Und für nicht geschützte Berufe braucht man erst Recht nicht drauf achten. Vertrauensvorschuss muss man eh immer geben. Ein Q-Nachweis ist (für mich!...ich übe mich in Ich-Aussagen
) ein denkbar schlechter Grund dafür. Da finde ich z.B. die ersten 5 Minuten der persönlichen Begegnung viel gewichtiger.
Lieber Peter,
ich kann all das, was du schreibst, absolut nachvollziehen. Natürlich sind die ersten 5 Minuten der persönlichen Begegnung wichtig, weil man einen Eindruck von der Persönlichkeit des Gegenübers bekommt. Besonders in lehrenden Berufen ist auch die menschliche Qualität entscheidend und man möchte wissen, ob die Chemie stimmt.
Trotzdem bin ich ganz und gar nicht deiner Meinung, dass ein Q-Nachweis ein schlechter Grund für die Einstellung ist. Ich kann das bzgl. der Handwerksberufe nicht beurteilen, deshalb konzentriere ich mich auf den Beruf des Klavierlehrers.
Ich würde als Anfänger, mittlerer Fortgeschrittener niemals bei einem Klavierlehrer ohne Diplom bzw. ohne Studium Unterricht nehmen und das auch niemandem empfehlen, weil:
- der Diplominstrumentalpädagoge mit Hauptfach Klavier sehr gut Klavier spielen kann und zwar Werke aller Epochen, was für den Unterricht sehr wichtig ist. Er hat eine schwere Aufnahmeprüfung bestanden, bei der eine große Auslese stattfindet (die Aufnahmeprüflinge können alle gut Klavier spielen). Er musste im Chor singen, ein Zweitinstrument spielen, in vielen Nebenfächern (Musikgeschichte, Formenlehre, Werkanalyse, Harmonielehre, Gehörbildung, Klavierdidaktik und -methodik etc.) Prüfungen ablegen, eine Zwischenprüfung bestehen, in der kontrolliert wird, ob er entsprechende Fortschritte macht. Er hat über Jahre sehr engen Kontakt zu Musik, guten Musikern und sehr gut ausgebildeten Lehrern (Professoren) gehabt und hat sich über Jahre sehr intensiv mit Musik und dem Klavierspiel beschäftigt. Das hat er auch vorher schon viel gemacht, sonst hätte er nicht die Aufnahmeprüfung bestanden, bei der man auch eine Theorieprüfung bestehen muss. Er hat Praktika bei anderen Lehrern gemacht, eine Art Mini-Referendariat. Er hat außerdem eine Abschlussprüfung gemacht, in der er eine Hausarbeit schreiben, Lehrproben halten, Werke aller Epochen spielen und ein Kolloquium machen muss.
- der Klavierlehrer ohne Studium kann vielleicht gut Klavier spielen. Ob er eine Aufnahmeprüfung bestehen würde, weiß man nicht. Man weiß auch nicht, wie er sich in allen Epochen auskennt (nicht nur bei von ihm präferierte Komponisten), ob er gute technische Fähigkeiten hat und weiß, wie er diese lehren kann. Man weiß auch nicht, ob er umfassende Kenntnisse in Harmonielehre, Gehörbildung, Musikgeschichte hat. Ich frage mich auch: warum hat er nicht studiert, wenn er das zu seinem Beruf macht? Reichten seine Fähigkeiten nicht aus? Hat er wirklich Jahre lang so viel Zeit aufgewendet wie ein Student und wie es nötig ist, sich alles selbst beizubringen? Ist das "Selbst-Beibringen" in dem Umfang überhaupt möglich? Hatte er Kontakt zu meist ausgezeichneten Lehrern in allen Sparten? Das glaube ich nicht, denn das ist kaum zu leisten. Der Unterricht bei Professoren kostet eine Menge Geld. Nicht umsonst subventioniert der Staat die Ausbildung.
- Zum Klavierspielen und -lehren gehört eben eine Menge dazu - es ist ein Studium und kein Handwerksberuf.
- Aus den besagten Gründen unterrichten Klavierlehrer ohne jegliche Qualifikation fast nur Anfänger. Sie können normalerweise nicht auf ein Studium vorbereiten und sind auch selten in der Lage, sehr fortgeschrittene Schüler zu unterrichten. Dabei bin ich der Meinung, dass gerade der Anfangsunterricht nur von den besten Lehrern gegeben werden sollte! Die Basis sollte stabil sein. Da - und da gebe ich dir Recht - ist vieles im Argen, auch bei studierten Lehrkräften. Das liegt daran, dass die Methodik und Didaktik lange Zeit noch vom mechanistischen Zugang beeinflusst war und ist. Auch heute noch wird es viele KL geben, die meinen, man müsse sofort mit Noten anfangen etc.. Aber schon zu meinen Zeiten hatte ich Unterricht bei "modernen" Professoren, bei denen der audiomotorische Zugang im Vordergrund stand und ich habe mein ganzes Leben schon so mit Schülern gearbeitet.
- Zu den KKL (claviointerne Abkürzung für Kackklavierlehrer, *hüstel*): es gibt tatsächlich sehr, sehr viele KL ohne Qualifikation. Wir wissen nicht, wie viele es sind. Aber es gibt studierte Lehrkräfte mit Nebenfach Klavier, die Klavier unterrichten, weil sie in ihrem Hauptfach nicht genug Schüler finden. Es gibt welche nur mit künstlerischer Reifeprüfung, die keine pädagogische Ausbildung haben. Es gibt welche, die an Unis oder PHs studiert haben, wo die Anforderungen sehr viel niedriger sind. Es gibt welche, die gar keine Ausbildung haben. Welche Qualifikation die sog. KKL haben, wissen wir nicht. Zudem bin ich immer sehr skeptisch, was die Beurteilung von KL übers Internet und einzelne Forenbeiträge angeht. Es kann sein, dass z.B. im Anfangsunterricht Defizite vorherrschen, aber an anderer Stelle sehr guter Unterricht erteilt wird. Es kann sein, dass der Forist seine Sicht wiedergibt, die der KL keineswegs teilen würde. Hier wird schnell geschossen bei der Beurteilung von KL - ich bin da vorsichtig und urteile erst, wenn ich die Unterrichtssituation selbst erlebt oder beide Seiten gehört habe.
Aus den genannten Gründen kann ich keineswegs empfehlen, bei einem KL ohne jegliche Qualifikation, ohne den Besuch an einer Hochschule Unterricht zu nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, schlechten Unterricht zu erhalten, ist sehr viel höher als bei einem studierten. Bei einem studierten KL, der all seine Lehrproben, seine Instrumentalprüfung etc. mit "1" abgeschlossen hat, ist die Wahrscheinlichkeit, schlechten Unterricht zu erhalten, gering. Das Diplom und die Zensuren geben sehr wohl ein Bild der Fähigkeiten des Lehrers ab. Wenn man dann noch über Fortbildungen etc. prüfen kann, ob der Lehrer auch nach dem Studium interessiert am Ausbau seiner Fähigkeiten ist, wenn man dann in den ersten 5 Minuten einen guten Eindruck von ihm hat und die Chemie stimmt, wenn man in den ersten Stunden der Probezeit viele Aha-Erlebnisse hat und das alles einfach toll findet - ja, dann kann nicht mehr viel schiefgehen!
Ich freue mich also, wenn mich jemand fragt, denn es zeigt mir Interesse an einem qualifizierten Unterricht.
Liebe Grüße
chiarina