tonika bevor mir hier einer vorwirft, ich würde die Umkehrungen ignorieren).
Hinter "etwas harmonisches" kann sich auch Dissonanz oder Stille verbergen, wenn diese eben das Gefühl einer gewissen Harmonie erzeugen. Das ist natürlich schwer davon abhängig, was davor und danach passiert.
Das hat dann allerdings nicht mehr viel mit der Harmonie eines tonalen Voll-, Halb-, oder Trugschlusses zu tun, sondern nur mit einem Gefühl (der Wahrnehmung) der Auflösung einer zuvor empfundenen Spannung.
"Etwas harmonisches" muss nichtmal tonal sein ... zum Beispiel empfinde ich am Ende des Trauermarsches in Weberns op.6 (Nr.4) "etwas harmonisches" ... obwohl da nur ein Schlagzeug-Crescendo zu hören ist und davor fast nur Dissonanzen klingen.
...klar ist uns allen, dass (1) nichts anderes als die Mitteilung einer rein privaten, subjektiven Vorliebe ist und folglich keinen gültigen Wertmaßstab darstellt - und eigentlich völlig entbehrlich ist
Natürlich ist das klar. Entbehrlich ... eventuell ... aber die absolut objekive Diskussion einiger Aspekte von Musik kann (meiner Meinung nach) nur scheitern. Denn diese Aspekte sind nunmal nicht objektiv, sondern von Individuum zu Individuum unterschiedlich ... also individuell und höchst subjektiv.
Zum Spass gib doch mal einen "gültigen Wertmaßstab" für "Gefallen" oder für "gute Musik" an.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass da mehr als technokratie herauskommt.
Oder eben eine subjektive Einschätzung, die jemand als "objektiv" verkaufen möchte (was meiner Meinung nach noch um einiges schlimmer ist).
Begründen lässt sich letztlich fast alles. und sogar dein
werden hier eventuell nicht alle teilen können.
Und das ist auch gut so. Das muss so, denn dadurch wird Reden über Musik meiner Meinung nach erst interessant.