Hallo Bernina,
Als erwachsener Spätanfänger, nach einer Motivationskrise zwischendurch nun beschwingt im 7. Jahr, kann ich einige deiner Erfahrungen gut nachvollziehen. Ich habe den Eindruck, die meisten deiner Probleme sind durchaus typisch und betraffen mich auch mehr oder weniger:
1. UNGEDULD - Erwachsene wollen schnell vorankommen, ihre Zeit nicht verschwenden und möglichst bald ihre Lieblingsstücke spielen können
2. EHRGEIZ - Wieso bin ich im dritten Jahr immer noch bei Band 2? Wieso ist das Wunderkind besser?
3. FALSCHE SPORTANALOGIEN UND TECHNIK - Die Frage nach Effizenz, Übeeinheiten, Linke Hand stärker trainieren usw. Resultate werden entsprechend oft visuell, an Tempo, Fingerstärke und "Ausdauer" gemessen statt mit dem Ohr.
4. KEINE MUSIK LESEN KÖNNEN - Man kann wohl einzelne Noten entziffern oder trainiert das sogar mit Apps. Aber wahrgenommen werden die Stücke als ziemliche beliebige Aneinanderreihung von Noten und "gelernt" durch brutale Repetition wie ein Gedicht in einer Fremdsprache.
5. SCHLECHTE KLAVIERLEHRER - Ein generelles Problem, viele haben aber wohl einfach auch null Ahnung, was sie mit erwachsenen Anfängern effektiv machen sollen.
Wie kannst du diese Probleme überwinden? Ein guter Klavierlehrer und die sechs Punkte von Hasenbein sind sicher zentral.
Was hat bei mir geholfen?
1. Ein Klavierlehrerwechsel schon ziemlich zu Beginn zu einer Lehrerin mit mehr Fokus auf Musikalität.
2. Die Akzeptanz, dass man als erwachsener Anfänger ohne Sonderbegagbung mal grundsätzlich viele Jahre mässig gut und eher einfaches, nicht so toll klingendes Zeugs spielen wird. Dass es mit der Zeit, und oft eine Weile unbemerkt, dann aber doch voran geht und was anfangs noch schwierig war, plötzlich einfach wird.
3. Ein viel stärkerer Fokus auf Blattspiel und das Lesen von Musik (nicht nur einzelnen Noten), so dass du ganze harmonische und rhythmische "Wörter" und "Sätze" auf einen Blick erkennen und dann auch gleich leidlich spielen kannst. Das ist wichtig, um von der sinnlosen Repetition der Stücke bis zum Verleiden wegzukommen.