Werktreue

Hi all,

ich halte den Begriff "Werktreue" für Unfug. Ein Werk ist doch kein Nibelunge ! :D:D

Folgendes:

Nicht einmal einem Komponisten eines Werkes kann es gelingen, dieses Werk, nehmen wir ruhig irgendein Klavierwerk, zwei Mal auf exkt dieselbe Weise zu spielen, also ohne den geringsten Unterschied beim zweiten Mal zum ersten Mal, z.B.

Selbst dann nicht, wenn er noch so genau irgendwelche Anweisungen notiert.

Also gilt: Nimmt man die Interpretationen vieler Pianisten zusammen, die z.B. ein Klavierwerk eines Komponisten gespielt haben, dann sieht man, wie viele verschiedene Auffassungen es von ein und demselben Werk gibt.

Erneut erwähne ich hier allein die Tempogestaltung der Hammerklaviersonate seitens ca. 30 - 40 namhafter Pianisten - und jede dieser Gestaltungen sieht anders aus, allein schon vom Tempo.

Also "Werktreue" - das ist wieder mal so ein "Kunstbegriff", besser: "künstlicher Begriff", bei dem es bereits in den ersten Denkanfängen seiner Erschaffer gewaltig hapert.

LG, Olli !

Werktreue bedeutet doch nicht, dass man ein Werk nur auf genau eine Art richtig spielen kann. Werktreue bedeutet, dass man den Notentext unter Berücksichtigung der aufführungspraktischen Konventionen, die es in jeder Epoche gab, interpretiert.

LG, Mick
 
Sehr schönes Thema. Ich gebe gern meinen unqualifizierten Senf dazu. (Man bedenke Schei## auf dem Tellerand wird als Senf nicht anerkannt!). Werktreue, das ist ja schon gesagt wurden, oder es klang zumindest an, geht streng genommen nur auf originalen (zeitgemäßen) Instrumenten. Da die aber nicht jeder zur Verfügung hat, gilt es fast immer Kompromisse einzugehen. Ich bin da Authentizitätsfetischist, frei nach dem Motto: " Irgendetwas hat sich der Komponist sicherlich gedacht!".
Neben den durch das Instrument bedingten Kompromissen halte ich kleine Änderungen im Sinne einer gemäßigten interpretatorischen Freiheit für vertretbar. Allerdings weis ich nicht, wie oft die verschiedenen Interpreten aufeinander aufbauen. Mir scheint es zuweilen so (Ich fabuliere und übertreibe), als ob Interpret A ein Stück vom Komponisten (Anno domini 1800) selbst gehört hat und nun eine eigene, aber im wesentlichen sehr werkgetreue Interpretation spielt. Das hört Pianist B und der ändert wieder was. Das Ganze schaukelt sich bis Interpret XXB im Jahre 2014 und selbst ein alter Bach klingt plötzlich wie ein früher Mahler. In diesem Sinne denke ich immer an back to the roots. Viele (alle?) Werke sollten mal wieder neu (alt) aufgerollt werden, mal gucken was Zuhörer von 1800 selbst gehört haben, gibt ja wohl einige Berichte, wohl auch recht detailierte, zuweilen von Schülern des Komponisten.
So mancher Pianist sollte sich vielleicht mal vom Notentext etwas lösen, aber nicht im Sinne von noch freierem Spiel, sondern im Sinne des Studiums der Tatsachen wie dies und das früher wohl gemacht wurde. Dann noch ans moderne Instrument anpassen und wir haben eine sicherlich spannende alte neue Interpretation der zur Unkenntlichkeit verunstalteten Werke.
 
So mancher Pianist sollte sich vielleicht mal vom Notentext etwas lösen, aber nicht im Sinne von noch freierem Spiel, sondern im Sinne des Studiums der Tatsachen wie dies und das früher wohl gemacht wurde. Dann noch ans moderne Instrument anpassen und wir haben eine sicherlich spannende alte neue Interpretation der zur Unkenntlichkeit verunstalteten Werke.

Das ist doch längst passiert! Pianisten wie Schiff, Sokolov, Koroliov und viele andere wissen bestens Bescheid über die damalige Aufführungspraxis - an deren Interpretationen ist doch deutlich zu hören, dass sie sich mit den Quellen ausgiebig beschäftigt haben. Einen stark romantisierten Bach, der die Werke bis "zur Unkenntlichkeit verunstaltet", bekommt man heutzutage wirklich nur noch selten zu hören.

