Wie spiele ich das?

Ich glaube, ich habe jetzt alle bekannteren Pianisten durch, die es auf YouTube mit dieser Sonate gibt: Godowsky, Michelangeli, Pogorelich, Cortot, Argerich, Zimerman, Horowitz, Pletnev, Rachmaninov, Sokolov, Kissin, Pollini, Ashkenazy, Rubinstein, Gilels, Cziffra, Kempff...
Keiner von ihnen spielt bei der Wiederholung der Exposition noch einmal die Grave-Einleitung!


N a u n d ?
 
Du brauchst nicht so zu schreien, pppetc. :D Was glaubst du denn, was ich mit dieser Aufzählung sagen wollte?

Grüße von
Fips


Hai Fips!

Ich schreie nicht - ich formatiere


Du wirst Dir nicht wünschen, mich schreien zu hören:

Ich stand bei Einar Schleef auf der Bühne - und hatte die einzigartige
Aufgabe, gegen einen Chor von hundertvierzig Männern und Weibern
anzusprechen (Das entspricht ungefähr 150 dB - so ca. ein startender Jumbo-Jet)

Nachdem ich das drei Monate getan hatte, sagte ich zu Einar:

"Weißte was, Einar? Leck mich am Arsch - im Puff verdien ich mehr als bei Dir"

Und Einar Schleef war nun tatsächlich ein Genie - Hut ab....


mit leisem gruß

stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
(1)
Das nennt man bekanntlich eine phrygische Kadenz, sie kommt als Folge Mollsubdominante – Durdominante in Halbschlüssen und fast jeder Mollkadenz vor.
(2)
Genau diesen Eindruck habe auch ich bei der Wiederholung, und mir kommt die erneute Aufnahme der Grave-Einleitung genauso falsch vor wie eine wiederholte Begrüßung.

Hallo,

zu (1)
ich bedauere, dass Dir die phrygische Wendung (in der Tat kommt das von dort, allerdings wirkt dergleichen im Konzext reiner Stimmung und im Kontext von Renaissance-Polyphonie doch gänzlich anders, als in romantischer Musik mit Funktionsharmonik und temperierter Stimmung) z.B. am Ende von Wagners Walküre so unscheinbar erscheint. Vielleicht schaust Du Dir, nur wegen der Harmonik, mal den Klavierauszug dieser Oper an, um zu sehen, auf was für einem Weg Wagner dort zu dieser Schlußwendung gelangt. (vielleicht schließen sich daran dann Überlegungen zum "archaischen" an - ähnliche Überlegungen kann man auch bzgl. der Stilzitate in den Meistersingen anstellen)

zu (2)
auch hier bedauere ich, dass Dich Überlegungen und Erklärungen zur Harmonik und daraus abgeleitet Gründe für das Wiederholen völlig unberührt lassen (und ausführlich erklärt hatte ich das, ich werde das nicht wiederholen)

Musik muss man hören. Und hören muss man auch das geringste Detail. Tut man das nicht, so bleibt man an der Oberfläche. Die kahle fahle des-Oktave, mit welcher die b-Moll Sonate einsetzt, ist sowohl am Beginn wie in der (optionalen) Wiederholung hochexpressiv, und speziell in der Wiederholung ist sie von einer anderen Wirkung - - ähnlich wie die isolierten g-Oktaven zu Beginn der Lisztschen h-Moll Sonate, die dort ja mehrmals auftauchen.

Ob man die Grave Einleitung wiederholt oder nicht, ja sogar ob man die Exposition überhaupt wiederholt oder nicht, das hat verschiedene Gründe - was die praktischen Gründe betrifft, so sind diese recht herzlos: beim Zusammenstellen eines Konzertprogramms überlegt man sich die Dauer der gewählten Werke. Oft und gern wird in manchen sehr langen Sonaten auf manche Wiederholung aus diesem nüchtern-pragmatischen Grund verzichtet (Chopin, Schubert, Beethoven). ((( :D Liszt war schlauer: der hat seine Sonate so komponiert, dass kein Verschlimmbesserer was kürzen kann)))

