Vor ca. 10 Jahren habe ich schon einemal ein bißchen was zum Thema - Erwachsene im Klavierunterricht gepostetn. Ich unterrichte immer mal wieder Erwachsene und bin mit keiner "Erwachsenen"-Schule wirklich zufrieden, möchte aber hier subjektiv ein paar Hinweise zu den Schulen geben, die ich verwendet habe:
Molsen: Verstehen-Erleben-Lernen: Für Schüler, die klassisch ausgerichtet sind, nicht schlecht. Hat aber bei Berufstätigen oft das Problem, daß die polyphonen Anforderungen nach ein paar Seiten stark ansteigen. Somit benötigt es hier einiges an Zusatzmaterial, um wenig-übende Erwachsene mit Familie und Beruf und inzwischen vielleicht etwas langsamerem motorischen Lernen nicht zu sehr zu frustrieren. Die Auswahl der Stücke ist für eine ältere Generation im Volksliedbreeich angemessener als für Schüler, die nach 1970 geboren sind und die Lieder meist nicht mehr kennen. Die klassischen Stücke hingegen sind recht abwechslungsreich von Renaissance bis zur frühen Moderne.
Heumann: Klavierspielen mein schönstes Hobby (Band 1). Generell stehe ich dem Buch leider auch sehr skeptisch gegenüber, aber ich hatte einen speziellen Schüler, für den das Buch gut passte. Mein persönliches Problem ist, daß ich 1. Arrangements von einfachen Klavierwerken, die definitiv in der Reichweite auch von fast allen Spätanfängern liegen nicht mag, denn letztlich wären diese Stücke in ihrer Originalform erreichbar und stellen auf diese Art wenig Anreiz dar. 2. Arrangements von Nicht-Klavierwerken sollten wenigstens stilistisch und harmonisch stimmig sein. Das sind sie bei Heumann für meinen Geschmack leider oft nicht. Oft sind die Harmonien so stark vereinfacht, daß die schlichten Melodien banal klingen. Das schafft dann z.B. eine Anna Terzibaschitsch klanglich oft besser in ihren Arrangements, die auch nicht meine liebste Unterrichtsliteratur darstellen, aber zu der ich dann bei Bedarf deutlich lieber greife. Mein Schüler war aber schon deutlich über 60, Konzertabonnent und hatte aus gesundheitlichen Gründen starke Probleme mit der Fingerbeweglichkeit. Während vom Arzt unterstützt wurde, daß Instrumentalspiel den Krankheitsverlauf verbessern könne, war bald klar, daß der Schüler auch einfache Stücke in der Originalform in absehbarer Zeit nicht beherrschen würde. Somit passte Heumann vom Repertoire und der Schwierigkeit her ganz gut. Für "normale" Schüler würde ich ihn aber nicht wieder verwenden. In vielen Punkten sehe ich ähnliche Probleme wie in Alfreds Musikschule (s.u.). Gut sind die Erklärungen zur Theorie etc.
Feils: Play Piano. Ich habe noch nicht wirklich nach dieser Schule unterrichtet, aber einige Dinge gefallen mir für Schüler, die Rock-Pop im Fokus haben recht gut. Die Schritte sind so klein, daß auch ein Berufstätiger hier schnell voran kommen kann. Bei Schülern, die schnell lernen oder gut üben, kann auch einiges vom Blatt gespielt oder übersprungen werden. Einige der Stückchen, die enthalten sind (Hellbach) waren Highlights bei meinen jüngeren Schülern. Außerdem hat das Heft ein schönes Klassik-Beiheft mit einer interessanten Stückauswahl. Die linke Hand ist leider etwas unterrepräsentiert, was für eher klassisch inteerssierte Schüler nicht sonderlich gut ist. Das H, B zu nennen ist eine Eigenheit der Schule, die man problemlos ignorieren kann, wenn es einem wie mir nicht so gefällt. Das Grundübekonzept mit Mitspiel-CD würde ich wohl auch ignorieren, weil ich doch glaube, daß viele Erwachsene eine eigene Klangvorstellung haben und die nur entwickeln können, wenn sie nicht ständig zu einer Vorinterpretation spielen. Reinhören kann man zu Hause gerne mal, wenn man rhythmisch z.B. unsicher ist. Ansonsten eine recht brauchbare Schule für Rock-Pop und auch Rock-Pop mit kleinen klassischen Ambitionen, denke ich und werde sie, wenn wieder ein Schüler auf den Typ paßt, wohl auch verwenden.
Alfred's Klavierschule für Erwachsene: Habe ich einmal verwendet bevor die Feils-Schule auf dem Markt war. Sie hat letztlich wie viele "ältere" amerikanische Erwachsenenschulen das Problem, daß sie auf scheinbar schnelle Erfolge aus ist und Erwachsenen wohl keine ambitionierten Ziele setzen möchte. D.h. es werden schnell Akkorde gelernt und dann meist bekannte Melodien mit diesen begleitet. Den Anteil klassischer Originalkompositionen kann in den beiden Bänden quasi an einer Hand abgezählt werden. Interessanterweise ist das letzte (?) Stück der Schule dann die Originalversion von Für Elise. Ansonsten gibt es viele (amerikanische) Volkslieder und klassische Arrangements - auch von Stücken, die der jetzigen Generation mitteleuropäischer Erwachsener vielleicht nicht geläufig sind. Ich kenne ältere Erwachsene (Jahrgang 1940-50), die bei der Stückauswahl glänzende Augen bekommen. Andererseits ist es eine schön langsam aufgebaute Schule, die einen schnell zu einfachen Akkordbegleitungen führt und somit vielleicht auch geeignet für Leute, die das Klavier wählen, um einfach nur Lieder, die sie mögen begleiten zu können.