LG, Mick
 
Ich änder stets hier und da mal einzelne Noten. Ich hab da gar kein Problem mit. Mir doch egal, ob jemandem der Notentext so heilig ist. Sei es im Schubert Impromptu oder ner Chopin Nocturne. Viele denken dann gleich man habe keinen Respekt vor der Komposition oder dem komponisten oder man macht das, weil man das Original nicht spielen kann..

Übrigens gehören für mich Pedal und die meisten Dynamikangaben nicht zu den elementen bei denen ich mich an Solowerken explizit halten muss. Das mach ich schonmal nach Lust und Schnauze.
 
@Curby:

ich mache es nicht viel anders ;) Ich muß allerdings dazusagen:

a) ich suche mir zum Üben immer Stücke raus, die mir sowieso sehr gut gefallen - und meist gibt es da nur wenig "zu ändern" an den notierten Noten, und das meiste ist sowieso schon toll komponiert...

b) ich versuche prinzipiell, bei den notierten Noten zu bleiben... nur wenn ich eine "viel bessere" Lösung irgendwo sehe, oder gefunden habe, setze ich den Rotstift an ;)

Meine Güte... ist es nicht vorstellbar, daß auch ein Komponist hier und da ein Nötchen nicht in der letzten Perfektion gesetzt hat...? (oder vielleicht eine nette kleine kompositorische Idee hier und dort das Werk schöner klingen macht...?)
 
Zuletzt bearbeitet:
Werktreue bedeutet doch nicht, dass man ein Werk nur auf genau eine Art richtig spielen kann. Werktreue bedeutet, dass man den Notentext unter Berücksichtigung der aufführungspraktischen Konventionen, die es in jeder Epoche gab, interpretiert.

LG, Mick

Da bin ich mir nicht so sicher, denn die Advokaten der Werktreue haben im Hinterkopf, dass nur eine Sichtweise richtig sei: Nämlich die Ihre.

Zusätzlich ist Deine Argumentation noch in anderer Hinsicht wacklig: Denn auch unter Berücksichtigung der aufführungspraktischen Konventionen ( die ich für nicht wichtig halte, denn wir sprachen z.B. andernorts schonmal darüber, ob man auf Klavieren ein Cembalo zu imitieren versuchen sollte. Klare Antwort: Natürlich nicht, begründet hatte ich das an anderer Stelle: Man würde trotzdem nicht an die vollständigen Cembalomöglichkeiten herankommen, und gleichzeitig zu wenig von den heutigen Klaviermöglichkeiten nutzen können. Doch seis drum. ) , also auch unter Berücksichtigung der von Dir genannten Konventionen ist der Begriff "werktreu" ein Adjektiv, das, wenn man es in eine Skala einordnen würde ( und das tun diese Advokaten gern: "Der ist ja soooo werktreu!" oder "ohhh - bei dem ist aber von Werktreue nicht viel zu bemerken.." ) zulässt, dass es "absolut werktreu" und auch "hochgradig ungetreu" gibt. Und somit gibt es also auch Interpretationen, die diese Sichtweisen erfüllen.

Nur fußen diese Sichtweisen m.E. - auf nichts. Zumindest auf nichts Bedeutendem.

Heutzutage sind wir dergestalt, dass wir selbst denken können, und uns selbst über SPielweisen, Interpretationen, alte Konzertberichte, alte Aufnahmen, usw. informieren können, nicht zuletzt dank der Technik und dank den neuen Medien.

Und daher gibt es für mich keine Einordnung in "Werktreue" oder "Nicht-Werktreue". Wer wäre außerdem die Instanz, die "Werktreue", selbst dann, wenn sie nicht auf einer Skala eingeordnet werden würde, abschätzt ?

