Wie spiele ich das?

Ja, das habe ich auch schon gehört, kann es aber nicht beurteilen.

Mir gefällt die Aufnahme sehr gut.

LG
violapiano
 
Bin bei diesem Link auf folgenden Youtube-Kommentar gestoßen:



Kann das überhaupt sein?

Das Ende der Exposition bietet einen As-Dur Septimakkord mit Sexte statt Quinte (der so genannte Chopin-Akkord).

Die langsame Einleitung "tut so", als beginne sie in des-Moll (des-fes-as-des), eine absichtliche Täuschung des Gehörs, denn der Klang des-e(!!)-as-des entpuppt sich als Vorhalt zu F-Dur7, der Dominante von b-Moll.

Harmonisch gesehen kann man durchaus vom Wiederholungszeichen zum Beginn der langsamen Einleitung springen.

Beginnt man die Wiederholung erst mit den b-Moll Takten, wirkt dieses Einsetzen harmonisch wie ein Trugschluß (As7 - b).

Beides klingt ok (s.o.) - beginnt man die Wiederholung in den schnellen b-Moll Takten, bleibt das Tempo einheitlich, aber der Trugschluß macht aufhorchen; beginnt man mit Takt 1, wird halt das Tempo reduziert, aber man hört noch mal die schöne "Täuschung" der Anfangsklänge.
 
Mich würde es aber interessieren, wie Chopin es gemeint hat. :)
 
Henles Ausgabe von 1976 vermerkt mehrere Quellen, darunter ein Exemplar der frz. Erstausgabe der Chopin-Schülerin Camille O’Méara mit Eintragungen des Komponisten. Daß das Wiederholungszeichen am Beginn von Takt 5 in einer der Quellen fehlt, ist dem Revisionsbericht nicht zu entnehmen, demnach findet es sich nicht nur in der deutschen Erstausgabe.

Meiner Meinung nach sprechen zwei Gründe gegen die Wiederholung der Grave-Einleitung:
1.) Sie ist ein harmonisches Vexierspiel, eine etwas rätselhafte Begrüßung, eine ausdrucksvoll-geistreiche Eröffnung. "Guten Tag" sagt man aber gewöhnlich nur einmal, und wenn man es so geistreich tut, wäre die Wiederholung ein wenig affig.
2.) Langsame Einleitungen von Sonaten-Sätzen und Sinfonien werden selten wiederholt, sie sind der Exposition vorangestellt und nicht Teil der Exposition.

Eine andere Frage ist, ob man Expositionen überhaupt wiederholen sollte, aber das ist eine alte Frage und ein alter Streitpunkt, den der eine so, der andere anders beantwortet.
Erstaunlich typisch finde ich die Schlaumeierei des Youtube-Kommentators: "the repetition is not taken from the right point!" Der hat halt mal was läuten hören und geht nun immer in Konzerte, wo die b-moll-Sonate gespielt wird, um hinterher den Pianisten Briefe zu schreiben, daß sie vier Takte zu wenig wiederholt hätten. Auf die Idee, daß der Pianist sich vielleicht mit der Frage auseinandergesetzt haben könnte und bewußt eine eigene Entscheidung getroffen, kommen solche Wahrheitspächter wahrscheinlich gar nicht.
 
Meiner Meinung nach sprechen zwei Gründe gegen die Wiederholung der Grave-Einleitung:
1.) Sie ist ein harmonisches Vexierspiel, eine etwas rätselhafte Begrüßung, eine ausdrucksvoll-geistreiche Eröffnung. "Guten Tag" sagt man aber gewöhnlich nur einmal, und wenn man es so geistreich tut, wäre die Wiederholung ein wenig affig.
2.) Langsame Einleitungen von Sonaten-Sätzen und Sinfonien werden selten wiederholt, sie sind der Exposition vorangestellt und nicht Teil der Exposition.

Eine andere Frage ist, ob man Expositionen überhaupt wiederholen sollte, aber das ist eine alte Frage und ein alter Streitpunkt, den der eine so, der andere anders beantwortet.

Harmonisch passt es (auch bzgl. der Basslinie es-as-des), das Grave zu wiederholen (wie ich schon erklärt hatte). Was harmonisch plausibel ist, vermag ich nicht als affig zu betrachten.