Gruß, Rolf
 
... bedauere ich, dass Dich Überlegungen und Erklärungen zur Harmonik und daraus abgeleitet Gründe für das Wiederholen völlig unberührt lassen ...
Ich danke dir für dein Mitgefühl. Aber was gibt es da zu bedauern? Habe ich auch nur mit einem einzigen Wort gesagt, daß harmonische Gründe dagegen sprechen? Aber jetzt, wo du es so bedauernd sagst, fällt mir tatsächlich ein harmonischer Grund ein, die Grave-Einleitung nicht zu wiederholen: Die Dominante am Ende der Exposition, der sogenannte "Chopin-Akkord" mit unaufgelöstem Sextvorhalt, wird beim Sprung zurück nach Takt 5 stimmführungsmäßig vollständig in einen Trugschluß aufgelöst, beim Sprung zurück an den Anfang wäre die Stimmführung unvollständig. Das ist kein Beweis, könnte aber ein Hinweis sein.

Ein wahrer Satz. Und wie jede Wahrheit trivial und ebenso tautologisch wie: "Bilder muß man sehen". Ich höre den Beginn als deklamatorische Eröffnung, deren Wiederholung meinen Ohren strukturell nicht recht einleuchtet. Das kann man sicherlich auch anders hören. Den vielen bekannten Pianisten, die ab Takt 5 wiederholen, falsches Hören oder unzureichendes Nachdenken über die Stelle zu unterstellen, ist jedoch sicher nicht statthaft. Das hast du auch gar nicht getan. Aber du hast gesagt, es ginge beides, wetterst jetzt aber dagegen, daß man eine bestimmte Entscheidung fällt und dafür Gründe anführt, die in der Tat etwas mit Hören zu tun haben. Da muß ich doch glatt mit den Worten von pppetc fragen: Worum geht's Dir?
 
Aber du hast gesagt, es ginge beides, wetterst jetzt aber dagegen, daß man eine bestimmte Entscheidung fällt und dafür Gründe anführt, die in der Tat etwas mit Hören zu tun haben. Da muß ich doch glatt mit den Worten von pppetc fragen: Worum geht's Dir?

oh weh...

ich wettere nicht - - ich habe mir Mühe gegeben, den nun wirklich für die Musik um 1840 einzigartigen Beginn der b-Moll Sonate zu erklären.

Ich bin gegen ein leichtfertiges und oberflächliches Herumgetue a la "man frisst ne Vorspeise nicht zweimal" (warum denn? wenn sie schmeckt, fress ich auch drei!) - stattdessen habe ich versucht, zu erklären und darzustellen, wie expressiv die des-Oktave des Beginns ist - - - offenbar fruchtlos. Ok, man muss das nicht wahrnehmen; und ich habe keinen Bock, mich zu wiederholen.

Nebenbei habe ich niemandem vorgeschrieben, bei Takt 1 zu wiederholen, ebensowenig bei Takt 5 zu wiederholen - stattdessen habe ich versucht, auf harmonische Angelegenheiten aufmerksam zu machen, die in flapsig-keckem "man frisst keine Vorspeise zweimal" schlichtweg untergehen, ja offenbar gar nicht wahrgenommen werden...

So lange nicht begriffen und wahrgenommen (gehört) wird, wie und warum der Beginn der b-Moll Sonate so außerordentlich ist, wie und warum in dieser Sonate die "Chopinakkorde" mehr bedeuten als nur Dominanten - - so lange ist die Frage, wie die Grave Einleitung zu spielen und ob sie zu wiederholen ist, meiner Ansicht nach noch weit von dem entfernt, was diese Sonate ist.

Darüber muss man weder in patzige Wortspiele, noch in Gezänk ausarten - - stattdesen kann man interessehalber mal den Schluß der Exposition spielen und das Grave anhängen und dann hören, wie das wirkt und wie sich dieser Beginn dadurch ändert (alles schon ausführlich beschrieben). Das heisst noch lange nicht, dass man das so spielen muss - aber bevor man eine Entscheidung trifft, gilt es, genau nachzuschauen und zu überlegen.