Emonts: Europäische Klavierschule (eigentlich für Kinder). Diese war ja quasi der Ausgangspunkt für diesen Thread. Ich kann es wirklich gut nachvollziehen, wenn man die "Literaturauswahl" des 1. Bandes nicht mag, aber mit konkretem Ziel vor Augen und Ambitionen noch viel Original-Klavierliteratur zu spielen, ist die Schule doch eine der besten. Ich habe zwei Erwachsene (Mitte 20 und Anfang 30) mit dieser Schule erfolgreich auf Hochschulafunahmeprüfungen im Nebenfach Klavier vorbereitet. Vorteil war vielleicht, daß sie Grundschullehramt bzw. EMP als Studienziel hatten und somit ohnehindarauf eingestellt waren, viele Kinderlieder spielen und singen zu müssen. Emonts ist hier etwas kleinschrittiger und musikalisch moderner als in seiner älteren Schule "Erstes Klavierspiel", aber erwartet schon früh viel Unabhängigkeit der Hände. Stilistisch ist er vielseitig und ich mag besonders den 2. Band mit seiner Stückvielfalt von alt zu neu und sogar ein bißchen in Richtung "populär". Nach ca. 1 1/2 Jahren (und ca. der Hälfte vom 2. Band) waren sie fit genug, um eine Haydn Sonatine, ein Händel-Fughette und romantische Charakterstücke auf dem Niveau sauber und mit Ausdruck und Interpretation zu spielen. Natürlich übten diese Schüler auch (z.T. trotz voller Berufstätigkeit, aber mit dem Ziel vor Augen) sehr gut. Das "Problem" des 1. Bandes ist ein recht polyphoner Ansatz, der längerfristig zwar zu einer guten Unabhängigkeit der Hände führt, aber in Kombination mit den vielen "Liedern", die im 1. Band auch recht Dur-lastig sind, Erwachsenen nicht "schmeckt" (und Teenager erst recht nicht). Funktionieren kann die Schule aber auch bei Erwachsenen, die selbst kleine Kinder haben. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, daß meine erwachsenen Schüler in solch einer Phase oft konkret nach guten Noten für Kinderlieder gefragt haben.
Nikolaew: Russische Klavierschule: Habe ich bei Erwachsenen noch nicht unterrichtet, aber ich kann mir vorstellen, daß sie oft ganz gut passen könnte für klassisch interessierte. Die Auswahl an Kinderliedern ist dezent und die russischen Melodien sind ja oft etwas für's "Gemüt" (was bei jüngeren Kindern manchmal das Problem dieser Schule ist). Ansonsten ist die Schule viel Arbeit für den Lehrer, da wenig erklärt wird (auch an Theorie). Persönlicher Kritikpunkt für mich wäre auch hier die einerseits sehr schön klingende Stückauswahl, die aber größtenteils aus etwas Bach, etwas Klassik, viel Romantik und russischer Moderne besteht. Emonts bietet im Vergleich stilistisch deutlich mehr an. Man sollte hier wieder mit bunteren Sammlungen ergänzen (toll z.B. "Starke Stücke" Hrsg. Schwabe - nicht nur für Kinder)
Schaper-Meister: Klavierschule für Erwachsene. Ich habe einmal danach unterrichtet, weil die Schule so gelobt wurde und eine Schülerin sie sich vor Unterrichtsbeginn auch schon selbst gekauft hatte. Der erste Teil besteht leider größtenteils aus nicht sonderlich schön komponierten Eigenkreationen und 2-stimmig gesetzten Volksliedern. Leider mochte ich diese überhaupt nicht und meine Schülerin zeigte fast ebenso wenig Begeisterung. Vielleicht liegt es daran, daß ich auch Tonsatz und Kontrapunkt unterrichte, aber für mich hatten die Stücke einfach Satzfehler, die ich in einem Anfall an Ärger auch einmal angestrichen habe. Die Texte sind für Schüler wiederum interessant. Den 2. Band halte ich für ein viel interessanteres Buch, das verschiedene Wege und Möglichkeiten eröffnet und schön gesetzte Stücke und Originale enthält.
Die Bücher von Eike Wernhardt (Tastensinn) steht bei mir im Schrank. Mir gefällt der Aufbau sehr, aber in irgendeiner Phase waren es mir zu viele Eigenkompositionen. Sie sind nicht "schlecht", wie auch die von anderen schon erwähnten Schul-Schreibern, aber man merkt ihnen allen doch an, daß sie mehr aus der didaktischen als der musikalischen Not entstanden sind. generell scheinen mir im ersten Band etwas viele davon, die ich teilweise durch gut ausgewählte Originalstücke ersetzen würde. Und das ist dann oft ein bißchen viel Arbeit. Wenn ich gute Alternativen finde, werde ich die Schule aber wohl demnächst testen.
Ansonsten stehen noch ein paar Erwachsenen-Schulen in meinem Regal, die ich aus diversen Gründen nie verwendet habe und deshalb kaum kenne und somit auch erst einmal nicht kommentiere.
Generell möchte ich noch kurz zur Erwachsene-Anfänger Diskussion darauf hinweisen, daß viele Erwachsene wirklich gerne 4-händig spielen. Einige Sammlungen mit einfach(st)en Stücken und gut klingenden Lehrerparts sind auch wirklich gut, um Notenlesen zu trainieren und zu festigen. Man kann also eine Klavierschule immer sehr gut mit ansprechendem 4-händigen Material ergänzen und damit auch Schwächen der Schulen ausgleichen - denn wie irgendjemand hier sagte: Die perfekte Schule gibt es nicht und wird es nicht geben, weil Menschen viel zu individuell sind.