"Geistreich" ist mir für den Beginn der b-Moll Sonate ein zu harmloses Epitheton. Ich kenne kein anderes großformatiges Werk vor Wagners Walküre oder Liszts Sonate, welches harmonisch derart innovativ einsetzt. Der erst später als Vorhalt erkennbare Klang des-e-as-des (man hört einen Mollakkord, der aber gar nicht notiert ist!!) weist schon in die Richtung, die viel später Wagner und Liszt mit mehrdeutigen Akkorden etablierten.

Langsame Einleitungen werden selten wiederholt, dennoch werden sie aber - wenn auch selten - durchaus in den Verlauf eines Sonatensatzes integriert: berühmtestes Beispiel ist sicher op.13 von Beethoven.

Die Frage, ob man Expositionen überhaupt wiederholen soll, müsste eigentlich durch die von den Komponisten notierten Wiederholungszeichen genügend beantwortet sein.

Chopins b-Moll Sonate erweist sich als umso rätselhafter, je genauer man sie anschaut: manche Ausgaben wollen für das Grave einen 4/4 Takt, für Doppio Movimento dann alla breve, andere Ausgaben geben beides im alla breve - - nun ist das aber, bzgl. der Tempoangabe "im doppelter Bewegung" ziemlich relevant, denn es ist ein Unterschied, ob man von 4/4 oder 2/2 ausgeht...

Ich halte die Schott-Ausgabe für vernünftig:
- Grave 2/2 - doppio movimento 2/2
- zwischen Grave und doppio movimento zwar ein doppelter taktstrich, aber kein Wiederholungszeichen
damit ist offen, bzw. dem Spieler überlassen, ob er die Wiederholung in Takt 1 oder in Takt 5 beginnen lässt.

Harmonisch, strukturell und auch gestisch/melodisch ist beides vertretbar.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Harmonisch paßt es, das ist richtig. Daß verschiedene Ausgaben sich widersprechen, ist auch richtig. Also muß man wohl mal wieder selber die Entscheidung treffen – das ist Manchem lästig. Du sagst nicht, Rolf, welche Entscheidung du denn triffst, du sagst nur, beides ginge. Stattdessen sagst du aber recht lapidar, strikt und anscheinend (oder nur scheinbar?) etwas unwirsch:
Die Frage, ob man Expositionen überhaupt wiederholen soll, müsste eigentlich durch die von den Komponisten notierten Wiederholungszeichen genügend beantwortet sein.
Diesen Standpunkt kann man einnehmen, man kann aber auch ganz anders darüber denken:
Zitat von Alfred Brendel:
Ich halte daher das Wiederholen der Exposition nicht nur für überflüssig, sondern geradezu für schädlich.
[...]
Schon bei Haydn stößt man auf Wiederholungszeichen, die ihr Vorhandensein dem Zufall zu verdanken scheinen.
[...]
daß sie [die Wiederholungen] unweigerlich von Erwägungen der Proportion bestimmt seien, ist ein moderner Köhlerglaube.
[aus "Nachdenken über Musik"]
Eine gern diskutierte Stelle ist die erste Klammer im Kopfsatz aus Schuberts B-dur-Sonate: für die einen eine geniale Eingebung, weswegen man die Wiederholung dieser eh schon recht langen Exposition nicht unterschlagen dürfe, für die anderen gewollt gekünstelt und verzichtbar. Noch einmal Brendel:
... verzichte ich auf diese Überleitung mit besonderem Vergnügen*...