Sehe ich keine einzige. Der Klavierspieler selbst muss aktiv werden, er kann es auch, es handelt sich um schwarze Zeichen auf Papier - und sonst nichts. Wer da hehre Gedanken hineininterpretiert "ohhh sooo muss Beethoven, das ist aber ganz toll werktreu!", lebt auf dem Mond. Über Werke, deren Komponisten und erste Interpreten bereits gelebt haben und gestorben sind, bevor es Aufzeichnungsmethoden gab, lassen sich ohnehin nur Vermutungen, alte Texte, objektive Konzertberichte wenn möglich, oder tradierte Aussagen an Nachkommen z.B. überprüfen. Ansonsten haperts da gewaltig mit Nachweisen. "Hören" können wir erst etwas, wenn piano-rollen usw. bereits Einzug gehalten haben, und dann optimalerweise von Komponisten selbst eingespielt, oder deren Schülern oder anerkannten und bestätigten Zuhörern, die des Spielens mächtig waren.

@ Fragen: Nein, Komponisten waren keineswegs perfekt, sondern nur Menschen. Und ganz genau so werden gedruckte Symbole für Töne behandelt. Nach Ermessen, eingeholten Informationen und nicht zuletzt: Nach Belieben. Also so wie Curby es beschrieb.

LG, Olli!
 
Da bin ich mir nicht so sicher, denn die Advokaten der Werktreue haben im Hinterkopf, dass nur eine Sichtweise richtig sei: Nämlich die Ihre.

Du scheinst dich da besser auszukennen als ich. Wer sind denn die "Advokaten der Werktreue"? Gib uns mal ein paar Namen.

Zusätzlich ist Deine Argumentation noch in anderer Hinsicht wacklig: Denn auch unter Berücksichtigung der aufführungspraktischen Konventionen ( die ich für nicht wichtig halte, denn wir sprachen z.B. andernorts schonmal darüber, ob man auf Klavieren ein Cembalo zu imitieren versuchen sollte. Klare Antwort: Natürlich nicht, begründet hatte ich das an anderer Stelle: Man würde trotzdem nicht an die vollständigen Cembalomöglichkeiten herankommen, und gleichzeitig zu wenig von den heutigen Klaviermöglichkeiten nutzen können. Doch seis drum. )

Aufführungspraktische Konventionen sind weit mehr als die Wahl des geeigneten Instruments. Dazu gehört auch das Wissen über Tempo und Metrum, Artikulation (mit der wichtigste Aspekt!), Phrasierung, Verzierungspraxis und vieles mehr. Davon abgesehen ist das Instrument und dessen Klang im Barock noch nicht elementarer Bestandteil der Komposition. Man kann viele "Clavier"-Werke auf dem Cembalo, dem Clavichord, einer Orgel, einer Laute und weiteren Instrumenten spielen, ohne dass es dem Werk schadet. Auch das war Teil der damaligen Aufführungspraxis: es wurde meist nicht eplizit für ein bestimmtes Instrument komponiert. Und auch damals hat man sicher die Möglichkeiten des jeweiligen Instrumentes genutzt - Bach hat ein und dasselbe Werk auf der Orgel gänzlich anders gespielt als auf dem Clavichord. Das ist auch in zeitgenössischen Berichten belegt. Deshalb spricht wenig dagegen, Bach auch auf einem Steinway D zu spielen. Man spielt selbstverständlich an das Instrument angepasst. Aber wie man im Bachschen Sinne artikulieren muss, wie man die verschiedenen Manieren (ob nun notiert oder nicht) ausführen muss und welches Tempo man zu wählen hat, ist deshalb noch lange keine willkürliche Entscheidung. Da gibt es sehr wohl Dinge, die man objektiv falsch machen kann.

, also auch unter Berücksichtigung der von Dir genannten Konventionen ist der Begriff "werktreu" ein Adjektiv, das, wenn man es in eine Skala einordnen würde ( und das tun diese Advokaten gern: "Der ist ja soooo werktreu!" oder "ohhh - bei dem ist aber von Werktreue nicht viel zu bemerken.." ) zulässt, dass es "absolut werktreu" und auch "hochgradig ungetreu" gibt. Und somit gibt es also auch Interpretationen, die diese Sichtweisen erfüllen.

Wieder falsch. So eine Skala habe ich nie erwähnt und auch nie im Hinterkopf gehabt. Werktreu zu spielen ist vor allem eine innere Haltung. Und nicht: "Ich kann machen, was ich will und muss mich um nichts scheren als um die notierten Noten."