Du schreibst:
Zitat von Kernbeisser:
Aber jetzt, wo du es so bedauernd sagst, fällt mir tatsächlich ein harmonischer Grund ein, die Grave-Einleitung nicht zu wiederholen: Die Dominante am Ende der Exposition, der sogenannte "Chopin-Akkord" mit unaufgelöstem Sextvorhalt, wird beim Sprung zurück nach Takt 5 stimmführungsmäßig vollständig in einen Trugschluß aufgelöst, beim Sprung zurück an den Anfang wäre die Stimmführung unvollständig
da kann ich nicht zustimmen: as-ges-c-f löst sich stimmführungsmäßig nicht vollständig in b-Moll auf - dafür fehlt nun mal der Leitton a (u.a. deswegen ist die Wendung As-b ja auch ein Trugschluß) - - - hier gilt es, zu hören, wie as-ges-c-f in Verbindung mit b-Moll oder einer des-Oktave wirkt. Danach kann man entscheiden, was man lieber mag.
zudem ist hier as-ges-c-f recht heikel: derselbe Akkord führt leittönig zwanglos (enharmonisch verwechselt) nach fis-Moll

Ich finde: bevor man sagt "von 500 spielen 450 ab Takt 5, also muss das so sein und ich machs´s auch so", sollte man sich alles genau anschauen und abwägen - also eine abgewogene Entscheidung selber treffen und nicht nachahmen.

Gruß, Rolf
 
Ein wahrer Satz. Und wie jede Wahrheit trivial und ebenso tautologisch wie: "Bilder muß man sehen".

trivial und tautologisch wirkt, was verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen ist...

ich darf mich vollständig zitieren und markiere noch dazu was durch Unterstreichung:
Zitat von rolf:
Musik muss man hören. Und hören muss man auch das geringste Detail. Tut man das nicht, so bleibt man an der Oberfläche.

freue Dich auf den Moment, da Du Deiner Angebeteten sagst "ich liebe dich" und sie antwortet Dir "ja ja, ein wahrer Satz, und wie jede Wahrheit trivial und tautologisch"... :D
 
Das Ende der Exposition bietet einen As-Dur Septimakkord mit Sexte statt Quinte (der so genannte Chopin-Akkord).

Die langsame Einleitung "tut so", als beginne sie in des-Moll (des-fes-as-des), eine absichtliche Täuschung des Gehörs, denn der Klang des-e(!!)-as-des entpuppt sich als Vorhalt zu F-Dur7, der Dominante von b-Moll.

Harmonisch gesehen kann man durchaus vom Wiederholungszeichen zum Beginn der langsamen Einleitung springen.

Beginnt man die Wiederholung erst mit den b-Moll Takten, wirkt dieses Einsetzen harmonisch wie ein Trugschluß (As7 - b).

Beides klingt ok (s.o.) - beginnt man die Wiederholung in den schnellen b-Moll Takten, bleibt das Tempo einheitlich, aber der Trugschluß macht aufhorchen; beginnt man mit Takt 1, wird halt das Tempo reduziert, aber man hört noch mal die schöne "Täuschung" der Anfangsklänge.

Nun habe ich mir auch nochmal den Satz angehört, allerdings nicht in youtube sondern in meinem Kopf, denn da sind die Zugriffszeiten zu einzelnen Stellen doch wesentlich schneller .

rolf hat sehr gut beschrieben, dass Chopin hier am Anfang "so tut", als begänne er in des moll, aber der geschulte Hörer sieht nicht nur das Bass E sonder er hört es auch und ist voller Spannung, wie das weiter geht.

Mir kommt da der Anfang der ersten Ballade in den Sinn, die auch "so tut" als begänne sie mit einem Neapolitaner, den wir allerdings erst rückblickend erkennen aber bei seinem ersten Erscheinen nicht in dieser Funktion erkennen.

Nun hinkt der Vergleich insofern, weil hier nichts wiederholt wird.

Die Einleitung ist ein Meisterstück für sich aber mit dem Beginn des b-moll Teils ist sie auch vorbei. Nach dem Ende der Exposition empfinde ich den Trugschluß als völlig passend. Die langsame Einleitung möchte ich nicht noch einmal hören, weil sie nach meinem Hörgefühl eben nur an den absoluten Anfang passt.

Eine Wiederholung der Einleitung vergrössert nicht die Freude, das noch mal hören zu dürfen, sondern wertet nach meiner Einschätzung diese Stelle ab, die in dieser Sonate einzigartig dastehen sollte.
 