Zur Harmonik:
Daß Chopin den Hörer erst einmal in die Irre leitet, ist durchaus 'geistreich'. Aber natürlich hast du Recht, daß das ein zu harmloses Attribut ist, weswegen ich mich immerhin bemüßigt sah, "ausdrucksvoll-geistreich" zu sagen.
Chopin beginnt mit absteigendem des-e, notiert also eine verminderte Sept. Demnach hat er wohl die Doppeldominante im Sinn. Denn er hätte ja auch fes statt e schreiben können und die folgenden Töne nicht als cis-moll, sondern als des-moll (anscheinend steht aber in manchen Ausgaben tatsächlich des und as statt cis und gis – aber kein fes). Gewissermaßen ist das 'Augenmusik', denn der Hörer kann ja nicht hören, daß die große Sexte als verminderte Sept notiert ist; was er hört, ist ein eindeutiges cis-moll, oder doch nicht so ganz eindeutiges, da es als Sextakkord erklingt; was er nicht hört, ist, daß das Stück mit einer enharmonischen Umdeutung beginnt.
Dieses Vexierspiel hat einen Vorgänger, nämlich Beethovens letzte Sonate. Dort heißt die verminderte Sept absteigend es-fis, und ein Hörer könnte das vielleicht als es-ges und es-moll wahrnehmen. Es folgt ein verminderter Septakkord, und der Hörer weiß auch hier nicht, worauf das denn nun hinauslaufen soll. Aber dann folgt die Dominante, und alles hat zunächst wieder seine 'Richtigkeit'.
Bei Chopin folgt auf cis-moll F-dur (als Dominant-Septakkord mit Sextvorhalt), und erstaunlicherweise findet man diese Akkordfolge bereits um 1600, nämlich in einem Madrigal ("Hence Care thou art too cruel") von Thomas Weelkes, dort transponiert: auf c-moll folgt E-dur. Und zufälligerweise findet man die umgekehrte Reihenfolge bei Schubert: In der B-dur-Sonate folgt auf das F-dur vor der ersten Klammer ein cis-moll in der zweiten Klammer.

"Das wird Sie vermutlich nicht so sehr interessieren, aber mir ist jetzt leichter. Danke für Ihre Geduld."
 
Zwischenzeitlich verläßt man sich am Besten auf seinen
guten Geschmack - so man ihn hat.
'Seinen' guten Geschmack hat gewiß jeder. Zu sagen, daß jemand keinen guten Geschmack habe, bedeutet deswegen ja nur, daß er 'den' guten Geschmack nicht habe, bzw. seiner ein schlechter sei. Das verträgt sich aber nicht gut mit dem Wort 'Geschmack', denn solange es ihm schmeckt, kann es ihm ja kein schlechter Geschmack sein.

"Zwischenzeitlich" kann außerdem noch lange dauern, wenn es kein vollständig erhaltenes Autograph mehr gibt. (Weiß hier übrigens jemand, ob es eines gibt? Ich weiß es nicht.) Und falls es noch eines gibt, sind weitere Fragen zu klären: Enthält das Autograph die einzig wahre Fassung guten Geschmacks, oder ist eine der Erstausgaben relevanter, nämlich aktueller, weil vom Komponisten überwacht und korrigiert? Ganz so einfach, daß das Faksimile einer Eigenschrift die letztgültige Version darstellt, ist das eben leider nicht.
 
(1)
Harmonisch paßt es, das ist richtig. Daß verschiedene Ausgaben sich widersprechen, ist auch richtig. Also muß man wohl mal wieder selber die Entscheidung treffen – das ist Manchem lästig. Du sagst nicht, Rolf, welche Entscheidung du denn triffst, du sagst nur, beides ginge.
(2)
Stattdessen sagst du aber recht lapidar, strikt und anscheinend (oder nur scheinbar?) etwas unwirsch:
(3)
Diesen Standpunkt kann man einnehmen, man kann aber auch ganz anders darüber denken:

Eine gern diskutierte Stelle ist die erste Klammer im Kopfsatz aus Schuberts B-dur-Sonate: für die einen eine geniale Eingebung, weswegen man die Wiederholung dieser eh schon recht langen Exposition nicht unterschlagen dürfe, für die anderen gewollt gekünstelt und verzichtbar. Noch einmal Brendel:

(4)
Zur Harmonik:
Daß Chopin den Hörer erst einmal in die Irre leitet, ist durchaus 'geistreich'. Aber natürlich hast du Recht, daß das ein zu harmloses Attribut ist, weswegen ich mich immerhin bemüßigt sah, "ausdrucksvoll-geistreich" zu sagen.
Chopin beginnt mit absteigendem des-e, notiert also eine verminderte Sept. Demnach hat er wohl die Doppeldominante im Sinn. (...)