Heutzutage sind wir dergestalt, dass wir selbst denken können, und uns selbst über SPielweisen, Interpretationen, alte Konzertberichte, alte Aufnahmen, usw. informieren können, nicht zuletzt dank der Technik und dank den neuen Medien.

Ja, genau! Habe ich jemals was anderes behauptet? Man muss allerdings schon etwas tiefer schürfen. YT und Wikipedia sind definitiv zu wenig. Gerade du als Bibliothekar solltest das doch wissen.

Und daher gibt es für mich keine Einordnung in "Werktreue" oder "Nicht-Werktreue". Wer wäre außerdem die Instanz, die "Werktreue", selbst dann, wenn sie nicht auf einer Skala eingeordnet werden würde, abschätzt ?

Quantifizieren lässt sich das sicher nicht. Aber anhand der von mir oben erwähnten Kriterien kann man schon abgleichen, ob ein Interpretat sich über bestimmte Dinge im Klaren ist oder ob er sich einer gewissen Willkür hingibt.

Sehe ich keine einzige. Der Klavierspieler selbst muss aktiv werden, er kann es auch, es handelt sich um schwarze Zeichen auf Papier - und sonst nichts. Wer da hehre Gedanken hineininterpretiert "ohhh sooo muss Beethoven, das ist aber ganz toll werktreu!", lebt auf dem Mond.

Nein. Wer glaubt, dass alles in den Noten steht, was man zu einer gelungenen, also werktreuen Interpretation benötigt, irrt gewaltig. Die Sekundärquellen sind extrem wichtig - um so wichtiger, je weiter der Komponist in der Vergangenheit gelebt hat. Trotzdem gibt es extrem unterschiedliche Möglichkeiten, eine Bach-Fuge oder eine Beethoven-Sonate werktreu zu spielen. Du verwechselst das leider immer und denkst, werktreu kann nur genau so sein, wie es der Komponist bei der Uraufführung gespielt hat. So eindimensional haben die großen Komponisten aber nicht komponiert. Was man z.B. auch daran erkennen kann, dass sie immer wieder Änderungen an ihren Werken vorgenommen haben.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
Werktreue bedeutet doch nicht, dass man ein Werk nur auf genau eine Art richtig spielen kann. Werktreue bedeutet, dass man den Notentext unter Berücksichtigung der aufführungspraktischen Konventionen, die es in jeder Epoche gab, interpretiert.

Also das heißt: es ist nicht dasselbe wie "Partiturtreue" ( = das spielen, was und wie es in der Partitur steht)...? Oder doch...? Kann mir das jemand näher erläutern...?

Fragende Grüße
Dreiklang
 
Also das heißt: es ist nicht dasselbe wie "Partiturtreue" ( = das spielen, was und wie es in der Partitur steht)...? Oder doch...? Kann mir das jemand näher erläutern...?

Es steht nun mal nicht alles in der Partitur. Im WTK gibt es beispielsweise so gut wie keine Artikulationvorschriften. Schließt Du daraus, dass Bach alles legato haben wollte?

LG, Mick
 
Man spielt selbstverständlich an das Instrument angepasst.

Und auch den äußeren Gegebenheiten angepaßt, wie z.B. Akustik. In einer Kirche mit ihrer hallenden Akustik muß man ganz anders spielen, als in einem mittelgroßen, recht gut schallgedämmten Raum.
Trotzdem gibt es extrem unterschiedliche Möglichkeiten, eine Bach-Fuge oder eine Beethoven-Sonate werktreu zu spielen.

Und, möchte ich anfügen, es gibt auch einen Haufen Möglichkeiten, ein Werk nicht so schön zu spielen, wie es im besten Falle klingen könnte (Frau Musica taut entweder auf - oder ihre Mine bleibt eben steinern).
 
Es steht nun mal nicht alles in der Partitur. Im WTK gibt es beispielsweise so gut wie keine Artikulationvorschriften. Schließt Du daraus, dass Bach alles legato haben wollte?

Nein, Deine "Sekundärquellen" sind sicher wichtig in diesem Zusammenhang. Und naja, zu Bachs Zeiten waren detaillierte Artikulationsvorschriften auch noch nicht besonders üblich... das entwickelte sich erst dann in der Folgezeit.
 

