Barratt
Lernend
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Wird hier gerade dafür plädiert, sämtliche Stücke sofort und ausschließlich immer mit beiden Händen gleichzeitig zu üben? Damit lernt man kein Gaspard de la Nuit...
Nein, liebe Stilblüte, nicht sämtliche Stücke und schon gar nicht ausschließlich. So unterschiedlich wie die Stücke sind, steht es einem frei, die jeweils angemessenste Methode auszuwählen. Dogmatik ist allein schon deshalb fehl am Platz, weil nicht jeder "gleich" denkt, manche denken von Hause aus analytisch, andere synthetisch, um mal zwei Unterschiede zu nennen.
Das Ausgangthema war nicht "Gaspard de la nuit", sondern objektiv einfache Anfängerstücke von überschaubarer Komplexität.
Das Getrenntüben ist eine Methode von vielen, um zum Ziel zu kommen. Als allgemeine Empfehlung ("alles erstmal getrennt üben und dann zusammensetzen") taugt sie nicht
Bei Etüden wie op. 10,12 (Revolution) oder op. 25,11 (Winterwind) von Chopin ist es sehr hilfreich, beide Hände einzeln zu üben, v.a. auch die Linke, um deren Rolle, Aufgabe, Wichtigkeit zu verstehen
Den Gaspard kenne ich nicht, aber die beiden Genannten. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass die "technische Hauptlast", wenn ich das mal so ausdrücken darf, in der einen Hand liegt, die thematische in der jeweils anderen. Warum sollte man an solche Stücke dogmatisch nach dem Aut-aut-Prinzip herangehen? Man merkt doch, an welcher Stelle es nötig bzw. eher nicht so sinnvoll ist, getrennt zu üben. Es gibt doch nicht nur diese beiden Methoden, die einander überdies grundsätzlich ausschlössen.
Einzeln spielen ist auch gut als Test zu gebrauchen. Oft kommt es doch vor, dass das Stück oder die Stelle gut im Tempo klappt, man aber immer an ominösen Stellen rausfliegt, obwohl man es auch in superlangsam kann, an allen möglichen Stellen einsetzen kann etc.
Die andre Hand darf dann aber NICHT stumm mitspielen. Dann merkt man, ob die Hände nur "gekoppelt" im Tempo sind und einzeln muss man dann neu überlegen, was die Pfote denn zu spielen hat.... und übt das dann (einzeln!)
Gutes Beispiel fürs freie situationsabhängige Variieren/Kombinieren von Methoden. Spätestens, wenn man merkt, dass man mit der einen Methode (nicht nur eine von den beiden getrennt vs. gemeinsam) nicht weiterkommt, nimmt man eine andere. Zum Beispiel gäbe es die Variante, Stimmen wegzulassen (aber nicht die komplette andere Hand) etc. Aber das alles trifft auf komplexere Musik zu und nicht auf zweistimmige Einsteigerstücke (vulgo "Lieder").
Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Amateure außer diesen beiden Methoden nichts kennen und auch nicht die Fantasie aufbringen, bessere Methoden zu erfinden.
Mit Didaktik des Instrumentalunterrichts kenne ich mich nicht aus, aber ich könnte mir vorstellen, dass man davon ausgeht, Total Beginners zu überfordern/verwirren, wenn sie nicht zumindest für das ca. erste Jahr ein striktes "dogmatisches" Übesystem vorgegeben bekommen, mit dem sie sich konsequent am jeweiligen Stück abarbeiten können? Nur eine Vermutung. Das Methodenarsenal wächst ja erst mit den Herausforderungen.