Hallo,

zu (1)
eben, harmonisch geht beides. Welche Entscheidung ich treffe, spielt hier keine Rolle.

zu (2)
was ist unwirsch oder lapidar an der Tatsache, dass die Komponisten Wiederholungszeichen setzen??? Nimmt man eine Komposition ernst, dann hoffentlich mit allen notierten Zeichen! ;)

zu (3)
das berüchtigte Argument der Auctoritas... Ein bekannter Interpret äußert seine Vorbehalte gegen Wiederholungszeichen. Erstaunlicherweise hindert ihn das aber nicht, z.B. in Beethovens op.27,2 diese angeblich oft falschen oder zufälligen Wiederholungen zu spielen... Und wo ist nun die Autorität, welche uns allen definiert und beweist, welche Wiederholungen ok und welche nicht ok sind?...
eine andere, nicht minder gewichtige Autorität - Claudio Arrau - hat geäußert, dass Rachmaninov Millionen von Noten ohne jeden Sinn geschrieben habe - - wäre das für Dich ein ausreichender Anlaß, keinen Rachmaninov mehr zu spielen und zu hören? (zu schweigen von den Invektiven der Autorität Glenn Gould gegenüber dem Werk von Chopin...)
Manchmal werden sehr umfangreiche Formteile (Beethoven op.106, Schubert) wiederholt - da grämt man sich dann wegen der Dauer... Es gibt Aufnahmen mit und ohne der Wiederholung der Exposition im Kopfsatz der Hammerklaviersonate.
So lange die Kritiker der Wiederholungszeichen diese in willkürlich ausgewählten Werken brav befolgen, ist deren Kritik bestenfalls kurios.

zu (4)
"Chopin beginnt mit absteigendem des-e" schreibst Du, und das stimmt auch - - und zugleich stimmt es nicht: die tiefe des-Oktave klingt nämlich erst mal eine ganze Weile lang!!! Ich halte es für zu eilig, gleich an das Intervall verminderte Septime zu denken.
Und damit erhält die Grave Einleitung zwei ganz verschiedene Klangräume:
1. am Anfang weiß man gar nichts:
des-------------------- e -- e-----------------
was soll das? man weiß es nicht (mir kommt es hier sehr darauf an, dass man wahrnimmt, wie lange die des-Oktave klingt, überhaupt die Dauer der sich ändernden Klänge - ich halte das für weitaus wesentlicher, als gleichsam ohne Zeit einfach nur die Intervallfolgen zu betrachten: ich bin mehr für das Hören)
das e bleibt im Bass, die r.H. bringt des-as-des hinzu: klingt nach Moll (des-, nicht cis-Moll)
und erst danach, wenn die dissonanten Intervalle korrigiert werden (e - f und as - a (!) und des - c) wird klar, dass hier ein sehr ungewöhnlicher Vorhalt zu F7 aufgebaut worden war - - lesendes (nicht hörendes!) Analysieren kann den Zusammenklang e-des-as-des als Vorhalt zur Doppeldominante C erklären, aber die Klangwirkung (ein Moll-Akkord) bleibt ja dennoch: Chopin, der oft in die terra incognita der Leittonharmonik und der unbestimmten, vagierenden Akkorde vorstieß, ist da ein geniales Vorausschauen gelungen (in Wagners Walküre und Tristan sowie in Liszts Sonate wird man später solche vieldeutigen Akkordfolgen als nicht mehr nur Ausnahmen [wie bei Chopin], sondern als Grundlage des harmonoischen Geschehens finden)
2. wenn man´s wiederholt
jetzt ist, nach dem As-7 Akkord am Ende der Exposition, ein anderer Kontext konstituiert: das Ende Ende des Exposition (appassionato, Vierteltriolen) strebt eindeutig nach Des-Dur!! Wenn man also das Grave wiederholt, dann muss man von der langen des-Oktave erst mal glauben, dass sie einen Des-Dur Klang stellvertritt - umso größer ist die Überraschung, wenn das "Schein-Moll" des-e-as-des dann zu hören ist, um nach b-Moll zu führen.
Die harmonische Wendung des Grave ist also in beiden Varianten (am Anfang wie in der Wiederholung) ebenso brisant wie wirkungsvoll.

Verblüffend ist, dass die Ausgaben variieren: manche bringen in Takt 2 r.H. cis-gis-cis, manche stattdesen des-as-des - - letztlich ist das egal, denn es handelt sich um keinen eindeutigen Akkord.