Und naja, zu Bachs Zeiten waren detaillierte Artikulationsvorschriften auch noch nicht besonders üblich... das entwickelte sich erst dann in der Folgezeit.

Schon - aber es gibt aus Bachs Zeiten Quellen, die die infrage kommenden Möglichkeiten der Artikulation sehr genau beschreiben. Auch hier bitte den Plural beachten: es gibt nicht nur eine Möglichkeit der sinnvollen Artikulation. Interpretatorische Freiheit gehört auch zur Werktreue dazu. Aber Willkür ist falsch und die hier offenbar verbreitete Haltung "Ich spiel das aber so, weil es mir besser gefällt" ist zumindest fragwürdig.

LG, Mick
 
Du scheinst dich da besser auszukennen als ich. Wer sind denn die "Advokaten der Werktreue"? Gib uns mal ein paar Namen.



Aufführungspraktische Konventionen sind weit mehr als die Wahl des geeigneten Instruments. Dazu gehört auch das Wissen über Tempo und Metrum, Artikulation (mit der wichtigste Aspekt!), Phrasierung, Verzierungspraxis und vieles mehr. Davon abgesehen ist das Instrument und dessen Klang im Barock noch nicht elementarer Bestandteil der Komposition. Man kann viele "Clavier"-Werke auf dem Cembalo, dem Clavichord, einer Orgel, einer Laute und weiteren Instrumenten spielen, ohne dass es dem Werk schadet. Auch das war Teil der damaligen Aufführungspraxis: es wurde meist nicht eplizit für ein bestimmtes Instrument komponiert. Und auch damals hat man sicher die Möglichkeiten des jeweiligen Instrumentes genutzt - Bach hat ein und dasselbe Werk auf der Orgel gänzlich anders gespielt als auf dem Clavichord. Das ist auch in zeitgenössischen Berichten belegt. Deshalb spricht wenig dagegen, Bach auch auf einem Steinway D zu spielen. Man spielt selbstverständlich an das Instrument angepasst. Aber wie man im Bachschen Sinne artikulieren muss, wie man die verschiedenen Manieren (ob nun notiert oder nicht) ausführen muss und welches Tempo man zu wählen hat, ist deshalb noch lange keine willkürliche Entscheidung. Da gibt es sehr wohl Dinge, die man objektiv falsch machen kann.



Wieder falsch. So eine Skala habe ich nie erwähnt und auch nie im Hinterkopf gehabt. Werktreu zu spielen ist vor allem eine innere Haltung. Und nicht: "Ich kann machen, was ich will und muss mich um nichts scheren als um die notierten Noten."



Ja, genau! Habe ich jemals was anderes behauptet? Man muss allerdings schon etwas tiefer schürfen. YT und Wikipedia sind definitiv zu wenig. Gerade du als Bibliothekar solltest das doch wissen.



Quantifizieren lässt sich das sicher nicht. Aber anhand der von mir oben erwähnten Kriterien kann man schon abgleichen, ob ein Interpretat sich über bestimmte Dinge im Klaren ist oder ob er sich einer gewissen Willkür hingibt.



Nein. Wer glaubt, dass alles in den Noten steht, was man zu einer gelungenen, also werktreuen Interpretation benötigt, irrt gewaltig. Die Sekundärquellen sind extrem wichtig - um so wichtiger, je weiter der Komponist in der Vergangenheit gelebt hat. Trotzdem gibt es extrem unterschiedliche Möglichkeiten, eine Bach-Fuge oder eine Beethoven-Sonate werktreu zu spielen. Du verwechselst das leider immer und denkst, werktreu kann nur genau so sein, wie es der Komponist bei der Uraufführung gespielt hat. So eindimensional haben die großen Komponisten aber nicht komponiert. Was man z.B. auch daran erkennen kann, dass sie immer wieder Änderungen an ihren Werken vorgenommen haben.

LG, Mick

Mick, hömma ;)

es wird seit jeher eingeordnet in "werktreu" und "nicht werktreu". Und mehreren Zwischenstufen, die man aus Konzertberichten entnehmen kann.
( Das ist schonmal der eine Punkt, der äußerst schwachbrüstig daherhüstelt, denn solche Berichte sind von Kritikern geschrieben, die keineswegs objektiv waren. )

Nun sagst Du, ich solle "Euch" Namen für Werktreue-Päpste geben. Ich denke das kann ich bestimmt: Es sind meist jedoch keine Pianisten.