(1)
dass Chopin hier am Anfang "so tut", als begänne er in des moll, aber der geschulte Hörer sieht nicht nur das Bass E sonder er hört es auch und ist voller Spannung, wie das weiter geht.
(2)
Die Einleitung ist ein Meisterstück für sich aber mit dem Beginn des b-moll Teils ist sie auch vorbei. Nach dem Ende der Exposition empfinde ich den Trugschluß als völlig passend. Die langsame Einleitung möchte ich nicht noch einmal hören, weil sie nach meinem Hörgefühl eben nur an den absoluten Anfang passt.
Eine Wiederholung der Einleitung vergrössert nicht die Freude, das noch mal hören zu dürfen, sondern wertet nach meiner Einschätzung diese Stelle ab, die in dieser Sonate einzigartig dastehen sollte.

Hallo,

zu (1)
da beginnt das Changieren - hören wir den Unterschied große Sexte oder verminderte Septime? "lesend" wissen wir ihn, aber hörend? Und indem Chopin nach dem langen des ein e anfügt und zu diesem in der r.H. des-as-des (manche Ausgaben haben cis-gis-cis!!) anfügt, tut er ja alles, damit wir eben nicht eine verminderte Septime (wie notiert), sondern eine Sexte hören (also den Anschein von des- oder cis-Moll)

zu (2)
und da haben wir eine Begründung, die für mich völlig ok ist und sich wohltuend vom "flapsigen Vorspeisen-Getue" abhebt!
Es geht mir gar nicht darum, ob das richtig oder falsch ist (denn wir wissen letztlich wohl nicht, wo Chopin die Wiederholung einsetzen lassen wollte) *), sondern dieser subjektive Eindruck und seine ebenso subjektive Begründung (Einmaligkeit des Grave) ist akzeptabel und beruht auf Überlegung (!!) und Abwägung, trifft eine Entscheidung ohne Flapsigkeit und ohne Nachbeten.

Ich bin dafür, die Grave Einleitung zu wiederholen (die Gründe sind formaler und harmonischer Art, aufgezählt hab ich sie schon), aber ich ginge nicht so weit, das als einzig richtig zu postulieren. Meine Entscheidung fällt auf das Wiederholen des Grave.

Wie schon vor längerem gesagt: beides ist plausibel und wirkungsvoll. Ob man nun in Takt 1 oder Takt 5 wiederholt: Schumanns berühmtes "durch Dissonanzen über Dissonanzen in Dissonanzen" gilt für diese Sonate trotzdem!

Gruß, Rolf

*) offenbar gibt es keinen Autographen, kein Manuskript?
 
1. Ballade

Hi rolf,

mich interessiert noch, ob du meinen Vergleich mit der Einleitung der Ballade nachvollziehen kannst.

Gruss Klavigen
 

Mir kommt da der Anfang der ersten Ballade in den Sinn, die auch "so tut" als begänne sie mit einem Neapolitaner, den wir allerdings erst rückblickend erkennen aber bei seinem ersten Erscheinen nicht in dieser Funktion erkennen.

Nun hinkt der Vergleich insofern, weil hier nichts wiederholt wird.

ist nachvollziehbar, zumal einer der Unterschiede zwischen Sonate und Ballade erwähnt wird.
 
Fängt das Stück denn jetzt eigentlich mit Des-Dur oder des-Moll an?

Nach Gehör würde ich sagen des-Moll.

Ich habe mal den Grave-Teil in eine vierstimmige Kadenz umgewandelt.

Kadenz mit Moll-Akkord am Anfang



Kadenz mit Dur-Akkord am Anfang



Deswegen würde ich sagen, dass die Wiederholung des Grave Teils eben keinen harmonischen Sinn macht, es sei denn, das Stück fängt in Des-Dur an, aber das tut es meiner Meinung nach nicht. Man möge sich den Unterschied der Wiederholung anhören:

Wiederholung zu Moll



Wiederholung zu Dur



Der Dominantseptakkord mit gr. Sexte am Ende der Exposition zeigt, dass wir uns in einer Dur-Tonart befinden (die gr. Sexte ist F, also in Des-Dur). Wenn die Anfangsoktave Des-Dur wäre, was für ein komische Harmonie wäre dann der Sprung zum E? Das klingt einfach viel zu unverständlich. Deswegen lieber Trugschluss nach b-Moll.

Was meint ihr?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nach Gehör würde ich sagen des-Moll.
(...)
Was meint ihr?

Die Grave Einleitung beginnt mit einem sehr raffiniert aufgebauten (das Gehör täuschenden: man hört des/cis-Moll) mehrfachen Vorhalt zum Moll-Chopinakkord f-es-a-des. Der Bass hat die Linie III-#IV-V, die Melodie verwendet nur Terz und Sekund.

