Ich hatte bisher den Eindruck, diese "YouTube-Persönlichkeiten" werden von den Konzernen überhaupt erst erschaffen, mitsamt viralem Marketing sog. "Fans" (die in Wirklichkeit Bots von Marketing-Agenturen sind) in diversen Foren, um sie bei der Werbezielgruppe überhaupt erst bekannt zu machen.
Kann sein, dass es auch diese Fälle gibt, aber die "großen Youtuber" haben alle irgendwann aus eigenem Antrieb und lächerlich klein angefangen. Sie haben später die frühen Videos gelöscht, weil sie ihnen vermutlich zu peinlich wurden. Heutzutage ist die technische Qualität der Großen so überragend, dass es für Newcomer mit gebastelten Filmchen extrem schwer ist. Wenn sie eine gewisse "Reichweite" (Klicks/Abonnenten) bekommen und solchermaßen nachweisbar ein funktionierendes Brand entwickelt haben, schließen sie sich oft Netzwerken an, die sie mit besserer Technik & Co. coachen und ähnlich wie eine Künstleragentur arbeiten. Die Werbeanfragen kommen von ganz allein. Überall, wo im Internet eine lukrative Anzahl Klicks zu holen ist, erscheinen die Werbeagenturen und machen Angebote, nicht nur bei YT*. Ein flüchtiger Bekannter von mir begann auf YT mit kleinen Nachhilfe-Videos im Fach Geschichte. Irgendwann ging er dazu über, Tagesnachrichten zu kommentieren. Er ist Journalist und ist ein ehrlicher, geradliniger Typ ohne Schnickschnack in seinen Videos, das kam gut an. Und schon traten Werbeagenturen an ihn heran.
Das umstrittene Product-Placement ist für den mündigen Konsumenten Larifari. Hallo, ich kaufe doch nix, weil das in einem Video irgendwo herumsteht. Die Kiddies fühlen sich dadurch offenbar inspiriert - oder zumindest unterstellt man es ihnen. Deshalb wurde irgendwann das Agreement getroffen, den Hinweis "enthält Product-Placement" einzublenden. Für die großgewordenen Youtuber ist YT ein richtiger Job. Es scheint Verträge zu geben, in denen sie sich gegenüber den Geldgebern verpflichten, regelmäßig zu produzieren etc. Das ist irre, gerade für diese Beauty-Fraktion. Die können gar nicht anders, als auch so was wie "allgemeine Lebensberatung" für die Zielgruppe zu produzieren (oder ein Video, in dem ein Tasteninstrument vorkommt). Die betreiben auch einen aberwitzigen Aufwand, um auf allen Networks mit ihrer Community in Kontakt zu bleiben. "So nebenher" wird man bei YT nicht so groß, um damit relevante Summen zu verdienen.
YT ist eine faszinierende Parallelwelt der jungen Generation, faszinierend deshalb, weil es funktioniert. In dieser Parallelwelt gibt es "beef" und Konflikte zwischen den Kanalbetreibern, Beziehungen, Klatsch & Tratsch, alles, was das regenbogenpresseaffine Gemüt interessiert. "Broadcast youself". Weil es scheinbar "so einfach ist, Kohle zu machen", ahmen viele die Konzepte der "Großgewordenen" nach. Wer hätte gedacht, als das Portal online ging, dass es irgendjemanden interessiert, was ein Niemand aus Nirgendwo über seinen Alltag erzählt. Ich jedenfalls nicht. Ganz irre sind die sog. "Gamer". Die verdienen übrigend RICHTIG Kohle. Die Zuschauer gucken dabei jemandem zu, der ein Computerspiel spielt und dabei coole Bemerkungen absondert. Man kann es als Erwachsener nicht nachvollziehen. Aber immerhin: Valentina Lisitsa hat wohl ihre Pianistenkarriere über YT angestoßen.
Daruum (so fing sie einst an) alias Niram (auch YT-Mädels/Bübchen werden älter) ist eine von den Größeren, aber nicht von den ganz Großen. Abgesehen von dem harten Urteil, das man als ernsthaft Klavierspielender natürlich treffen muss, finde ich die Message des Videos vollkommen in Ordnung. Die Botschaft ist nicht "schaut wie toll ich klavierspielen kann" (im Gegenteil, sie stellt das ausdrücklich in Abrede) sondern: "Erarbeitet Euch etwas, lernt etwas, packt etwas an." -
Wer weiß. Diese Kanalbetreiber üben ja tatsächlich Einfluss auf ihre Community aus (sonst hätten die Product-Placements keinen Sinn). Vielleicht kommt die eine oder andere auf die Idee, tatsächlich mit dem Klavier zu beginnen. Rd. 180.000 Personen haben den Clip angeklickt. Die haben zuvor vielleicht noch nie von Haus aus die Anregung bekommen, ein Instrument zu lernen. Wenn von den 180.000 (abzüglich derer, die sowieso schon klavierspielen - einige artikulierten sich entsprechend in den Kommentaren - alle übrigens monierten sie die Fingernägel
und bekamen dafür Hunderte von Likes, also sind da noch mehr) 10 es tatsächlich mal ausprobieren und 4 dadurch wirklich motiviert werden, ein Instrument kaufen und Unterricht nehmen - ist doch prima. Besser als die xte Vorstellung einer Foundation.
* Wer ein Forum betreibt, das täglich von vielen Leuten besucht wird, kann das bestätigen.