Es sind Leute wie der von mir schonmal beschriebene Dwight. Und somit sind es welche, die bestimmte STILE bevorzugen. Es sind Zuhörer mit bestimmten Vorstellungen, die in einer bestimmten Art und Weise gebunden sind. Nicht irgendwelche Verfahrensweisen, die sich aus wirklich vorliegenden Notenbildern oder Aufführungspraktiken oder Instrumentenmöglichkeiten ergeben.

Und diese Vorstellungen sind nicht haltbar.

Du sagtest: Bach kann man auch auf einem Steinway D spielen. Das sollte man auch, denn auf modernen Klavieren und Flügeln hat man sehr viele Möglichkeiten, die es damals nicht gab. Aber man sollte auch wissen, wie es sich auf einem Cembalo anhört. Da sehe ich doch gar kein Problem.

Und mit den Verzierungen zu Bach's Zeit, da wären, wenn nicht bestimmte Leute aufgepasst hätten, alle auf eine berühmte Klavierlehrerin mit tonnenweise Schülern aufgelaufen, alle hätten heute noch falsche Verzierungen gespielt, da die Dame umfassend und Generationenweit falsche Infos ausgestreut hatte.

Ein Interpret kann sich jeder Willkür hingeben. Wo wäre der, der ihn verurteilt ? Bist Du das ?

Und die Skala ist nicht "Falsch" sondern ganz genau richtig. Sie existiert, ob DIr das gefällt oder nicht. Unberufene Konzertbesucher, zum Beispiel, proklamieren doch oft mangelnde oder hervorragende "Werktreue".

Du sprachst Youtube und Wikipedia an: Meintest Du damit, dass das meine bevorzugten bzw. einzigen Informationsquellen sind ? Also diejenigen, die ich immer nutze, und sonst keine, da ich Bibliothekar bin ? Ich verstehe Deine Frage nicht und bitte Dich, mir da zu antworten.

Zu den Sekundärquellen sagte ich bereits, wie wichtig sie sind. Warum wiederholst Du es, als sei es auf Deinem Mist gewachsen ?

Fragt müde lächelnd: Olli !
 
es wird seit jeher eingeordnet in "werktreu" und "nicht werktreu". Und mehreren Zwischenstufen, die man aus Konzertberichten entnehmen kann.

Dann fordere ich das, was Du hier immer so vehement einforderst: Belege! Und jetzt komm nicht mit irgendwelchem Gottschalk-Zeug, das ist hier wirklich nicht von Belang. Aktuelles, bitte!

Nun sagst Du, ich solle "Euch" Namen für Werktreue-Päpste geben. Ich denke das kann ich bestimmt: Es sind meist jedoch keine Pianisten.

Eiere hier bitte nicht so rum, sondern nenne konkrete Beispiele!

Und mit den Verzierungen zu Bach's Zeit, da wären, wenn nicht bestimmte Leute aufgepasst hätten, alle auf eine berühmte Klavierlehrerin mit tonnenweise Schülern aufgelaufen, alle hätten heute noch falsche Verzierungen gespielt, da die Dame umfassend und Generationenweit falsche Infos ausgestreut hatte.

Was tut das hier zur Sache? Irrtümer gab es schon immer un wird es immer geben. Auch die Musikforschung ist keine hermetische Wissenschaft - da werden sich auch in Zukunft neue Erkenntnisse auftun.

Ein Interpret kann sich jeder Willkür hingeben. Wo wäre der, der ihn verurteilt ? Bist Du das ?

Urteilen tut der Richter, das ist nicht mein Fachgebiet. Aber wenn sich jemand jeder Willkür hingibt, wird er als Musiker nicht ernst genommen, weder von mir noch von anderen, für die Musik mehr ist als ein bloßer Zeitvertreib.

Und die Skala ist nicht "Falsch" sondern ganz genau richtig. Sie existiert, ob DIr das gefällt oder nicht. Unberufene Konzertbesucher, zum Beispiel, proklamieren doch oft mangelnde oder hervorragende "Werktreue".

