Die Oper ist eine aussterbende Gattung, und das kommt nicht von ungefähr. Ihr heutzutage noch mit musikalischen Maßstäben näherzutreten, kann getrost als rückständige und oberflächliche Betrachtungsweise abgetan werden. Dass "die Poesie der Musik gehorsame Tochter" zu sein habe, mochte zu Mozarts Zeiten als possierlicher Aphorismus durchgehen. Inzwischen hat die Wissenschaft erkannt, daß der musikalische Rahmen nur ein Schleier ist, der tieferliegende soziale, psychologische und juristische Sachverhalte verhüllt.
Diesen Schleier fortzuziehen und den Blick von den irrelevanten Begleitgeräuschen, die nur zu oft die textlichen Zusammenhänge verdunkeln, auf den Kern der Handlung selbst zu richten, hat sich der Verfasser der vorliegenden Arbeit zur Aufgabe gemacht. Er beansprucht dabei keinerlei Erstgeburtsrecht. Während der Wiener Festwochen 1961 ist Hugo von Hoffmannsthals "Rosenkavalier", des Straußschen Rankenwerkes entkleidet, zur Aufführung gelangt, und zwar mit durchschlagendem Erfolg. Auf diesem Wege fortzuschreiten, d.h. Opern künftig ohne Musik aufzuführen, sollte sich jedes fortschrittliche Operninstitut zur Vornehmsten Pflicht machen. Dies hätte nicht nur den bereits erwähnten Vorteil, das Publikum in die Problematik des Librettos unmittelbar heranzuführen - auch der finanzielle Nutzen wäre beträchtlich, da die Opernorchester samt ihren vielfach recht kostspieligen Dirigenten umgehend in Wegfall kämen. Auch wäre damit der wenig erfreuliche Typus des Operntenors, dem systematisch entscheidende Teile des Hirns zur Kopfstimme verkümmert werden, zum Aussterben verurteilt.