Dass Du hier die Beethovensche Sonate op.111 mit ihren verminderten Septimen in der Maestoso Einleitung erwähnst, freut mich! Chopin hatte geäußert, dass ihm alles nach op.57 von Beethoven fremd sei - nicht nur der Beginn der b-Moll Sonate, auch die Etüde op.10,12 zeigen allerdings, dass er das ihm fremde sehr wohl kannte (und wohl auch als Inspiration nutzte) ... Und doch ist hier ein Unterschied zu bemerken: bei Beethoven (op.111) ist das Intervall verminderte Septime ein jäher, plötzlicher Intervallsprung - bei Chopin werden die Klänge gedehnt. Das bedeutet einen sehr großen Unterschied in der Klangwirkung.

Am Ende, nach der Klärung der durchaus komplizierten harmonischen Verhältnisse (übrigens sind die auch in op.111 kompliziert), stellt sich die Frage, ob solches "Wissen" etwas nützt bzgl. der Frage, wie man das spielt --- ich meine: ja, es nützt.

Wie auch immer: wirkungsvoll ist beides, also die Wiederholung in Takt 1 oder Takt 5 beginnen zu lassen (in letzterem Fall hat man die Trugschlußwirkung As7 - b)

Gruß, Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bei Chopin folgt auf cis-moll F-dur (als Dominant-Septakkord mit Sextvorhalt), und erstaunlicherweise findet man diese Akkordfolge bereits um 1600, nämlich in einem Madrigal ("Hence Care thou art too cruel") von Thomas Weelkes, dort transponiert: auf c-moll folgt E-dur. Und zufälligerweise findet man die umgekehrte Reihenfolge bei Schubert: In der B-dur-Sonate folgt auf das F-dur vor der ersten Klammer ein cis-moll in der zweiten Klammer.

die berühmte Schluß"kadenz" d-Moll - E-Dur in Wagners Walküre findet sich auch schon als Schlußfloskel in der Musik der Renaissance - es macht aber einen Unterschied, ob hierbei reine oder temperierte Stimmung vorliegt. In temperierter Stimmung sind Akkordfolgen wie cis-Moll - F-Dur Leittonfortschreitungen (cis(des) - c ; gis -a ; e -f), die gelegentlich enharmonisch notiert wurden.
 

Mein Hauptargument, die Einleitung (Grave-Teil) nicht zu wiederholen:

Man erwartet nach den zwei Akkorden (kleiner Septakkord Es-Dur, kleiner Septakkord As-Dur mit Sexte statt Quinte) am Ende der Exposition eine gefestigte Tonart.

Jetzt könnte man meinen: Aber b-Moll ist ja nicht die gefestigte Tonart, sondern Des-Dur!

Es hat jedoch eine viel emotionalere und spannendere Wirkung, wenn im Trugschluss bleibt.

Außerdem wurde die Exposition von den zwei Akkorden am Ende dermaßen gebremst, aber spannungsreich gehalten, dass der Grave-Teil einfach langweilig ist.

Naja, schließlich serviert man ja auch nicht zweimal eine Vorspeise, oder?
 
Naja, schließlich serviert man ja auch nicht zweimal eine Vorspeise, oder?

stimmt - ebenso sagt man im Falle des Verliebtseins ja auch nur ein einzigesmal "ich liebe dich" zur/m Angebeteten (zweimal sagen wäre ja eine langweilige Wiederholung, und wozu aufwärmen, was man eh schon mal gesagt hat...) ;)

schade, dass Du eine der exquisitesten harmonischen Wendungen der Klaviermusik um 1840 als langweiig empfindest, wenn sie ein zweites mal gespielt wird.

wie ich oben ausführlich erklärt hatte, ändert sich die Wirkung des Grave sehr: es macht einen Unterschied, ob es die Sonate beginnen läßt oder ob es im Kontext des grandioso Halbschlusses der Exposition erneut klingt. Beim ersten mal weiß man noch gar nichts, wenn man fast einen ganzen Takt lang die Oktave Des-des hört, beim zweitenmal muß man sie als Ziel der Kadenzwendung (Ende Exposition), also als Des-Dur wahrnehmen, umso grö´ßer ist dann die Überraschung (des-e-as - F7 als Chopinakkord (6 statt 5) ! ).

aber natürlich kommt es darauf an, das zu hören.