Die Wiederholung von Allgemeinplätzen macht diese nicht besser. Und erstaunlich sind Deine Thesen umso mehr, als Du überhaupt nie in Konzerte gehst, wie Du in einem anderen Faden mal posaunt hast. Ich wiederhole mich aber: Belege? Zitate?

Du sprachst Youtube und Wikipedia an: Meintest Du damit, dass das meine bevorzugten bzw. einzigen Informationsquellen sind ? Also diejenigen, die ich immer nutze, und sonst keine, da ich Bibliothekar bin ?

Ich habe leider den Eindruck, dass du sehr viele der maßgeblichen Sekundärquellen nicht kennst - zumindest was das 17. und 18. Jahrhundert angeht. Aber ich helfe Dir gerne mit einer Literaturliste aus, wenn's dich wirklich interessiert.

Zu den Sekundärquellen sagte ich bereits, wie wichtig sie sind. Warum wiederholst Du es, als sei es auf Deinem Mist gewachsen ?

Verstehe ich nicht. Warum hältst du sie für wichtig, wenn ein Interpret sich ohnehin jeder Willkür hingeben soll? Wozu braucht er sie dann?

LG, Mick
 
maßgeblichen Sekundärquellen nicht kennst - zumindest was das 17. und 18. Jahrhundert angeht. Aber ich helfe Dir gerne mit einer Literaturliste aus, wenn's dich wirklich interessiert.

Mich interessiert es! Da ich keine einzige kenne, reicht es mir, wenn Du mir einfach mal den Titel der Deiner Meinung nach besten für das 18. Jh. nennst!
 
Aber Willkür ist falsch und die hier offenbar verbreitete Haltung "Ich spiel das aber so, weil es mir besser gefällt" ist zumindest fragwürdig.

Es kommt ein wenig darauf an, was dabei rauskommt (was die schwierige Frage aufwirft: wer es denn entscheiden kann, wann Musik gelungen ist, und wann weniger...)

Allerdings: wer sich sklavisch und blind an Vorschriften, Vorgaben und Traditionen hält, um Musik "zum Leben" zu erwecken, der kann halt auch Schiffbruch erleiden (im musikalischen Sinne).

Die Popmusik, und wohl auch der Jazz, haben's da etwas leichter - erlaubt ist das, was vielen gefällt (und dann viele kaufen).

Was aber längst nicht bedeutet, daß der "Geschmack der Massen" das Nonplusultra oder der Weisheit letzter Schluß wäre - wohl eher im Gegenteil...

Aber eine handvoll Künstler aus diesen Genres haben schon sehr beeindruckendes musikalisch geleistet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für einen ersten Überblick ist dieses Buch sehr empfehlenswert - es ist eine Zusammenfassung verschiedener Quellen und ist deshalb ein guter Einstieg:

Die Musik des Barock und ihre Regeln

Standardwerke, die man kennen sollte sind u.a.

- J.J. Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen (Da geht es im Wesentlichen um musikalische Gestaltung, unabhängig vom Instrument.)

- C.P.E Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen

- J. Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

- D.G. Türk: Klavierschule

- L. Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule

Alle gibt es in modernen, kommentierten Ausgaben.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
danke.gif
 
@Barratt: Ich liebe Deine Smileys.

Das mit der Werktreue bekommt für mich manchmal den
Geschmack von religiösen Urtextdiskussionen;
die Suche nach der einen großen Wahrheit.

Und genau da sollte (kann?) diese Frage im künstlerischen
Bereich nicht liegen.

Vergleichen wir das mal mit der Malerei.
Wie oft haben Maler ein fertiges Bild doch noch mal abgeändert,
hier den Baum übermalt und da die Figur anders hingestellt usw.
(Wenn es zu schnell verkauft wurde, blieb es halt so).
Oder er hat das Bild einfach nochmal gemalt, nur diesmal etwas anders.

Ein früherer Nachbar von mir war gleichzeitig Maler und Komponist
(beides professionell), und hat in beiden Künsten vergleichbar gearbeitet.

Bach hat so viele Motive oder ganze Sätze immer wieder verwendet,
unterschiedlich instrumentiert, etwas modifiziert.
Welche Version ist denn jetzt die "richtige" ?