Ich sehe keinen Anlaß, das, was ich in diesem Faden zur Harmonik erklärt habe, zu revidieren.

Gruß, Rolf
 
Ich wäre dafür, dass man sich einfach noch einmal anhört, wie es klingt, wenn der Grave-Teil mit wiederholt wird. Hier:

http://www.youtube.com/watch?v=OrYoaxRlpNk#t=2m19s

Ich habe die Stelle markiert, so dass das Video gleich beim Übergang zur Wiederholung beginnt. Meiner Meinung nach klingt es interessant und ungewohnt. Es klingt auf keinen Fall "falsch". Aber ich würde die Wiederholung wohl auch in Takt 5 beginnen, weil mir der Trugschluss besser gefällt.

Zum Vergleich mit Überleitung in den Trugschluss, so wie es von den meisten gespielt wird: http://www.youtube.com/watch?v=PE2rDs934Vg#t=2m03s

Grüße von
Fips
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Naja, ich find es einfach nur hässlich, den Grave Teil zu wiederholen. Weil am Ende der Exopsition geht es ja vom Dominantseptakkord Es-Dur nach Chopinakkord in As-Dur. Da ja die große Sexte im As-Dur-Akkord vorhanden ist (F ist der Ton), ist das Endziel Des-Dur (der Anfang vom Grave-Teil). Und dann im Graveteil der plötzliche Wechsel von Des-Dur zu Cis/Des-Moll. Das ist mir zuviel Modulation und hört sich einfach nur schlecht an...
 
Naja, ich find es einfach nur hässlich, den Grave Teil zu wiederholen. Weil am Ende der Exopsition geht es ja vom Dominantseptakkord Es-Dur nach Chopinakkord in As-Dur. Da ja die große Sexte im As-Dur-Akkord vorhanden ist (F ist der Ton), ist das Endziel Des-Dur (der Anfang vom Grave-Teil). Und dann im Graveteil der plötzliche Wechsel von Des-Dur zu Cis/Des-Moll. Das ist mir zuviel Modulation und hört sich einfach nur schlecht an...

Lieber ubik,

erstens ist ein Wechsel des Tongeschlechts (also plötzlich Moll statt Dur oder umgekehrt) gar nicht so selten und auch nicht zwingend notwendig "häßlich";

zweitens kann von Plötzlichkeit keine Rede sein!! Denn die des-Oktave zu Beginn des Grave dauert so lange, wie zwei Takte Doppio Movimento!! Also diese Oktave dauert ungefähr genau so lang, wie jeder der beiden Akkorde am (offenen) Ende der Exposition.

ich hab drei Notenbeispiele angehängt - bevor es da Einwände hagelt, weil ich das des im ersten Notenbeispiel als zwei Ganze notiert habe:
- ein Grave-Takt = zwei Doppio Movimento Takte
- das b-Moll Getrappel Takt 5-8 entspricht zwei Grave Takten
- Grave Takt 1 & 2 operiert mit der Täuschung bzgl. des scheinbaren Grundtons des zwei Takte lang

Ich hatte empfohlen zu hören - dazu muß man sich auch die Zeit nehmen und es wirklich tun! Der allererste Klang der Sonate ist eine leere Oktave Des-des, und diese dauert nahezu einen ganzen Grave-Takt (!!) lang. Und zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, was diese Oktave meint. Aber hören soll man sie, denn Chopin schreibt sie nicht aus Jux oder Verlegenheit hin.
___________________________

Überreden will ich niemanden, die Wiederholung nicht - wie meist praktiziert, wenn man denn überhaupt wiederholt - in Takt 5 einzusetzen. Aber anregen, darüber nachzudenken, was dort passiert und vor allem, auf Grund welcher Überlegungen man eine Entscheidung trifft. Von einer Entscheidung wie "viele machen das so, also ich auch" sowie von einer Entscheidung aufgraund von Hörgewohnheiten wie "anders als gewohnt find ich´s häßlich" halte ich nicht viel. Was man sich eingeflößt hat über häufiges Hören (J. Kaiser bezeichnet das als das präfiguriert sein von den Lieblingsaufnahmen!) betrifft, so muss das, was man oft gehört hat, nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Z.B. Artur Rubinstein spielt das Grave furchtbar schnell: kaum ist die des-Oktave angeschlagen, so folgt schon wie mit einem Vorschlag die tiefe e-Oktave - das ist da beinahe so, als seien Grave und Doppio Movimente im Tempo identisch: hätte man sich nun das immer angehört, würde man anderes als Abweichungen wahrnehmen - - aber wäre es denn richtig, zwischen Grave und Doppio Movimento keinen Tempounterschied zu machen?
__________________________