Interessant ist hier, dass eine Wiederholung der Exposition speziell in dieser Sonate harmonisch großen Sinn macht (egal, ob man die Wiederholung nun in Takt 1 oder Takt 4 einsetzen läßt): das liegt an der faszinierenden Verwendung des "Chopin-Akkords":
- zur Wiederholung hin ist as-ges-c-f eindeutig eine Dominante (As7) die eindeutig nach Des-Dur führt (((der Trugschluß im Fall des Einsetzens in Takt 4 ändert ja nichts daran, dass grundsätzlich As7 mit großer Sexte nach Des-Dur führt)))
- nach der wiederholten Exposition aber ändert gerade dieser, von Chopin so gerne verwendete Akkord, seine Funktion: er wird umgedeutet! Das faszinierende ist, man den enharmonisch in fis-Moll notierten Beginn der Durchführung nicht als gewaltsam oder brüsk wahrnimmt: fis-Moll hört sich nach as-ges-c-f nicht falsch an. Das liegt nun nicht daran, dass As7 +6 eine Dominante, fis-Moll eine Subdominante wäre und man nun cis-Moll als Tonika erwarten müsste - cis-Moll taucht ertmal gar nicht auf. Vielmehr hat as-ges-c-f hier eine unerwartete leittönige Wirkung: as-a, c-cis, f-fis. Das ist schon große Klasse, wie alles in dieser fantastischen Sonate.
 
Henles Ausgabe von 1976 vermerkt mehrere Quellen, darunter ein Exemplar der frz. Erstausgabe der Chopin-Schülerin Camille O’Méara mit Eintragungen des Komponisten. Daß das Wiederholungszeichen am Beginn von Takt 5 in einer der Quellen fehlt, ist dem Revisionsbericht nicht zu entnehmen, demnach findet es sich nicht nur in der deutschen Erstausgabe.


HÄÄÄHH??????



Textgrundlage A1 und D
1.Satz - Grave
....
4f. In A1 zwischen Takt 4 und 5 ||; D interpretiert fälschlich als ||:

Henle Urtext S.30 - Bemerkungen



Desweiteren:

http://www.cfeo.org.uk

Weder die französische, noch die englische Erstausgabe
notieren ein Wiederholungszeichen.

oder auch:

ne weitere frühe französische Ausgabe


Mal ne Frage, Kernbeisser: Worum gehts Dir?
 
d-Moll - E-Dur ... findet sich auch schon als Schlußfloskel in der Musik der Renaissance
Das nennt man bekanntlich eine phrygische Kadenz, sie kommt als Folge Mollsubdominante – Durdominante in Halbschlüssen und fast jeder Mollkadenz vor. Die Akkorde liegen im Quintenzirkel nur zwei Quinten auseinander und gehören derselben Tonart an. Die Folge cis-moll – F-dur (bzw. c-moll – E-dur) hingegen ist für ein Madrigal von 1600 sehr ungewöhnlich.
Natürlich hat das mit der Harmonik Chopins nicht wirklich etwas zu tun, aber ich fand's erwähnenswert. Wer's uninteressant findet, kann's ja schnell wieder vergessen.

Nein, es geht nicht darum, eine Autorität zu bemühen, deren Machtwort zu befolgen wäre, sondern nur darum zu zeigen, daß andere manches anders sehen können. Dazu kann man ja nun schlecht Klein Erna aus Kleckersdorf zitieren, sondern muß schon jemanden zitieren, dessen Können und Wissen akzeptiert ist.

schließlich serviert man ja auch nicht zweimal eine Vorspeise, oder?
Genau diesen Eindruck habe auch ich bei der Wiederholung, und mir kommt die erneute Aufnahme der Grave-Einleitung genauso falsch vor wie eine wiederholte Begrüßung.
Kann man aber sicherlich auch anders empfinden, und wahrscheinlich wird sich die Quellenlage nicht mehr eindeutig klären lassen, denn laut Warschauer Chopin-Institut sind lediglich zwei fragmentarische Eigenschriften erhalten:
http://en.chopin.nifc.pl/chopin/manuscripts/detail/id/169
http://en.chopin.nifc.pl/chopin/manuscripts/detail/id/170
Die vollständige Abschrift, die der deutschen Erstausgabe als Stichvorlage diente, ist keine Eigenschrift.
 
Mal ne Frage, Kernbeisser: Worum gehts Dir?
Ich dachte, hier geht es um ubiks Frage, ob man auch die Grave-Einleitung wiederholen sollte. Irre ich mich?