Nur weil von einer Komposition nur eine Version gedruckt wurde,
heißt das nicht, daß der Komponist im Laufe seines Lebens seine
Auffassung von dem Werk nicht geändert haben könnte.

Auf meiner CD "Prokofiev plays Profkofiev" klingt das eine
oder andere Stück schon so, als hätte er eigentlich keine Lust
gehabt, das Stück aufzunehmen.
Muß das jetzt jeder Pianist genau SO spielen ?

Werktreue heißt für mich:
Vorhandene Spielanweisungen und klares Wissen über die
Aufführungspraxis sollten befolgt werden.
Alles andere ist Sache des Interpreten (der schließlich auch
als "Künstler" bezeichnet wird).

Gruß
thmek
 

Vergleichen wir das mal mit der Malerei.
Wie oft haben Maler ein fertiges Bild doch noch mal abgeändert,
hier den Baum übermalt und da die Figur anders hingestellt usw.
(Wenn es zu schnell verkauft wurde, blieb es halt so).
Oder er hat das Bild einfach nochmal gemalt, nur diesmal etwas anders.">

Vergleichen wir das mal mit der Malerei.
Wie oft haben Maler ein fertiges Bild doch noch mal abgeändert,
hier den Baum übermalt und da die Figur anders hingestellt usw.
(Wenn es zu schnell verkauft wurde, blieb es halt so).
Oder er hat das Bild einfach nochmal gemalt, nur diesmal etwas anders.
...sehr scharfsinniger Vergleich.....
sag: wie viele Malhobbyisten und Malschüler malen in einem Monetbild herum? finden wir auf Youtube malende Steckenpferdreiter, die das Auge des Betrachters mit ihren willkürlich abgeänderten Monet-Seerosen peinigen?
:D:D:D
eben, wir finden sowas nicht - der Vergleich taugt nichts (sorry)

wir finden auch kaum veränderte Goethetexte, also einen Hobbyfaust, der etwas abweicht (a la "yeah, ich bin cool, bei mir fasst der Faust dem Gretchen derb ans Gemelk, weil das find ich cooler und zeitgemäßer als das Geschwalle vom ollen Johann Wolfgang")

...angenommen, ein Schlaumeier bei der Post öffnet einen Liebesbrief, den du deiner Angebeteten sendest, und ändert oder korrigiert oder verschlimmbessert darin herum und du kriegst das raus: was machste dann? ;):)

das "Regentropfenprelude" ist von Chopin - man kann es verhunzen, indem man es schlecht spielt, man kann es verhunzen, indem man größenwahnsinnig drin rum ändert (a la "ich weiß es besser als der Frederic, die Lusche, deswegen hier volle Lotte ein fettes Bass-fis dazugeklatscht") ---- lohnender allemal ist, das Prelude zu kapieren und es möglichst gut zu spielen: und zwar genau mit Chopins Tonfolgen.">
...sehr scharfsinniger Vergleich.....
sag: wie viele Malhobbyisten und Malschüler malen in einem Monetbild herum? finden wir auf Youtube malende Steckenpferdreiter, die das Auge des Betrachters mit ihren willkürlich abgeänderten Monet-Seerosen peinigen?
:D:D:D
eben, wir finden sowas nicht - der Vergleich taugt nichts (sorry)

wir finden auch kaum veränderte Goethetexte, also einen Hobbyfaust, der etwas abweicht (a la "yeah, ich bin cool, bei mir fasst der Faust dem Gretchen derb ans Gemelk, weil das find ich cooler und zeitgemäßer als das Geschwalle vom ollen Johann Wolfgang")

...angenommen, ein Schlaumeier bei der Post öffnet einen Liebesbrief, den du deiner Angebeteten sendest, und ändert oder korrigiert oder verschlimmbessert darin herum und du kriegst das raus: was machste dann? ;):)

das "Regentropfenprelude" ist von Chopin - man kann es verhunzen, indem man es schlecht spielt, man kann es verhunzen, indem man größenwahnsinnig drin rum ändert (a la "ich weiß es besser als der Frederic, die Lusche, deswegen hier volle Lotte ein fettes Bass-fis dazugeklatscht") ---- lohnender allemal ist, das Prelude zu kapieren und es möglichst gut zu spielen: und zwar genau mit Chopins Tonfolgen.
 

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