was das Hören der Harmonien betrifft, so ist sehr fraglich, ob man von Takt 1 bis zur Mitte von Takt 2 "Moll" hört, denn das tiefe aufgelöste e bedeutet nach dem vorangegangenen des noch nicht, dass hier Moll vorliegt - - um das verständlich zu machen das zweite Notenbeispiel :)

die leeren Oktaven und ihr Intervall (verminderte Septime, die hinterher als changierend ob verm. Sept oder gr. Sext (Moll) erscheint) des-e sind kein Allerweltsanfang: sie tauchen im Finale wieder auf!

bzgl. der Harmonik Takt 1-4 nochmals:
weder e-#c-#g-#c (so in manchen Ausgaben) noch e-des-as-des ist ein Mollakkrod (cis- oder des-Moll) - das erscheint nur so im Klang (und soll auch diese täuschende Wirkung haben), sondern dieser Klang ist ein chromatischer (leittöniger) Vorhalt zum "Chopinakkord" in Moll (also ein Dominantseptakkord mit kleiner (!!) Sexte anstelle der Quinte):
cis/des---des---c---
gis/as===a-----a----
--------- es----es---
e======f------f----
1.-------2.-----3.---

-----bleibt gleich
====chromatische (leittönige) Vorhalte
1. Vorhalt
2. F-Dur 7 mit kleiner Sexte statt Quinte (Chopinakkord in Moll)
3. hurra, der ganz normale Dominantseptimakkord von b-Moll

Zum Hören kommt natürlich auch das Verstehen und das vergleichende Wissen hinzu. Ohne die Kenntnis, dass die Tonlinie des-e-f zunächst gar nichts Besonderes, sondern eigentlich recht Gewohntes Material ist (dazu das ulkig konventionelle Notenbeispiel 2), gäbe es die überraschende erstaunliche Wirkung des Vorhaltakkords in Takt 2 nicht - - und dieser Vorhalt ist eine erstaunliche Vorausschau auf das, was ab der Mitte des 19. Jh. in der Harmonik auftauchte. Allerdings, und dazu Notenbeispiel 3, ist das Gerüst der Einleitung (Melodie und Bass) sehr überschaubar und wohlproportioniort und auch gar nicht sonderlich auffällig; das Auffallende oder Herausragende ist Chopins Akkordik

Wen das alles wirklich interessiert, den bitte ich, die kinderleichten drei Notenbeipiele sehr langsam zu spielen und genau hinzuhören - vielleicht ändert sich ja der voreilige Eindruck, dies oder jenes sei häßlich ;):)

Gruß, Rolf
 

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Ich bedanke mich nochmal bei allen für eure Hilfe.

Hier eine Spontanaufnahme nach genau 4 Wochen Übezeit, mit vielen Fehlern... Seeehr vielen Fehlern... Vor allem ab dem Mittelteil wird es schlimm... Katastrophe! Aber wer es sich trotzdem antun will, kann ja mal reinhören:

[gelöscht]

Und sagt mir nicht, dass es schlecht ist, denn das weiß ich bereits. So ein Stück braucht seine Zeit... :|
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo,

mittlerweile bin ich schon zufriedener, was mein Spiel angeht. Ist zwar noch lange nicht das, was ich will. Mit vielen Fehlern...

Ich hab mich übrigens entschieden, die Exposition nicht zu wiederholen.

Hier eine Spontanaufnahme, leider wie immer auf epiano...:

[MP3="http://klavier-blog.de/wp-content/forum-media-uploads/admin/chopinsonate2-1.mp3"]123456[/MP3]

Über jeden Verbesserungsvorschlag, jede Kritik und Spieltipps würde ich mich freuen!
 
Hi ubik,

leckerer, fetter Brocken, klasse Musik:o:)

Ich versteh deine Interpretation nicht so richtig, Tipps bekommst du wohl am besten von rolf.

LG

violapiano
 

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