Hä, irre ich mich schon wieder? Das kann ich natürlich nicht ausschließen, denn Henle könnte die Ausgabe ja revidiert haben. Wohl wissend, daß Henle manches auch neu herausgegeben hat, hatte ich die Jahreszahl 1976 genannt, meine Ausgabe der Sonate trägt die Editionsnummer 289. Dort finde ich den Revisionsbericht nicht wie bei dir auf Seite 30, sondern auf einem vierseitigen Einlegeblatt. Zu dem fraglichen Wiederholungszeichen Takt 4f fehlt dort jeglicher Kommentar.
Auf Henles Website finde man immerhin die erste Seite des Kritischen Berichts:
http://www.henle.de/katalog/KB/0289.pdf
Aber auch hier finde ich keinen Kommentar zum Wiederholungszeichen. Wenn in deiner Ausgabe einer steht, dann hat Henle seine Website wohl nicht aktuell gehalten, oder der Kommentar ist auf Folgeseiten nachgetragen. Auf folgender Notenseite übrigens prangt das Wiederholungszeichen in aller Deutlichkeit:
http://www.henle.de/katalog/notenblatt.cfm?hn=289
Ist auch das in deiner Ausgabe anders? Falls nicht: Was sagt der Kritische Bericht, warum es abgedruckt wurde, wenn es doch heißt, wie du mitteilst: "4f. In A1 zwischen Takt 4 und 5 ||; D interpretiert fälschlich als ||:"

Meine Bemerkung: "daß das Wiederholungszeichen am Beginn von Takt 5 in einer der Quellen fehlt, ist dem Revisionsbericht nicht zu entnehmen", scheint falsch zu sein, weil mir eine nicht mehr aktuelle Ausgabe vorliegt. Aber bevor man deswegen: HÄÄÄHH??????, bist du blind oder bescheuert? schreit, könnte man ja erst einmal nachfragen, ob hier vielleicht ein Irrtum vorliegt. Denn so sorglos, hilflos und bescheuert, daß ich nicht vor meinem Post Henles Website zu Rate gezogen hätte, bin ich denn doch nicht. Falls die Website nicht aktuell ist, dann kannst du ja mal an Henle schreiben: "HÄÄÄHH??????, ..."
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Falls die Website nicht aktuell ist, dann kannst du ja mal an Henle schreiben: "HÄÄÄHH??????, ..."

Tät ich glatt machen, sollten dies bezahlen


Ich dachte, hier geht es um ubiks Frage, ob man auch die Grave-Einleitung wiederholen sollte.

Es gibt diverse Gründe, die "Einleitung" zu "wiederholen":

Indem das geschieht, wird die "Wiederholung" nun zum Teil der "Durchführung", und das
ist eine der genialen Form-Ideen dieser Sonate.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich hab auch die neuste Henle Ausgabe © 1967/2004.

Ich zitiere:

...

A1: Eine lange Zeit für ein Autograph gehaltene Abschrift, die vielleicht von Adolf Gutmann angefertigt worden ist, Biblioteka Narodowa Warschau

...

D: Deutsche Erstausgabe Breitkopf & Härtel, Leipzig, Platten-Nr. 6329.

...

4 f.: In A1 zwischen T 4 und 5 ||; D interpretiert fälschlich als ||: .

:confused:
 
Ich glaube, ich habe jetzt alle bekannteren Pianisten durch, die es auf YouTube mit dieser Sonate gibt: Godowsky, Michelangeli, Pogorelich, Cortot, Argerich, Zimerman, Horowitz, Pletnev, Rachmaninov, Sokolov, Kissin, Pollini, Ashkenazy, Rubinstein, Gilels, Cziffra, Kempff...
Keiner von ihnen spielt bei der Wiederholung der Exposition noch einmal die Grave-Einleitung!

Einige schenken sich die Wiederholung der Exposition gleich ganz (Pogorelich, Cortot, Rachmaninov, Kissin, Rubinstein, Gilels, Cziffra).

Dies hier ist das einzige Video, das ich gefunden habe, bei dem der Pianist bei der Wiederholung auch die Grave-Einleitung mit
spielt: http://www.youtube.com/watch?v=OrYoaxRlpNk
Ist interessant zu hören.

Grüße von
Fips
 

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